Dr. Christoph Fingerle, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Ich geh dann mal ins Büro! Wegeunfall im Homeoffice?

Ist bei Arbeit im Homeoffice der erstmalige Weg ins häusliche Büro Arbeitsweg und damit vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt? Das Bundessozialgericht hat diese Frage – anders als die Vorinstanzen – bejaht.

Sachverhalt

Der Kläger ist Gebietsverkaufsleiter im Außendienst. Am 17.09.2018 befand er sich auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme von seinem Schlafzimmer in das eine Etage tiefer gelegene häusliche Büro (Homeoffice). Üblicherweise beginnt er dort unmittelbar zu arbeiten, ohne vorher zu frühstücken. Beim Beschreiten der die Räume verbindenden Wendeltreppe rutschte er aus und brach sich einen Brustwirbel. Die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) lehnte Leistungen aus Anlass des Unfalls ab. Der Unfallversicherungsschutz beginne in einer Privatwohnung auf dem Weg zum Zwecke der erstmaligen Arbeitsaufnahme erst mit Erreichen des häuslichen Arbeitszimmers. Die Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls war vor dem Sozialgericht und ohne Erfolg. Der erstmalige morgendliche Weg ins Homeoffice sei kein Betriebsweg, sondern eine unversicherte Vorbereitungshandlung, die der eigentlichen versicherten Tätigkeit nur vorausgehe.

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des materiellen Rechts (§ 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Nicht zuletzt in Anbetracht der aktuellen Pandemielage arbeiteten viele Menschen von zu Hause aus. Diese dürften hinsichtlich des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung nicht schlechter stehen als die Arbeitnehmer im Betrieb. Es müsse sich deshalb beim Weg zur erstmaligen Aufnahme der Tätigkeit im Homeoffice in der Privatwohnung um einen versicherten Betriebsweg handeln.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers war erfolgreich. Der Kläger hat einen Arbeitsunfall erlitten, als er auf dem morgendlichen Weg von seinen privaten Wohnräumen in sein häusliches Büro (Homeoffice) beim Beschreiten einer Treppe stürzte und sich an der Wirbelsäule verletzte. Der Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme war danach als Betriebsweg versichert.

Ausnahmsweise ist ein Betriebsweg auch im häuslichen Bereich denkbar, wenn sich Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude befinden (Urteil vom 05.07.2016 – B 2 U 5/15 R). Ob ein Weg als Betriebsweg im unmittelbaren Unternehmensinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, bestimmt sich auch im Homeoffice nach der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten, also danach, ob dieser bei der zum Unfallereignis führenden Verrichtung eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (Urteil vom 31.08.2017 – B 2 U 9/16 R).

Nach den bindenden Feststellungen des Landessozialgerichts diente das Beschreiten der Treppe allein der Arbeitsaufnahme des Klägers im häuslichen Büro (Homeoffice) in der dritten Etage seiner Wohnung.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts klärt eine gerade in der aktuellen Situation sicherlich vermehrt auftretende Fragestellung, ist daher zu begrüßen und insbesondere im Hinblick auf die jüngste Änderung des Infektionsschutzgesetzes auch konsequent. Nach § 28b Abs. 4 IfSG (Infektionsschutzgesetz) sind nämlich nicht nur die Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen dazu verpflichtet, Arbeit im Homeoffice anzubieten, sondern müssen auch die Arbeitnehmer dieses Angebot grundsätzlich annehmen. Wenn damit gesetzlich verpflichtend der unfallversicherte Arbeitsweg in den häuslichen Bereich des Arbeitnehmers verlegt wird, muss sich auch der Unfallversicherungsschutz darauf erstrecken.

Besonders hinzuweisen ist allerdings darauf, dass der Unfallversicherungsschutz nach dem vorliegenden Urteil ausdrücklich nur für das erstmalige Aufsuchen des häuslichen Büros gilt.

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