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Keine betriebsbedingte Kündigung bei vorübergehendem Arbeitsausfall

Ein nur vorübergehender Arbeitsmangel kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen. Dies entschied das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 05.11.2020 (Az.: 38 Ca 4569/20).

Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten als Ausbildungslokführer beschäftigt. Mit Schreiben vom 16.03.2020 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern mit, dass sie Kurzarbeit einführen werde. Zur Begründung berief sie sich auf die hohe Infektionsgefahr durch das Corona-Virus und sagte einige Lehrgänge ab. Der Kläger erklärte sich unter dem 19.03.2020 mit der Einführung von Kurzarbeit einverstanden. Mit Schreiben vom 23.03.2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß aus dringenden betrieblichen Erfordernissen. Zur Rechtfertigung führte die Beklagte an, sie habe sich dazu entschlossen, die berufliche Weiterbildung von Lokomotivführern nicht mehr durchzuführen. Der Kläger griff die Kündigung an. Das Vorbringen der Beklagten sei für ihn nicht nachvollziehbar. So müsse die Ausbildung des Lehrgangs 2018 bis 2021 fortgeführt werden. Erst zum 01.09.2020 seien zudem neue Auszubildende eingestellt worden.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht Berlin schloss sich der Sichtweise des Klägers an. Die unternehmerische Entscheidung betreffend eine Reduzierung des Bildungsangebots sei gerichtlich zwar nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich gewesen sei. Allerdings habe die Beklagte nicht dargelegt, wer genau welche konkrete Entscheidung getroffen habe und wie diese tatsächlich umgesetzt worden sei. Zudem sei eine Kündigung nur dann durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb aller Wahrscheinlichkeit nach dauerhaft entfällt. Hierfür reiche ein bloßer Hinweis auf auslaufende Aufträge und das Fehlen von Anschlussaufträgen nicht aus. Auch der bei der Beklagten eingetretene Arbeitsausfall stehe offenkundig mit den Auswirkungen der Corona-/COVID-19-Pandemie im Zusammenhang. Welche konkreten Anhaltspunkte im Zeitpunkt der Kündigung dafür vorgelegen haben sollen, dass dauerhaft keine Aus- oder Weiterbildung von Lokomotivführern mehr stattfinden werde, habe die Beklagte nicht vorgetragen. Hinzu komme die erst Tage vor der Kündigung eingeführte Kurzarbeit. Werde im Betrieb Kurzarbeit geleistet, so spreche dies gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf. Welche neuen Entwicklungen es im Anschluss gegeben habe, aufgrund derer nur wenige Tage später eine Kündigung habe erklärt werden können, erschließe sich nicht.

Hinweis für die Praxis

Die Corona-Pandemie hat an der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bei betriebsbedingten Kündigungen nichts geändert. Pauschale Hinweise auf die Corona-Krise reichen für eine Rechtfertigung nicht aus. Arbeitgeber müssen insbesondere anhand ihrer Auftrags- und Personalplanung begründen, warum keine kurzfristige Schwankung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang. Wird in einem Betrieb bereits Kurzarbeit geleistet, spricht dies zunächst gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf. Die Einführung von Kurzarbeit schließt den Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen zwar nicht automatisch aus. Allerdings muss sorgfältig begründet werden, welche dauerhaften Ursachen neben die Auswirkungen der Pandemie getreten sind, die den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen rechtfertigen. Arbeitgeber sind gut beraten, bereits in der Dokumentation des Kündigungsentschlusses sauber zwischen den einzelnen Ursachen zu unterscheiden.

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