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Rechtliche Neuerungen im Jahr 2024

Unternehmen müssen sich zum Jahreswechsel auf zahlreiche rechtliche Neuerungen einstellen, sowohl auf nationaler als auch europäische Ebene. Bei einigen Regelungen ist auch noch nicht abschließend geklärt, ob, wann und mit welchem genauen Inhalt sie in Kraft treten. Es gilt daher, auch die weitere Entwicklung im Blick zu behalten. Die wichtigsten Neuerungen, die Sie als Unternehmer kennen sollten, möchten wir Ihnen – wie in den vergangenen Jahren – im Folgenden kurz vorstellen, wobei wir auf die zahlreichen steuerlichen Änderungen nur punktuell eingehen.

1. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gilt für mehr Unternehmen

Bereits zum 01.01.2023 trat das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen, die eigene Lieferkette zu überwachen und geeignete Kontrollmechanismen zu schaffen. In unserem Beitrag zu den Neuerungen für das Jahr 2023 hatten wir hierzu bereits berichtet. Zum 01.01.2024 vergrößert sich nunmehr der Anwendungsbereich des Gesetzes. Bislang galten die Pflichten des LkSG nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Ab 2024 gelten die Sorgfaltspflichten für alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Mittelbar wird sich das LkSG außerdem auf weitere Unternehmen mit weniger Beschäftigen auswirken, wenn sie Teil der Lieferkette eines unmittelbar verpflichteten Unternehmens sind.

Zudem wurde auf europäischer Ebene kurz vor Jahresende eine grundsätzliche Einigung über die Ausgestaltung der EU-Sorgfaltspflichtenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive bzw. CSDDD) erzielt. Diese muss zwar erst noch das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen, wird aber voraussichtlich weitere Anpassungen des LkSG erforderlich machen und dessen Anwendungsbereich nochmals erweitern.

2. Wachstumsförderungen und Zukunftsfinanzierung

Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) verfolgt der nationale Gesetzgeber das ambitionierte Ziel, ab 2024 bessere Bedingungen für Startups und KMU zu schaffen und den Finanzplatz Deutschland zu modernisieren. Dazu wird das Verbot der Mehrheitsstimmrechtsaktie in § 12 Abs. 2 AktG aufgehoben, wodurch Aktionäre mit weniger Anteil am Grundkapital ein hohes Maß an Kontrolle ausüben können. Dies ermöglicht einen rechtlichen Gestaltungsspielraum, der u.a. für Familienunternehmen interessant sein dürfte. Zudem wird mit der Einführung der Börsenmantelaktiengesellschaft nach dem Vorbild der Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) für Start-ups und KMUs ein alternativer Weg an den Kapitalmarkt eröffnet.

Das ZuFinG bringt außerdem steuerliche Erleichterungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen (sog. ESOPs). Diese spielen insbesondere für Start-ups zur Incentivierung und Mitarbeitergewinnung eine wichtige Rolle. Zu den wesentlichen Neuerungen zählen die Anhebung der Schwellenwerte in § 19a EStG sowie die Entschärfung der bisher bestehenden Problematik der „Dry Income“-Versteuerung. Ziel ist es, dass die Begünstigten möglichst erst dann Steuern zahlen müssen, wenn ihnen auch tatsächlich ein Erlös aus der Beteiligung zufließt.

Daneben sollte das Wachstumschancengesetz die Liquiditätssituation von Unternehmen verbessern und Impulse setzen, damit Unternehmen dauerhaft mehr investieren, um die Transformation der Wirtschaft zu fördern. Dadurch soll die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, deren Wachstumschancen und der Standort Deutschland gestärkt werden. Der Entwurf des Wachstumschancengesetzes sah hierzu viele steuerliche Neuerungen, insbesondere der Abschreibungsmöglichkeiten, vor. Ebenso sollte die Forschung und Entwicklung durch eine Erhöhung des steuerlichen Förderbeitrags von Auftragsforschung verbessert werden. Der Bundesrat hat dem Gesetzesvorhaben jedoch nicht zugestimmt, sodass das Gesetz im Vermittlungsausschuss überarbeitet werden muss. In welcher Form und welchem Umfang das Wachstumschancengesetz kommen wird, ist daher noch nicht verlässlich absehbar.

3. Modernisierung des Personengesellschaftsrechts

Weitreichende Änderungen für das Personengesellschaftsrecht, insbesondere für das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und der offenen Handelsgesellschaft (oHG), bringt ab dem 01.01.2024 das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG).

Im Rahmen der Modernisierung hat der Gesetzgeber es zum Anlass genommen, bisher nicht geregelte, aber von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze zur Rechtsfähigkeit und Haftung gesetzlich zu kodifizieren. Neu ist die Einführung eines Beschlussmängelrechts nach aktienrechtlichem Vorbild bei Personengesellschaften sowie die Verteilung der Stimmkraft und Beteiligung an Gewinn und Verlust nach den (vereinbarten) Beteiligungsverhältnissen – und nicht nach Köpfen. Zudem führt das Ausscheiden von Gesellschaftern – ohne abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag – nicht mehr zur Auflösung einer GbR. Im Januar 2023 hatten wir bereits einen möglichen Handlungsbedarf für bestehende Gesellschaftsverträge aufgezeigt.

Für die GbR wird außerdem ein Register nach dem Vorbild des Handelsregisters eingeführt. Die Eintragung ist zwar im Grundsatz freiwillig, allerdings besteht in vielen Fällen ein faktischer Eintragungszwang. Gesellschaften, die registrierte Recht (insb. Grundstücke, Gesellschaftsanteile, Patente oder Marken) in ihrem Vermögen halten, müssen sich eintragen lassen. Eingetragen werden persönliche Angaben zu jedem Gesellschafter außerdem auch der Sitz der Gesellschaft. Das ist zwar grundsätzlich der sog. Verwaltungssitz, d.h. der Ort, an dem die Gesellschaft die Geschäfte der Gesellschaft tatsächlich durchführen. Das Gesetz stellt jedoch klar, dass die Gesellschafter einen hiervon abweichenden Vertragssitz vereinbaren können.

4. Hinweisgeberschutzgesetz

Bereits seit dem 18.12.2023 sind nun auch alle Unternehmen ab 50 Beschäftigten verpflichtet, sichere interne Hinweisgebersysteme zu installieren und zu betreiben. Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetz fallen und noch kein Hinweisgeber-System implementiert haben, sollten sich dringend damit befassen. Bei Nichtbeachtung drohen erhebliche Bußgelder.

5. Geldwäscheprävention

Zur Geldwäscheprävention verpflichtete Unternehmen müssen sich zum 01.01.2024 in dem hierfür vorgesehen Meldeportal registrieren lassen. Verpflichtete sind nicht nur im Finanzbereich tätige Unternehmen wie Banken und Versicherungen, sondern auch sog. Güterhändler im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 16 GwG.

6. Klimaschutz

Um den Klimaschutz zu stärken und die Transformation von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien zu fördern, hat der Gesetzgeber beschlossen, den Preis für den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids weiter zu erhöhen. Nachdem letztes Jahr die Preiserhöhung wegen der hohen Energiepreise ausgesetzt wurde, erhöht sich der Preis pro Tonne CO2 ab dem 01.01.2024 von 30 Euro pro Tonne auf 45 Euro pro Tonne. Im Jahr 2025 soll der Preis weiter auf 55 Euro pro Tonne CO2 steigen.

Das lange umstrittene Gebäudeenergiegesetz (GEG), umgangssprachlich Heizungsgesetz, tritt ebenfalls zum 01.01.2024 in Kraft. Das GEG sieht grundsätzlich vor, dass neu eingebaute Heizungen mindestens bis zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Einige Gebäudearten sind jedoch ausdrücklich von der Anwendung des GEG ausgenommen. Das GEG sieht zudem Förderprogramme vor, um den Einbau einer neuen Heizung finanziell zu unterstützen. Die staatliche Förderung für die Anschaffung von Elektroautos wurde hingegen gestrichen, um für den Bundeshaushalt 2024 Kosten einzusparen.

Ab dem 01.01.2024 haben Netzbetreiber zudem das Recht, den Strombezug von neuen steuerbaren Wärmepumpen oder Ladestationen zeitweise einzuschränken bzw. abzusenken, wenn eine Überlastung des Stromnetzes droht. Im Gegenzug für die Drosselung werden Ermäßigungen bei den Netzentgelten gewährt.

7. Änderungen im Arbeitsrecht

Ab 01.01.2024 erhöht sich der Mindestlohn (auf 12,41 Euro), die Mindestausbildungsvergütung und die (Schwerbehinderten-)Ausgleichsabgabe. Im Zuge des Wachstumschancengesetzes sollte auch der Verpflegungsmehraufwand angehoben werden. Abzuwarten bleibt, ob diese Anpassungen übernommen werden. Erwartet wird eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes, die die Vorgaben der BAG-Rechtsprechung an die Arbeitszeiterfassung festlegt und eigentlich bereits im Laufe des Jahres 2023 geplant war. Nach dem Gesetzesentwurf sollen Arbeitgeber verpflichtet sein, die Arbeitszeit elektronisch zu erfassen und zu archivieren. Abweichende Regelungen in Tarifverträgen sollen zulässig sein.

Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten können Arbeitgeber jetzt elektronisch an die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen melden. Eine postalische Meldung bleibt zunächst aber weiterhin möglich. Für leichte Erkrankungen sind seit dem 07.12.2023 – wie schon während der Corona-Pandemie – telefonische Krankschreibungen möglich. Außerdem wird die Dauer des Anspruchs auf Kinderkrankengeld erhöht. Die Einkommensgrenze für den Anspruch auf Elterngeld wird hingegen ab dem 01.04.2024 für Paare von bislang und 300.000 auf 200.000 Euro gesenkt. 2025 soll die Einkommensgrenze dann weiter auf 175.000 Euro sinken.

Bereits seit dem 18.11.2023 tritt stufenweise das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz in Kraft, das ausländischen Fachkräften die Einwanderung nach Deutschland erleichtern  und dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenwirken soll. Hierzu sollen die Anforderungen für die Erteilung der Blue Card, den Aufenthaltstitel für akademische Fachkräfte von außerhalb der EU, abgesenkt werden. Ab März 2024 werden Regelungen zur einfacheren Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in Kraft treten. Außerdem wurde die zunächst nur befristete Westbalkan-Regelung entfristet und das Kontigent ab Juli 2024 auf bis zu 50.000 Menschen pro Jahr erhöht.

8. Sonstige Änderungen

Ab dem 01.07.2024 werden für viele Kraftfahrzeuggruppen bestimmte sicherheitsrelevante Technikkomponenten, u.a. der sog. Event Data Recorder, eine Art Blackbox, Pflicht. Ebenfalls ab Anfang Juli 2024 wird die Mautpflicht auf alle LKW mit mehr als 3,5 Tonnen technisch zulässiges Gesamtgewicht ausgedehnt. Handwerkerfahrzeuge unter 7,5 Tonnen sind jedoch hiervon ausgenommen.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Funkanlagengesetzes wird zum Ende des Jahres 2024 das USB-C-Ladekabel zum Standard-Kabel für viele elektronische Geräte werden. Profitieren sollen dadurch nicht nur Verbraucher, sondern erhofft wird auch eine Reduktion des Elektronikschrotts. Ebenfalls die Recycling- und Kreislaufwirtschaft betrifft die ab dem 03.07.2024 geltende gesetzliche Neuerung, dass Verschlüsse an Einweg-Getränkeverpackungen, einschließlich Getränkekartons mit einem Volumen von bis zu drei Litern, fest angebracht sein müssen.

9. Geplante Änderungen

Auf europäischer Ebene wurden bereits weitere Vorhaben angekündigt, die Unternehmen im Blick behalten sollten.

So konnte eine politische Einigung über eine neue EU-Produkthaftungsrichtlinie erzielt werden. Diese soll Verschärfungen für Unternehmen mit Blick auf die Beweislastverteilung bei Schäden durch Produktfehler enthalten, die Haftung erweitern und die Haftungsdauer auf bis zu 25 Jahre verlängern. Ferner soll die mit dem sog. Cyber Resilience Act die Cybersicherheit von Produkten, die miteinander oder mit dem Internet verbunden sind, in den Fokus genommen werden. Der Pflichtenkreis der Hersteller, Händler und Importeure für diese Produkte soll sich danach bemessen, wie kritisch diese für die Cyberinfrastruktur sind. Weitere Anstrengungen werden insbesondere auf europäischer Ebene unternommen, Risiken künstlicher Intelligenz zu regulieren.

Das Jahr 2024 bringt also einige wichtige Neuerungen, auf die sich Unternehmer einstellen müssen. Einige Änderungen werden derzeit – auch mit Blick auf die Haushaltskrise in Deutschland – noch diskutiert. Über die weitere Entwicklung werden wir Sie auf dem Laufenden halten und unterstützen Sie auch im kommenden Jahr bei Ihren Fragen gerne.

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