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Fremdgeschäftsführer zählt nicht für KSchG-Betriebsgröße mit

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.04.2021 (Az. 2 AZR 540/20) entschieden, dass Fremdgeschäftsführer einer GmbH bei der Berechnung des Schwellenwerts gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG („Kleinbetriebsklausel“) nicht mitgezählt werden.

Sachverhalt

Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war seit Dezember 2016 als Arbeitnehmer bei der Beklagten tätig. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 21.06.2019 ordentlich und fristgemäß. Zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung umfasste der Betrieb der Beklagten 8,5 Arbeitnehmer sowie 2 Fremdgeschäftsführer.

Gegen die Kündigung erhob der Kläger die Kündigungsschutzklage. Er war der Auffassung, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung, da die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten als Arbeitnehmer zu berücksichtigen seien.

Die Vorinstanzen haben dem Klageabweisungsantrag der Beklagten entsprochen. Mit seiner Revision blieb der Kläger nun ebenfalls ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

Dem BAG zufolge bedurfte die streitgegenständliche Kündigung nicht der sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG, da der betriebliche Geltungsbereich des KSchG nicht eröffnet war. Die Beklagte habe nicht mehr als 10 Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG beschäftigt. Die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten blieben bei der Berechnung der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer unberücksichtigt.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz folge das nicht bereits aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Dieser betreffe nur den 1. Abschnitt des KSchG und damit die Frage, ob Organvertreter ihrerseits Kündigungsschutz beanspruchen können. Es liege aber kein Wertungswiderspruch darin, einem Fremdgeschäftsführer den Kündigungsschutz zu versagen, ihn aber bei der Berechnung der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG mitzuzählen.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei es auch ohne Bedeutung, ob Fremdgeschäftsführer nach § 7 Abs. 1 SGB IV als Beschäftigte angesehen werden und der Sozialversicherungspflicht unterliegen, da die Begriffe „Beschäftigungsverhältnis“ und „Arbeitsverhältnis“ nicht identisch seien.

Für die Auslegung seien schließlich auch nicht die vom EuGH entwickelten Grundsätze zum Arbeitnehmerbegriff heranzuziehen. Der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff beeinflusse nationales Recht nur dort, wo unionsrechtliche Vorgaben für die Regelungsmaterie existierten. Das sei bei den §§ 1, 23 KSchG nicht der Fall, das allgemeine Kündigungsschutzrecht sei nicht unionsrechtlich determiniert. Damit verbleibe es beim nationalen Arbeitnehmerbegriff, wie er sich aus § 611a Abs. 1 BGB ergebe.

Der Geschäftsführer einer GmbH werde für diese in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Auch gegenüber einem Geschäftsführer als freiem Dienstnehmer stehe der Gesellschaft ein unternehmerisches Weisungsrecht zu. Eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark sei, dass sie auf einen Status als Arbeitnehmer schließen lasse, komme aber allenfalls „in extremen Ausnahmefällen“ in Betracht. Dies würde voraussetzen, dass die Gesellschaft eine – über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende – Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände habe, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen habe, und die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen bestimmen könne. Ein solcher Ausnahmefall sei aber nicht vorgetragen worden.

Hinweise für die Praxis

Nicht zuletzt infolge der Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen „Danosa“ (Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09) und „Balkaya“ (Urt. v. 09.07.2015 – C-229/14) hat sich eine Dichotomie zwischen einem „engen“ nationalen Arbeitnehmerbegriff und einem „weiten“ unionsrechtlichen Begriffsverständnis herausgebildet. Die Unterscheidung äußert sich bislang vor allem in der Frage, ob Fremdgeschäftsführer einer GmbH als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind.

Das BAG nimmt – so auch hier – eine Unterscheidung vor: Danach gilt der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff überall dort, wo Unionsrecht umgesetzt wurde. Im Übrigen soll es aber bei dem nationalen Begriffsverständnis bleiben. Insoweit konsequent ist es, Fremdgeschäftsführer im Rahmen von § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG nicht zu berücksichtigen, da der allgemeine Kündigungsschutz nicht auf Unionsrecht basiert.

Für Inhaber von Kleinbetrieben bis 10 Mitarbeiter ist diese Entscheidung erfreulich. Eine bestehende rechtliche Unsicherheit, ob Fremdgeschäftsführer mitgezählt werden, ist damit ausgeräumt. Angesichts der wirtschaftlichen Implikationen des allgemeinen Kündigungsschutzes gerade für kleine Unternehmen ist diese Frage von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

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