Dr. Christoph Fingerle, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Tankgutscheine und Werbeeinnahmen statt Arbeitslohn – sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt oder nicht?

Kann zugunsten der Arbeitsvertragsparteien Arbeitsentgelt in sozialversicherungsbeitragsfreie sonstige Leistungen umgewandelt werden und somit »mehr Netto vom Brutto« erzielt werden? Das Bundessozialgericht hat diesem Versuch am 23.02.2021 eine Absage erteilt.

Sachverhalt

Dem Urteil des Bundessozialgerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Arbeitgeber hatte mit Mitarbeitern einen teilweisen Lohnverzicht vereinbart und im Gegenzug anstelle des Arbeitslohns Gutscheine gewährt und Miete für Werbeflächen auf den PKWs der Mitarbeiter gezahlt. Bei diesen Leistungen sollte es sich nicht um Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV handeln, weil aufgrund der Verordnungsermächtigung nach § 17 Abs. 1 SGB IV und § 3 Abs. 1 S. 4 SvEV (Sozialversicherungsentgeltverordnung) i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 9 EStG die dort genannten Betragsgrenzen beachtet wurden.

Die Vorinstanz hatte diese Leistungen daher nicht als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt angesehen. Die dagegen geführte Revision des Rentenversicherungsträgers war vor dem zwölften Senat des Bundessozialgerichts erfolgreich.

Entscheidungsgründe

Das sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV umfasst grundsätzlich alle im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden geldwerten Vorteile. Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der ursprüngliche Bruttoarbeitslohn rechnungsmäßig fortgeführt wird und die Tankgutscheine und Werbeeinnahmen als "neue Gehaltsanteile" angesehen werden. Demzufolge kommt es nicht darauf an, dass die Werbeeinnahmen auf eigenständigen Mietverträgen mit den Mitarbeitern beruhen.

Die Beitragspflicht der Tankgutscheine entfällt auch nicht ausnahmsweise. Bei ihnen handelte es sich nicht um einen Sachbezug, weil sie auf einen bestimmten Euro-Betrag lauteten und als Geldsurrogat teilweise an die Stelle des wegen Verzichts ausgefallenen Bruttoverdienstes getreten sind. Die steuerrechtliche Bagatellgrenze von 44 Euro im Monat kommt daher nicht zur Anwendung.

Hinweis für die Praxis

Die Handlungsweise des Arbeitgebers im vorliegenden Sachverhalt wird verschiedentlich in dieser oder ähnlicher Form empfohlen, um dadurch »mehr Netto vom Brutto« zu erreichen. Dabei sind die Risiken auf Arbeitgeberseite erheblich, wenn der zutreffende Sachverhalt ermittelt und einer Entscheidung zugrunde gelegt wird. Die Verordnungsermächtigung in § 17 Abs. 1 SGB IV ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nämlich ausschließlich, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass einmalige Einnahmen oder laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse o.ä. Einnahmen, die zusätzlich zu den Löhnen und Gehältern gewährt werden ganz oder teilweise nicht als Arbeitsentgelt gelten. Eine »Umwandlung« von bestehenden Entgeltansprüchen kann daher als Umgehung nicht zur Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung führen.

Da der Arbeitgeber gegenüber der Einzugsstelle alleiniger Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ist (§ 28e SGB IV), trifft ihn im Nachzahlungsfall die volle Beitragslast. Der Beitragsabzug des Arbeitnehmeranteils ist nach § 28g SGB IV nur von der laufenden und den drei nächsten Entgeltzahlungen möglich. Ein weiterer Beitragsabzug kommt nur dann in Betracht, wenn den Arbeitgeber beim Unterlassen des rechtzeitigen Abzugs kein Verschulden trifft. Diese Voraussetzung liegt spätestens mit dem jetzt veröffentlichten Urteil des Bundessozialgerichts nicht (mehr) vor.

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