Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Unwirksame Kündigung wegen behördlich angeordneter häuslicher Quarantäne (außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes)

Das Arbeitsgericht (ArbG) Köln hat entschieden, dass die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen einer behördlich angeordneten häuslichen Quarantäne eines Arbeitnehmers zum Zwecke des Infektionsschutzes aufgrund der Covid19-Pandemie auch außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes regelmäßig rechtsunwirksam ist.

Sachverhalt

Dem Urteil des ArbG Köln vom 15.04.2021 (8 Ca 7334/20) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Kündigung außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes im Zusammenhang mit einer behördlich angeordneten häuslichen Quarantäne zum Zwecke des Infektionsschutzes aufgrund der Covid19-Pandemie.

Der Beklagte ist Dachdeckermeister und betreibt einen Dachdeckerbetrieb als Kleinbetrieb mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern. Der Kläger wird seit dem 02.06.2020 beim Beklagten als Monteur beschäftigt.

In der zweiten Monatshälfte des Oktober 2020 meldete sich das Gesundheitsamt telefonisch beim Kläger und ordnete ihm gegenüber telefonisch eine häusliche Quarantäne zur Eindämmung der Covid19-Pandemie an. Hintergrund war, dass der Bruder der Freundin des Klägers positiv auf das Corona-Virus getestet und der Kläger dem Gesundheitsamt als Kontaktperson mitgeteilt worden war.

Der Kläger teilte dem Beklagten die angeordnete Quarantäne mit, auch dass er deshalb vorerst nicht zur Arbeit erscheinen könne. Der Beklagte bezweifelte gegenüber dem Kläger die behördliche Quarantäne-Anordnung und verlangte hierüber einen schriftlichen Nachweis, den der Kläger zunächst aber nicht vorlegen konnte, weil er diesen von der Stadt nicht erhalten hatte. Auf telefonische Nachfrage des Klägers beim Gesundheitsamt der Stadt wurde ihm eine schriftliche Quarantäne-Anordnung zwar in Aussicht gestellt, aber nicht sofort erteilt. Anschließend erfolgte eine umfangreiche Korrespondenz der Parteien über WhatsApp, in der der Ton des Beklagten schärfer wurde und er den Kläger als „Krankmacher“, „Schwänzer“ und „sozialen Bengel“ bezeichnete.

Als dem Beklagten am 27.10.2020 ein Nachweis nicht vorlag, kündigte er das Arbeitsverhältnis.

Die Stadt erließ erst mit Schreiben vom 30.10.2020 eine schriftliche Ordnungsverfügung gegenüber dem Kläger, in welcher eine „Anordnung der Absonderung in sogenannte häusliche Quarantäne“ auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes gegenüber dem Kläger angeordnet wurde, dies für den Zeitraum „vom 23.10.2020 bis einschließlich zum 31.10.2020“ – jedenfalls die erste Seite mit dem konkreten Zeitraum der angeordneten Quarantäne übermittelte der Kläger dem Beklagten per WhatsApp.

Der Kläger reichte am 06.11.2020 Kündigungsschutzklage bei ArbG Köln ein.

Entscheidungsgründe

Das ArbG Köln gab der Klage statt und stellte die Unwirksamkeit der Kündigung fest, obwohl das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht länger als sechs Monate beschäftigt, zudem handelt es sich beim Betrieb des Beklagten um einen sog. Kleinbetrieb i.S.d. § 23 KSchG. Das ArbG Köln stellte zudem fest, dass ein Kündigungsausschluss in Form eines „Sonderkündigungsschutzes“ oder ähnlichem für Kündigungen während einer behördlich angeordneten Quarantäne gesetzlich nicht vorgesehen sei.

Das ArbG Köln ging aber davon aus, dass die Kündigung auf sachfremden Motiven beruht habe und willkürlich ausgesprochen worden und deshalb gem. §§ 138, 242 BGB unwirksam sei. Als Ausfluss der zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138 BGB (Sittenwidrigkeit) sowie 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) habe ein Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts auch bei Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes bei Ausspruch von Kündigungen ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu beachten. Willkürliche Kündigungen und Kündigungen, die auf sachfremden Motiven beruhen, verstießen gegen das Anstandsgefühl der billig und gerecht Denkenden und seien damit auch außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses bzw. in einem Kleinbetrieb unzulässig.

Unter Beachtung des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden ergebe sich, dass es von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden könne, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz allein deswegen verliere, weil eine behördliche Quarantäne-Anordnung aufgrund der Covid19-Pandemie, die dem Arbeitnehmer zunächst nur mündlich übermittelt worden sei (d. h. zunächst ohne Nachweismöglichkeit gegenüber dem Arbeitgeber) und deren schriftliche Bestätigung aufgrund der Überlastung der Gesundheitsämter im Zusammenhang mit der Kontaktverfolgung von Covid19-Infizierten erst deutliche Zeit später erfolgte.

Das ArbG Köln ging bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung zu Lasten des Beklagten auch davon aus, dass dieser den Kläger aufgefordert habe, die behördlich angeordnete Quarantäne zu missachten und zu brechen, zunächst um seine Arbeitsleistung zu erbringen, später, unmittelbar nach der Kündigung, um sein Fahrrad beim Beklagten abzuholen.

Hinweis für die Praxis

Eine Kündigung in einem Kleinbetrieb anzugreifen ist regelmäßig schwierig. Das ArbG Köln hat insbesondere aufgrund der vorliegenden WhatsApp Korrespondenz vollkommen zu Recht die Sittenwidrigkeit der Kündigung festgestellt.

Ein Arbeitgeber muss einem Arbeitnehmer zwar nicht glauben, wenn dieser eine nur mündlich angeordnete Quarantäne mitteilt, sich hieran hält und die Arbeit nicht aufnimmt. Er trägt aber auch in einem Kleinbetrieb das Risiko, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit eben nicht aufnehmen durfte und konnte, vor allem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auch nur deshalb gekündigt hat. Der Arbeitnehmer konnte im vorliegenden Fall auch nicht anders handeln als geschehen, er hat sich damit in keiner Weise pflichtwidrig verhalten. Er konnte vor allem, anders als im Fall einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit möglich, keine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Eine solche hatte er nicht unverzüglich erhalten, obwohl er dies mehrfach versucht hatte.

Der vorliegende Fall zeigt zugleich, dass das Arbeitsgericht über einen gut dokumentierten und unstreitigen Sachverhalt entscheiden konnte, weil sich dieser im Wesentlichen aus der umfangreichen WhatsApp-Kommunikation zwischen den Parteien ergab, die der Kläger damit vorlegen konnte.

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