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Urteil des BVerwG zu Meldepflichten von Laborverantwortlichen

Hat ein Laborverantwortlicher aufgrund einer vom Labor durchgeführten Analyse Grund zu der Annahme, dass das Lebensmittel nicht die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit erfüllt, ist die zuständige Behörde über das Ergebnis der Laboranalyse und deren Auftraggeber zu unterrichten. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine Freigabeuntersuchung handelt, bei der das Inverkehrbringen eines Lebensmittels von einer beanstandungsfreien Analyse abhängig gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des OVG Münster vom 21.02.2022 – 9 A 361/18 vollumfänglich bestätigt. Das Urteil des BVerwG vom 14.12.2023 – 3 C 7.22 – ist hier abrufbar.

Sachverhalt

Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Bei einer mikrobiologischen Untersuchung von Mandelkernen wurden Salmonellen festgestellt. Das Labor informierte den Auftraggeber und bat um Mitteilung, ob das Lebensmittel in den Verkehr gebracht worden sei, was dieser verneinte. Daraufhin entschied man sich, die zuständige Behörde hierüber nicht gemäß § 44 Abs. 4a LFGB zu unterrichten. Nach § 44 Abs. 4a LFGB hat der Verantwortliche eines Labors, das Analysen bei Lebensmitteln durchführt, die zuständige Behörde über das Ergebnis der Analyse, die angewandten Analysenmethode und den Auftraggeber der Analyse unverzüglich zu unterrichten, wenn er aufgrund einer vom Labor erstellten Analyse einer im Inland von einem Lebensmittel gezogenen Probe Grund zu der Annahme hat, dass das Lebensmittel einem Verkehrsverbot nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 unterliegen würde.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass eine Mitteilungspflicht nach § 44 Abs. 4a LFGB in diesem Zusammenhang für sie nicht gelte. Das OVG Münster hatte die Klage in der Berufungsinstanz abgewiesen, wogegen sich die Klägerin mit der Revision wendete.

Entscheidung

Das BVerwG hat klargestellt, dass die Meldepflicht nach § 44 Abs. 4a LFGB auch dann besteht, wenn das Labor die Analyse im Rahmen einer Freigabeuntersuchung durchgeführt hat. Um eine solche handelt es sich, wenn der auftraggebende Lebensmittelhersteller gegenüber dem Labor das Inverkehrbringen des Lebensmittels von einer beanstandungsfreien Analyse abhängig macht. Etwas anderes ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus ihrer Entstehungsgeschichte. Die Pflicht sei im Zuge des Dioxinskandals eingeführt worden. Die Bundesregierung habe den Kreis der Meldepflichtigen erweitern wollen, da ihr die Meldepflichten nur der Lebensmittelhersteller nicht weit genug gegangen seien. Ein Wertungswiderspruch zu der Meldepflicht der Lebensmittelunternehmer bestehe nicht. Die Vorschrift sei auch mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar. Die Verordnung (EG) Nr. 178/2022 umfasse eine Meldepflicht für Labore nicht, stehe ihr aber auch nicht entgegen. Mangels Vollharmonisierung seien weitere diesbezügliche Maßnahmen nach nationalen Regelungen daher möglich. Die Meldepflicht für Labore diene der Durchsetzung der unionsrechtlichen Anforderungen an die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit.

Für die Praxis

Mit der Entscheidung des BVerwG war zu rechnen. Die Meldepflicht der Labore umfasst auch solche Lebensmittel, die noch gar nicht in Verkehr gebracht worden sind. Es kommt nur darauf an, dass diese einem Verkehrsverbot „unterliegen würden“. Die spannende Frage bleibt, wie nun mit den im Wege der Eigenkontrolle durchgeführten Untersuchungsergebnissen von Rohstoffen, Rohstoffmischungen und Zwischenprodukten umzugehen ist. Der VGH München hat mit Beschluss vom 08.03.2021 – C 20 CS 20.2720 entschieden, dass auch eine Rohstoffmischung für die Herstellung einer Teewurst bereits ein „Lebensmittel“ ist. Der VGH München hat dem Begriff „Grund zu der Annahme“ neben einer objektiven Komponente auch eine subjektive beigemessen, also z. B. die Kenntnis des Laborleiters, ob es sich bei einem Rohstoff oder Zwischenprodukt um ein Erzeugnis zur Weiterverarbeitung handelt oder nicht. Nach Ansicht des BVerwG ist die Meldepflicht des Laborverantwortlichen nicht von den Erklärungen des Lebensmittelunternehmers zur weiteren Behandlung des unsicheren Lebensmittels abhängig zu machen. Dies widerspräche dem Ziel des Gesetzes. Der Vorschrift bliebe sonst kaum ein Anwendungsbereich. Nach Ansicht des BVerwG sind daher allein die tatsächlichen Umstände und deren zutreffende rechtliche Würdigung maßgebend. Für das Bestehen der Mitteilungspflicht komme es – anders als möglicherweise für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit – auf die subjektive Vorstellung des Laborverantwortlichen und die Vertretbarkeit seiner rechtlichen Bewertung der tatsächlichen Umstände nicht an. Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel einem Verkehrsverbot nach Art. 14 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 unterliegen würde, sind die normalen Bedingungen seiner Verwendung durch den Verbraucher und auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen sowie die dem Verbraucher vermittelten Informationen zu berücksichtigen gemäß Art. 14 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 178/2002.

Fakt ist jedenfalls, dass es sich bei § 44 Abs. 4a LFGB um eine rein nationale Meldepflicht handelt, die für im Ausland ansässige Labore nicht gilt.

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