andreas imping arbeitsrecht p.jpg

Fristlose Kündigung wegen Corona-Anhuster

Das LAG Düsseldorf hat mit Urteil vom 27.04.2021 (3 Sa 646/20) entschieden, dass die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt sein könne, sofern der Arbeitnehmer nachweislich bewusst einen Kollegen aus nächster Nähe anhuste und äußere, er hoffe, dass er Corona bekäme.

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG Düsseldorf liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war seit dem 01.08.2015 zunächst als Auszubildender und seit dem 17.01.2019 als Jungzerspannungsmechaniker bei der Beklagten beschäftigt. Er ist Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Am 11.03.2020 aktivierte die Beklagte im Hinblick auf das Auftreten des Coronavirus ihren internen Pandemieplan. Zu den Maßnahmen zählten u.a. die Aufforderung Abstand zueinander zu halten, Hygienemaßnahmen sowie das Bedecken von Mund und Nase beim Husten oder Niesen mit einem Papiertaschentuch oder Ärmel als Verhaltensregel. Die Belegschaft wurde in verschiedenen E-Mails und einer Abteilungsversammlung informiert. Die Verhaltens- und Hygieneregeln wurden zudem auf Zetteln im Betrieb verteilt. Nach Zustimmung des Betriebsrats kündigte die Beklagte dem Kläger am 03.04.2020 außerordentlich fristlos.

Sie wirft dem Kläger vor, sich mehrfach nicht an die wegen der Corona-Pandemie ergriffenen Hygienemaßnahmen sowie an die Sicherheitsabstände gehalten zu haben. Er habe ihr in Gesprächen signalisiert, dass er die Maßnahmen „nicht ernst nehme“ und diese nicht einhalten werde. Der Kläger habe einen Mitarbeiter gegen seinen Willen am Arm angefasst. Am 17.03.2020 habe er schließlich einen Kollegen vorsätzlich und ohne jegliche Barriere aus einem Abstand von einer halben bis maximal einer Armlänge angehustet. Sinngemäß habe der Kläger gesagt, er hoffe, dass der Kollege Corona bekäme. Ob der Kläger tatsächlich Corona habe, wisse sie nicht. Der Kläger hat behauptet, er habe andere Personen keinen Infektionsgefahren ausgesetzt und, soweit es ihm möglich gewesen sei, die Sicherheitsabstände und Hustetikette eingehalten. Am 17.03.2020 habe er einen Hustreiz verspürt und deshalb spontan husten müssen. Dabei habe er ausreichenden Abstand zum Kollegen gehabt. Als der andere Kollege sich belästigt gefühlt und dies geäußert habe, habe er entgegnet, der Kollege möge „chillen, er würde schon kein Corona bekommen“.

Entscheidungsründe

Das LAG Düsseldorf hat der Kündigungsschutzklage nach der Vernehmung mehrerer Zeuginnen und Zeugen stattgegeben, weil die durchgeführte Beweisaufnahme zu Lasten der Beklagten ausging. Die Kammer hatte die Beweisaufnahme durchgeführt, weil die von der Beklagten behauptete Version des Sachverhalts am 17.03.2020 im konkreten Fall eine fristlose Kündigung hätte rechtfertigen können. Wer im März 2020 bewusst einen Kollegen aus nächster Nähe anhustete und äußerte, er hoffe, dass er Corona bekäme, verletzte in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber seinem Kollegen. Wenn der Arbeitnehmer dann auch im Übrigen deutlich macht, dass er nicht bereit sei, die Arbeitsschutzvorschriften einzuhalten, genügte auch keine Abmahnung. Die Beklagte konnte nach der umfangreichen Beweisaufnahme aber den von ihr behaupteten Sachverhalt jedoch nicht beweisen. Da die Arbeitgeberin für den Kündigungsgrund die Beweislast trägt, ging dies zu ihren Lasten. Einer Verletzung von Abstandsregeln konnte ausreichend durch eine Abmahnung begegnet werden. Das LAG hat die Revision nicht zugelassen.

Hinweis für die Praxis

Entsprechend der instanzgerichtlichen Rechtsprechung, nach der ein tätlicher Angriff auf einen Arbeitskollegen eine schwere Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen des anderen Arbeitnehmers darstellt, erachtet das LAG Düsseldorf in gleicher Weise das bewusste Anhusten eines Arbeitskollegen in „Corona-Zeiten“ als schwere Tätlichkeit unter Arbeitskollegen, die zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigt, die keiner Abmahnung bedarf. Dieser Auffassung ist uneingeschränkt zuzustimmen, da das Verbreiten von SARS-CoV-2 auch strafrechtliche Relevanz hat. Typischerweise wird dabei der Vorwurf der versuchten gefährlichen Körperverletzung nach den §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1, 5, Abs. 2, 22 StGB im Raume stehen, aber auch der Vorwurf eines Tötungsdelikts ist im Einzelfall nicht ausgeschlossen. Ein derartiges, strafrechtliches Verhalten muss auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Konsequenzen für den handelnden Täter haben, sofern – und dies war dem Arbeitgeber in dem vom LAG Düsseldorf zu entscheidenden Fall nicht gelungen – der Beweis des pflichtwidrigen Verhaltens geführte werden kann.

Kontakt > mehr