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Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Geschäftsführer einer GmbH

Missachtet ein Geschäftsführer interne Vorgaben (z.B. Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Gesellschafterversammlung), ist dies meistens „nur“ eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis. Auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Außenverhältnis wirken sich die Pflichtverstöße regelmäßig nicht aus. Etwas anderes gilt bei einem sog. Missbrauch der Vertretungsmacht, der allerdings nur in engen Ausnahmefällen vorliegt. Dies zeigt ein Beschluss des OLG Karlsruhe vom 25.08.2020 (Az. 9 U 29/19).

Zum Sachverhalt

In dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall ging es um die (Vertretungs-)Befugnisse in einer komplexen Unternehmensgruppe mit Gesellschaften im In- und Ausland. Der Geschäftsführer der deutschen Gesellschaften der Unternehmensgruppe hatte zu deren Lasten einen Vertrag mit einer anderen, ebenfalls von ihm vertretenen Gesellschaft aus Hongkong abgeschlossen. Dazu war er im Außenverhältnis grundsätzlich befugt, denn er war einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit (also dazu berechtigt, den Vertrag für die deutschen Gesellschaften einerseits als auch zugleich für die Hongkong-Gesellschaft abzuschließen). Das OLG Karlsruhe stellte aber klar, dass er trotzdem die von ihm vertretenen deutschen Gesellschaften nicht schädigen darf. Wenn er dies – beispielsweise durch einen nachteiligen Vertrag – tue, sei das sittenwidrig. Seine (an sich bestehende) Vertretungsbefugnis entfalle durch diesen Missbrauch der Vertretungsmacht für den Vertragsabschluss. Der Vertrag sei daher unheilbar nichtig.

Praxishinweis

Die Geschäftsführer vertreten die GmbH im Rechtsverkehr. Die gesetzliche Regelung sieht eine gemeinschaftliche Vertretungsbefugnis aller Geschäftsführer vor; sie können aber einzeln zur Vertretung ermächtigt werden. Sie können zudem von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden und dann die GmbH bei Rechtsgeschäften mit sich persönlich und bei Rechtsgeschäften mit einer anderen, ebenfalls von ihnen vertretenen Person oder Gesellschaft vertreten.

Beschränkungen der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer im Außenverhältnis sind grundsätzlich nicht möglich (§ 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG). Der Rechtsverkehr soll darauf vertrauen können, dass die GmbH von den im Handelsregister eingetragenen Personen wirksam vertreten wird. Beschränkungen der Geschäftsführerbefugnisse (z.B. Weisungen der Gesellschafter, Vorgabe bestimmter Schwellenwerte oder Zustimmungskataloge) gelten deswegen im Grundsatz nur im Innenverhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer. Verstöße können so zwar eine Abberufung oder Schadensersatzpflichten des Geschäftsführers nach sich ziehen, berühren die Wirksamkeit der abgeschlossenen Verträge jedoch im Normalfall nicht.

Eine wichtige Ausnahme von diesem Grundsatz ist im Beschluss des OLG Karlsruhe eindrücklich dargestellt – der sog. Missbrauch der Vertretungsmacht (teilweise auch mit den Begrifflichkeiten „Kollusion“ und „Evidenz“ umschrieben). Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liegt vor, wenn der Geschäftsführer durch die Überschreitung seiner Geschäftsführerbefugnisse die Gesellschaft bewusst schädigt und der Vertragspartner dies weiß oder sich ihm dieses Wissen zumindest hätte aufdringen müssen. Ein Missbrauch der Vertretungsmacht führt jedenfalls zur schwebenden Unwirksamkeit des abgeschlossenen Geschäfts. Das Geschäft ist also unwirksam, wenn es nicht von den zuständigen Personen (im Regelfall den Gesellschaftern) genehmigt wird. Wenn der Vertragspartner überhaupt nicht schutzwürdig ist (z.B. weil er an der Schädigung bewusst mitgewirkt hat wie im vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall), kann der Vertrag sogar unheilbar nichtig sei.

Natürlich handelte es sich bei dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Sachverhalt um einen besonders offensichtlichen Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht. Jeden Geschäftsführer sollte der Beschluss des OLG Karlsruhe jedoch daran erinnern, dass Verstöße gegen interne Beschränkungen ihrer Geschäftsführungsbefugnisse nicht nur Sanktionen im Innenverhältnis nach sich ziehen können – das ist schon schlimm genug –, sondern in Ausnahmefällen auch zur Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vertrags im Außenverhältnis führen können. Geschäftsführer sollten daher interne Beschränkungen immer beachten und sich um die Einholung der erforderlichen Genehmigungserklärungen (notfalls im Nachhinein) bemühen. Umgekehrt trifft zwar Vertragspartner im Rechtsverkehr keine aktive Nachforschungspflicht zu internen Geschäftsführungsbeschränkungen auf Seiten seines Vertragspartners. Wer beim Vertragsabschluss jedoch den Eindruck gewinnt, dass der Geschäftsführer seines Vertragspartners interne Beschränkungen missachtet, sollte sich gegebenenfalls rückversichern, um eine (schwebende) Unwirksamkeit des Geschäfts zu vermeiden.

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