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Unwirksamkeit einer Rückforderungsklausel in Weiterbildungsvereinbarung bei arbeitnehmerseitiger Kündigung

Eine Rückzahlungsklausel in eine Fortbildungsvereinbarung muss, um wirksam zu sein, u.a. vorsehen, dass die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers auch dann entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis aus vom Arbeitnehmer nicht zu vertretenden personenbedingten Gründen, die bis zum Ablauf der Bleibedauer fortbestehen, beendet wird. Das hat das LAG Hamm mit Urteil vom 29.01.2021 (1 Sa 954/20) entschieden.

Sachverhalt

Die klagende Arbeitgeberin betreibt einen ambulanten Pflegedienst, bei dem der beklagte Arbeitnehmer vom 01.10.2016 bis zum 30.09.2019 beschäftigt war. Im August 2017 meldete die Klägerin den Beklagten zur Teilnahme an einer Weiterbildung an, die rund zwei Jahre andauern sollte. Hierzu schlossen die Parteien eine „Vereinbarung zur Weiterbildungsförderung“. In der Vereinbarung war unter anderem geregelt, dass die Arbeitgeberin die Gebühren für die Weiterbildung trägt, sowie den Beklagten, für die im Rahmen der Weiterbildung erforderlichen Tage unter Weiterzahlung der arbeitsvertraglichen Vergütung von der Arbeit freistellt. Weiter enthielt die Vereinbarung in § 4 eine Klausel zur Rückzahlung dieser übernommenen Kosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf von zwei Jahren nach Abschluss der Weiterbildung. Danach war eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers für den Fall vorgesehen, dass das Arbeitsverhältnis durch „Kündigung des Mitarbeiters aus einem nicht durch die Gesellschaft zu vertretenden Grund oder durch Kündigung der Gesellschaft oder durch sonstige Vereinbarung aus einem Grund, den der Mitarbeiter zu vertreten hat“ endet.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.08.2019 zum 30.09.2019. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte schriftlich zur Rückzahlung der Studiengebühren sowie der Kosten der Freistellung durch Ratenzahlung auf. Der Beklagte lehnte mit anwaltlichem Schreiben die Kostenerstattung ab.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Rückforderungsbestimmung in der Vereinbarung differenziere nicht ausreichend nach dem Grund der Kündigung und sei deshalb unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB und damit unwirksam, da sie den Arbeitnehmer auch dann zur Rückzahlung verpflichte, wenn er aus verschuldensunabhängigen personenbedingten Gründen nicht mehr in der Lage sei, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen und deshalb eine Eigenkündigung erkläre. Die Klägerin könne daher die Rückzahlungsforderung nicht auf die Bestimmung des § 4 der Weiterbildungsvereinbarung stützen.

Dahingegen vertritt die Klägerin die Auffassung, die Rückzahlungsklausel in der Weiterbildungsvereinbarung stelle eine wirksame Grundlage für die Rückzahlungsforderung dar. Die Rückzahlungsklausel in der Weiterbildungsvereinbarung sei nicht unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie differenziere ausreichend nach dem Grund des Ausscheidens und nehme solche Gründe aus, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen. Eine darüber hinausgehende Regelung, die eine rückzahlungsfreie Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den fortgebildeten Arbeitnehmer vorsieht, sofern dieser aus personenbedingten Gründen nicht mehr in der Lage sei, seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, sei nicht erforderlich.

Das Arbeitsgericht Bielefeld hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Berufung.

Entscheidungsgründe

Das LAG Hamm hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Die Arbeitgeberin könne ihren Zahlungsanspruch nicht auf die Rückforderungsklausel in der Weiterbildungsvereinbarung stützen. Die Klausel benachteilige den beklagten Arbeitnehmer gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sei damit unwirksam. Zwar seien einzelvertragliche Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer zu einer Beteiligung an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung für den Fall verpflichten, dass er aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, grundsätzlich zulässig. Dem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers, die getätigten Investitionen durch eine Bindung des Arbeitnehmers an den eigenen Betreib zumindest für einen zeitlich begrenzten Zeitraum nutzen zu können, steht auf Seiten des Arbeitnehmers jedoch die nur in Grenzen zulässige Beschränkung der dem Arbeitnehmer durch Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG garantieren arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit entgegen. Diese Gesichtspunkte seien ebenso wie der Umstand, ob der Arbeitnehmer mit der Ausbildung einen geldwerten Vorteil erlangt hat, der über die sonstigen wechselseitigen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen hinausgeht, in eine umfassende Güter- und Interessenabwägung einzubeziehen.

Hiernach sei die vorliegende Klausel zwar angesichts der Fortbildungsdauer und der damit erworbenen Qualifikation jedenfalls hinsichtlich der zweijährigen Bindungsdauer nicht zu beanstanden. Allerdings differenziere sie nicht ausreichend nach dem Grund für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zwar nehme die Klausel eine Differenzierung vor, indem sie eine Verpflichtung zur Rückzahlung an die Frage knüpft, ob das Arbeitsverhältnis aus Gründen endet, die der Arbeitnehmer oder die Arbeitgeberin zu vertreten hat. Nicht ausreichend differenzierend und damit unangemessen benachteiligend sei die Klausel allerdings in Hinblick auf die Fallgestaltung, dass das Arbeitsverhältnis durch arbeitnehmerseitige Kündigung aus einem personenbedingten Grund beendet wird, den weder der Arbeitnehmer noch die Arbeitgeberin zu vertreten hat. Denn das Interesse der Arbeitgeberin, den Arbeitnehmer durch eine Rückforderungsklausel an sich zu binden, sei nur dann gerechtfertigt, wenn das maßgebliche Ereignis, das die Erstattungspflicht auslöst in den Risiko- und Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers falle, dieser es also beeinflussen könne. Ansonsten benachteilige eine entsprechende Vorschrift den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. So auch im vorliegenden Fall. Die Klausel sei aus diesen Gründen daher unwirksam und entfalle ersatzlos.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des LAG Hamm liegt auf der Linie des BAG (vgl. etwa BAG 18.03.2014 – 9 AZR 545/12). Dies zeigt einmal mehr, dass die aktuelle höchstinstanzliche Rechtsprechung mangels gesetzlicher Regelung im Rahmen von Vereinbarungen arbeitgeberseitiger Fortbildungsfinanzierung stets geprüft und berücksichtigt werden sollte. Bei der Formulierung hat der Arbeitgeber unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen, um nicht Gefahr zu laufen, aufgrund der Unwirksamkeit der Klausel auf Fortbildungskosten sitzen zu bleiben. So sind bei der Gestaltung insbesondere die Länge der Bindungsdauer (je nach Dauer der Fortbildung), die Höhe der zurückzuzahlenden Summe, die Modalitäten der Rückzahlung (insb. Ratenzahlung) sowie die die Rückzahlungspflicht auslösenden Tatbestände im jeweiligen Einzelfall anhand der durch Rechtsprechung entwickelten Regelwerte interessengerecht in Einklang zu bringen.

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