sven koehnen handelsrecht 2.jpgchristian claessens arbeitsrecht p.jpg

Kein Vergütungsanspruch bei verweigertem Corona-Test

Das Landesarbeitsgericht München hat mit Urteil vom 26. Oktober 2021 (Az. 9 Sa 332/21) entschieden, dass eine Orchestermusikerin (hier: Flötistin), die regelmäßige Corona-Tests verweigert, obwohl diese aufgrund eines Testkonzeptes im Rahmen des gültigen Hygienekonzeptes vorgesehen sind, weder beschäftigt werden muss, noch einen Anspruch auf Vergütung hat.

Sachverhalt

Dem Urteil des LAG München liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Arbeitnehmerin war als Flötistin in einem größeren Opernorchester beschäftigt. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag sieht vor, dass der Arbeitgeber bei gegebener Veranlassung durch einen Vertrauensarzt oder das Gesundheitsamt feststellen lassen kann, ob der Musiker arbeitsfähig und frei von ansteckenden oder ekelerregenden Krankheiten ist. Das Hygienekonzept sieht u.a. eine Teststrategie vor, die bei Dienstantritt in der Spielzeit 2020/2021 von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen negativen Testbefund (PCR-Test) als Voraussetzung für die Teilnahme an Proben und Aufführungen verlangt. Die Testung wurde kostenfrei durch den Arbeitgeber organisiert und durch medizinisch geschultes Personal als Nasen-/Rachen-Abstrich vorgenommen. Alternativ konnten die Mitarbeiter auf eigene Kosten selbst qualifizierte Testbefunde beibringen.

Die Klägerin verlangte eine Beschäftigung und Bezahlung auch ohne Corona-Test. Sie lehnte diesen ab mit der Begründung, dieser stelle einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar und berge die Gefahr von Verletzungen im Nasen- oder Rachenbereich. Gerade Spieler von Blasinstrumenten könnten bereits bei geringen Verletzungen im Nasen- und Rachenbereich arbeitsunfähig werden.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht hat die klageabweisende Entscheidung der Vorinstanz bestätigt und ausgeführt, dass der Arbeitgeber aufgrund des Tarifvertrages berechtigt war, die Testung zu verlangen, auch ohne dass konkrete Symptome für eine Erkrankung vorlagen. Bei einer Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus handele es sich um eine ansteckende Erkrankung i.S.d. Tarifnorm, die auch von symptomfreien Personen übertragen werde, und die bei einem erheblichen Anteil der Erkrankten, insbesondere bei Personen mit höherem Lebensalter, zum Tod, und bei einem erheblichen Anteil der Personen mit leichteren Verläufen zu Langzeitschäden führe.

Der Schutz der Orchesterkollegen vor Ansteckung sei gerade bei der Tätigkeit als Flötistin anderweitig nicht möglich. Die Testpflicht sei verhältnismäßig. Der Nasen-/Rachenabstrich sei nicht zwingend gewesen. Der Arbeitgeber habe es vielmehr akzeptiert, dass die Arbeitnehmer einen PCR-Test bei einem Arzt ihres Vertrauens in Form eines reinen Rachenabstrichs durchführen. Hierin liege kein unzulässiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Der allein erforderliche Rachenabstrich sei eine der Klägerin zumutbare körperliche Beeinträchtigung. Auch wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgehe, dass die Empfindlichkeit bzgl. eines Rachenabstrichs nicht bei allen Menschen gleich groß sei und unterstellt, dass die Klägerin in diesem Bereich besonders sensibel sei, so handele es sich doch um einen Vorgang, der das körperlichen Wohlbefinden nur für einen sehr kurzen Zeitraum, einige Sekunden, und ohne Folgen beeinträchtigte.

Ein Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen habe nicht vorgelegen Der Arbeitgeber war deshalb nicht verpflichtet, die Klägerin ohne Vorlage eines Tests auf eine Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus zu beschäftigen und musste ihr aufgrund ihrer Weigerung auch keine Vergütung zahlen, solange sie aufgrund ihrer Weigerung ihrer Verpflichtung nicht nachkommen durfte, an Proben und Aufführungen teilzunehmen.

Die Revision zum BAG wurde in dem Urteil nicht zugelassen.

Hinweise für die Praxis

Das Urteil des LAG München unterstreicht, dass Arbeitnehmer im Falle der Nichtbefolgung betrieblicher Hygieneregeln zum Infektionsschutz mit dem Verlust ihres Vergütungsanspruchs sowie ggf. weiteren Sanktionen rechnen müssen. Erst kürzlich hat das ArbG Hamburg (Urteil vom 24. November 2021 – 27 Ca 208/21) bestätigt, dass die wiederholte Verweigerung der Vornahme von Corona-Tests auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann; allerdings ist der Arbeitgeber hier verpflichtet, vor Ausspruch der Kündigung zunächst eine Abmahnung auszusprechen.

Infolge der bundesweiten Einführung von „3G am Arbeitsplatz“ Ende November dürften die Arbeitsgerichte zukünftig vermehrt mit ähnlichen Fragestellungen konfrontiert werden. Soweit ersichtlich, liegt noch keine arbeitsgerichtliche Entscheidung zur neuen Testpflicht für ungeimpfte Personen vor. Auch hier dürfte aber gelten: Ist der Arbeitnehmer nicht bereit, die gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen, und kann deshalb die Arbeitsleistung nicht erbracht werden, ist mit Lohnausfall sowie – im Wiederholungsfall – arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung zu rechnen.

Kontakt > mehr