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Gesetzesentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie

Am 25. März 2020 hat der Bundestag einstimmig einen Gesetzesentwurf zur Abmilderung der Folgen der Covid-19 Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht angenommen, den der Bundesrat am heutigen 27. März 2020 gebilligt hat. Darin finden sich umfassende Regelungen, die den neuen Herausforderungen in Zeiten der COVID-19-Pandemie begegnen sollen. Die wegen der Coronakrise ausgesprochenen Versammlungs- und Kontaktverbote führen zu erheblichen Einkommensverlusten sowohl bei Groß- als auch Kleinunternehmern und Arbeitnehmern. Haben diese keine ausreichenden finanziellen Rücklagen, kann es sehr schwierig werden, laufende Verbindlichkeiten wie z. B. Miet- oder Pachtzahlungen weiterhin zu begleichen. Um Unternehmensinsolvenzen aber auch finanzielle Schieflagen von Selbstständigen und Arbeitnehmern zu vermeiden, gibt es zum einen diverse wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen. Diese sollen durch die neuen Regelungen flankiert werden.

Im Einzelnen sieht das Gesetz folgende Maßnahmen vor:

Befristetes Leistungsverweigerungsrecht für Kleinstunternehmer und Verbraucher

Ab dem 1. April 2020 können Kleinstunternehmer (d.h. Unternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von bis zu EUR 2 Mio.) Leistungen, z. B. ihre Zahlungsverpflichtungen verweigern bzw. einstellen, wenn durch die Leistung die wirtschaftliche Grundlage ihres Erwerbsbetriebs gefährdet würde. Dieses sog. Moratorium gilt nur für wesentliche Dauerschuldverhältnisse, also solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforderlich sind und die vor dem 8. März 2020 begründet wurden. Eine Leistungsverweigerung ist nicht möglich, wenn durch diese die wirtschaftliche Grundlage des Gewerbebetriebs des Vertragspartners gefährdet würde. In diesem Fall wandelt sich das Leistungsverweigerungsrecht in ein Kündigungsrecht.

Das gleiche Recht steht Verbrauchern zu, wodurch gewährleistet werden soll, dass diese die Grundversorgung durch Gas, Strom, Telekommunikation und Wasser nicht verlieren.

Weitere Informationen zu den Auswirkungen der Coronakrise auf Handel und Vertrieb finden Sie auf unserer Sonderseite oder bei unseren Ansprechpartnern: Dr. Jan Henning Martens und Johanna Hennighausen.

Eingeschränktes Kündigungsrecht von Miet- und Pachtverträgen

Damit Privatpersonen ihre Wohnung und Gewerbetreibenden ihre angemieteten Lokalitäten nicht verlieren, wird das Kündigungsrecht der Vermieter bei Mietschulden ab dem 1. April 2020 deutlich eingeschränkt. Leistet der Mieter den zwischen dem 1. April 2020 und 30 Juni 2020 fällig werdenden Mietzins nicht oder nicht in voller Höhe, so kann der Vermieter aus diesem Grund bis zum 30. Juni 2022 nicht kündigen. Voraussetzung für die Kündigungseinschränkung ist, dass die Mietrückstände auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Dies hat der Mieter glaubhaft zu machen, z. B. durch behördliche Verfügungen zur Betriebsschließung oder Anträge bzw. Bewilligungen von Sozialleistungen.

Die Neuregelung entbindet Mieter jedoch nicht von der pünktlichen Mietzahlungspflicht. Verzugszinsen bei verspäteter Zahlung fallen dennoch an und Kündigungen aus allen anderen Gründen (z. B. Eigenbedarf oder Fehlverhalten des Mieters) sind weiterhin möglich.

Weiterführende Informationen zu dieser Neuregelung finden Sie auf unserer COVID-19 Sonderseite in der Rubrik Mietrecht und bei unseren Ansprechpartnern: Dr. Till Böttcher und Dr. Friederike Schäffler.

Gesetzliche Stundung bei Verbraucherdarlehen

Rückzahlungen, Zins- oder Tilgungsleistungen auf Verbraucherdarlehen, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, werden ab dem 1. April 2020 gesetzlich für drei Monate gestundet. Erfasst sind alle Zahlungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden. Voraussetzung ist wiederrum, dass die Zahlungsverpflichtung für den Verbraucher aufgrund der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie unzumutbar ist. Das soll vor allem dann der Fall sein, wenn sein angemessener Lebensunterhalt gefährdet ist. Daneben ist auch eine Kündigung des Vertrags durch den Darlehensgeber ausgeschlossen. Trotz der Neuregelung bleibt es den Parteien aber unbenommen, andere Regelungen zu vereinbaren und der Verbraucher kann auch weiterhin seinen Zahlungsverpflichtungen fristgemäß nachkommen.

Weitere Informationen zu finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten von Unternehmen finden Sie auf unserer Sonderseite zu COVID-19 unter der Rubrik Bankrecht und Unternehmensfinanzierung und bei unseren Ansprechpartnern Dr. Frank Büchler und Dr. Raphael Klesen.

Sonderregelungen im Insolvenzrecht

Um eine mögliche Welle von Insolvenzen begründet durch die COVID-19-Pandemie zu vermeiden, hat der Gesetzgeber das Insolvenzrecht in Zeiten von Corona vorübergehend und rückwirkend zum 1. März 2020 angepasst. Insbesondere soll die Insolvenzantragspflicht in der Zeit zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. September 2020 von Unternehmen ausgesetzt werden. Voraussetzung für diese Aussetzung ist, dass die Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruhen und Aussichten bestehen, dass die eingetretene Zahlungsunfähigkeit wieder beseitigt werden kann. War ein Unternehmen bis zum 31. Dezember 2019 zahlungsfähig, so wird sogar gesetzlich vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.

Weitere Informationen zu den insolvenzrechtlichen Neuregelungen und Auswirkungen finden Sie auf unserer Themenseite zu COVID-19 unter der Rubrik Insolvenzrecht und bei unseren Ansprechpartnern Dr. Stefan Lammel, Dr. Frank Büchler und Julia Schwab.

Änderungen im Gesellschaftsrecht

Aufgrund der bestehenden Versammlungs- und Kontaktverbote ist es für Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Europäischen Gesellschaften schwierig, Hauptversammlungen durchzuführen und dabei die notwendigen Beschlüssen zu fassen. Auch dafür hat der Gesetzgeber Erleichterungen geschaffen. Ab dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes sind virtuelle Hauptversammlungen durch Online-Teilnahme der Gesellschafter auch ohne vorherige Satzungsermächtigung möglich. Die sonst geltende Einberufungsfrist zu einer Hauptversammlung von 30 Tagen wird auf 21 Tage verkürzt und die Hauptversammlung muss bei einer AG nicht mehr innerhalb der sonst geltenden Achtmonatsfrist vorgenommen werden, sondern kann innerhalb des gesamten Geschäftsjahres stattfinden.

Weitere Informationen zu Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Abhaltung von Hauptversammlungen finden Sie auf unserer Sonderseite zu COVID-19 unter der Rubrik Aktiengesellschaften und GmbHs und bei unseren Ansprechpartnern Dr. Barbara Mayer und Dr. Moritz Jenne.

Strafverfahrensrecht

Im Strafverfahrensrecht gibt es strenge zeitliche Regelungen, die der Verfahrensbeschleunigung dienen. Werden sie nicht eingehalten, ist das Verfahren „geplatzt“ und muss von vorne begonnen werden.

Bisher durften strafgerichtliche Hauptverhandlungen bis zu drei Wochen, wenn sie vor der Unterbrechung länger als zehn Verhandlungstage angedauert haben, sogar bis zu einem Monat unterbrochen werden. Eine Hemmung dieser Unterbrechungsfristen ist bisher nur möglich, wenn ein Verfahrensbeteiligter krank ist oder sich in Mutterschutz oder Elternzeit befindet. Die Neuregelung schafft einen neuen Hemmungstatbestand für den Fall, dass die Hauptverhandlung aufgrund von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus nicht durchgeführt werden kann. Nach der Neuregelung kann die Hauptverhandlung für maximal drei Monate und zehn Tage unterbrochen werden. Mit dem neuen Hemmungstatbestand kann die Hauptverhandlung auch schon dann unterbrochen werden, wenn zwar keine Infektion mit SARS-CoV-2 vorliegt, aber ein Verfahrensbeteiligter z. B. wegen Verdachts der Infektion in Quarantäne bleiben muss.

Fazit

Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht hat der Gesetzgeber ein umfassendes Maßnahmenpaket geschaffen, um alle Wirtschaftsteilnehmer vor den Folgen der COVID-19-Pandemie zu schützen und ein (Wirtschafts-)Leben danach zu ermöglichen.

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