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Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Ausgestaltung eines Besuchskonzepts gemäß Corona-Schutzverordnung

Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) hat mit Beschluss vom 22.01.2021 – 9 TaBV 58/20 – entschieden, dass der Betriebsrat eines Krankenhauses gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Ausgestaltung eines Besuchskonzepts iSd. § 5 Abs. 1 S. 3 Coronaschutzverordnung NRW mitzubestimmen hat.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin ist Betreiberin eines Krankenhauses mit etwa 850 Arbeitnehmern. Ohne den dort bestehenden Betriebsrat zu beteiligen hat sie ein System zur Dokumentation des Zutritts und des Aufenthalts von betriebsfremden Personen auf dem Gelände des Krankenhauses eingeführt.

Der Betriebsrat hat daraufhin beim Arbeitsgericht Siegburg ein Beschlussverfahren zur Einsetzung einer Einigungsstelle eingeleitet, woraufhin dieses den Direktor a.D. des Arbeitsgerichts K. zum Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „durch die Corona-Pandemie bedingte Kontrolle und Dokumentation des Zutritts und Aufenthalts betriebsfremder Personen im H Klinikum S“ bestellt und die Zahl der Beisitzer auf zwei für jede Seite festgesetzt hat.

Das Arbeitsgericht ist der Auffassung, die Einigungsstelle sei zur Regelung der Angelegenheit nicht offensichtlich unzuständig, da die Arbeitgeberin gesetzlich verpflichtet sei, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen würden. Nach der CoronaSchVO des Landes Nordrhein-Westfalen seien nur auf Basis eines einrichtungsbezogenen Besuchskonzepts Besuche zulässig. Es bestünden keine gesetzlichen Vorgaben, ob und wie die Zugangskontrolle und Zugangsdokumentation umzusetzen sei. Daher bestehe Raum für eine dahingehende betriebliche Regelung, bei der der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen habe.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts blieb beim LAG erfolglos.

Das LAG ist der Auffassung, dass keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle im Sinne des § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG vorliegt, da der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen hat. Nach der vom LAG zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bezieht sich dieses Mitbestimmungsrecht auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, die Rahmenvorschriften konkretisieren, und einsetzt, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und mangels einer zwingenden gesetzlichen Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Dabei sei unerheblich, ob die Rahmenvorschriften dem Gesundheitsschutz unmittelbar oder mittelbar dienen.

Das LAG erblickte eine solche Handlungspflicht, die auch den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezweckt, im entschiedenen Fall in § 5 Abs. 1 S. 3 CoronaSchVO NRW in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung. Dieser verweise zwar auf die Empfehlungen und Richtlinien des Robert-Koch-Instituts (RKI) und verleihe diesen damit unmittelbar verpflichtende Wirkung. Dennoch bestehe für deren Umsetzung im Betrieb der Arbeitgeberin, anders als etwa bei einer auf die Klinik der Arbeitgeberin konkret bezogenen ordnungsbehördlichen Regelung, ein Gestaltungsspielraum z.B. hinsichtlich Besuchszeiten und Abstandsregelungen. Ferner seien die Empfehlungen des RKI nicht abschließend, sondern stellten Mindeststandards dar, über die die Betriebsparteien hinausgehen dürfen.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des LAG Köln erinnert daran, dass auch und gerade in Pandemiezeiten weitreichende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestehen und solche auch bei Maßnahme in Betracht kommen, die auf den ersten Blick die Arbeitnehmerschaft gar nicht oder allenfalls mittelbar zu betreffen scheinen. Bei der Umsetzung von Vorgaben zum Gesundheitsschutz ist zu empfehlen, etwaige Beteiligungsrechte des Betriebsrats kritisch zu prüfen.

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