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Stärkung kleiner Lieferanten: Nicht jedes Preisgespräch ist kartellrechtswidrig

Hersteller dürfen Händlern keine Wiederverkaufspreise vorgeben. Das OLG Düsseldorf hat jedoch klargestellt: Nicht jeder Hinweis auf die gewünschte Preisstrategie des Herstellers ist unzulässig. Ist der Abnehmer mächtiger als der Lieferant, gelten höhere Anforderungen an die Annahme einer kartellrechtswidrigen Druckausübung des Lieferanten durch Hinweise auf unverbindliche Preisempfehlungen oder die gewünschte preisliche Positionierung der Produkte.

Hintergrund

Ein Möbelhersteller ließ seine Produkte erstmals auch von einem großen Online-Händler vermarkten. Der Händler gewährte Endkunden mehrfach Rabatte von bis zu 25% auf die unverbindliche Preisempfehlung (UVP) des Herstellers, worüber sich stationäre Händler beim Hersteller beklagten und mit der Kündigung ihrer Vertriebsverträge drohten. Der Hersteller sprach daraufhin die Preissetzung gegenüber dem Online-Händler an und bat um Berücksichtigung seiner Interessen und derjenigen der stationären Händler, allerdings erfolglos. Der Online-Händler setzte seine bisherige Preispolitik fort und generierte in dieser Zeit einen Jahresumsatz von ca. EUR 200 Mio., woran die Produkte des Herstellers nur einen Anteil von 0,1% hatten. Der Jahresumsatz des Herstellers betrug unter EUR 30 Mio.

Nachdem der Hersteller den Vertriebsvertrag kündigte, klagte der Online-Händler auf Schadensersatz aus behaupteter kartellrechtswidriger Preisbindung. Der Hersteller habe während der Vertragslaufzeit durchgängig sein Preissetzungsverhalten überwacht und ihn aufgefordert, die vorgegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen (UVP) einzuhalten und keine höheren Rabatte als 5-6% zu gewähren. Dem Online-Händler seien dadurch erhebliche Gewinne entgangen. Das Landgericht wies die Klage ab.

Das Urteil des OLG Düsseldorf vom 18.09.2019, Az. U (Kart) 3/19

Auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das OLG Düsseldorf verneinte eine rechtswidrige Einwirkung des Herstellers auf die Preissetzungsfreiheit des Online-Händlers. Nach § 21 Abs. 2 GWB sind das Androhen und Zufügen von Nachteilen sowie das Versprechen oder Gewähren besonderer Vorteile für ein Verhalten, das im Falle vertraglicher Abrede einen Kartellverstoß bedeutet, selbst kartellrechtswidrig. Dieses Umgehungsverbot umfasst auch Verhaltensweisen, die faktisch eine kartellrechtswidrige Preisbindung bedeuten. Vorliegend habe jedoch keine unzulässige Druckausübung durch Androhen einer Liefersperre oder einer Kündigung durch den Hersteller vorgelegen.

Das OLG bestätigte die Auffassung des Bundeskartellamts, dass für die Beurteilung einer unzulässigen Druckausübung das Machtgefälle zwischen den Beteiligten zu berücksichtigen ist. Je größer das Machtgefälle sei, desto zurückhaltender könne sich der Drohende äußern, ohne den Effekt seiner Drohung aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zu schmälern. Allerdings könne nicht ohne Weiteres und immer schon dann, wenn Lieferant und Abnehmer über die Preisbildung des letzteren sprechen, von einer kartellrechtlich verbotenen Einwirkung auf die Willensbildungs- und Entscheidungsfreiheit des Abnehmers ausgegangen werden. Ein Verstoß gegen § 21 Abs. 2 GWB liege erst dann vor, wenn eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls ergebe, dass von dem Abnehmer ein bestimmtes Preissetzungsverhalten erwartet werde und er bei Nichtbeachtung Nachteile zu befürchten habe. Ist der Abnehmer weitaus mächtiger als der Lieferant, seien die Anforderungen an eine konkludente Nachteilsandrohung nicht gerade gering zu bemessen.

Hier war der Händler weit umsatzstärker und von einer Belieferung unabhängig, so dass der Hersteller nur schwerlich in der Lage gewesen sei, Druck auf den Händler auszuüben. Auch deshalb habe der Händler Rabatte bis zu 25% gewährt, ohne auf die Preisvorstellungen des Herstellers Rücksicht zu nehmen. Er habe sich also gerade nicht in der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt gefühlt. Ist der Lieferant das deutlich kleinere Unternehmen, könne allein seine Bitte um eine maßvolle Preispolitik und eine Rücksichtnahme auf seine Belange bei der Preisfestsetzung nicht zu einer unzulässigen Einflussnahme auf die Preisbildung des Abnehmers führen.

Anmerkung

Mit seiner Entscheidung misst das OLG Düsseldorf der Umsetzung von UVP im Handel eine erhebliche Bedeutung bei und stellt höhere Anforderungen an eine unzulässige Druckausübung durch den Hersteller als das Bundeskartellamt. Unstreitig ist das Aussprechen von UVP durch den Hersteller erlaubt, auch die einmalige Erläuterung der eigenen UVP durch den Hersteller ist kartellrechtskonform. Gerade kleinere und mittlere Lieferanten dürfen aber gegenüber einem großen Abnehmer im Jahresgespräch oder auch unterjährig auf ihre UVP hinweisen, um einer Gefährdung ihrer Marke oder des Produktimages durch erhebliche Rabatte entgegenzuwirken. Eine bloße Bitte um Berücksichtigung der Belange des viel kleineren und ohne weiteres ersetzbaren Lieferanten kann dann vom Abnehmer regelmäßig nicht als unzulässige Drohung aufgefasst werden.

Nicht jedes Gespräch über Preise ist damit während laufender Vertragsbeziehungen unzulässig. Klar bleibt aber auch: Die Androhung einer Liefersperre bei unerwünschtem Preisverhalten ist in jedem Fall unzulässig. Und bei einem Machtgefälle zulasten des Abnehmers kann schon die freundlich vorgetragene Bitte oder ein einmaliges Ansprechen auf den Preis objektiv als unzulässige Drohung oder Druckausübung durch den Hersteller verstanden werden. Angesichts der strengen Praxis des Bundeskartellamts sollten Hersteller daher jeglichen Eindruck einer unzulässigen Druckausübung auf Händler vermeiden.

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