stefan lammel gesellschaftsrecht 1.jpgtina bieniek gesellschaftsrecht 2.jpg

Insolvenz bei der betrieblichen Altersvorsorge – wann ist der Geschäftsführer geschützt?

Die betriebliche Altersversorgung von Mitarbeitern ist für den Fall der Insolvenz ihres Unternehmens durch einen speziellen Sicherungsfonds abgesichert. Für Geschäftsführer gilt diese Absicherung jedoch nicht uneingeschränkt. Sie genießen nur dann den vollen Insolvenzschutz, wenn sie als Fremdgeschäftsführer gar nicht beteiligt sind oder als Gesellschafter-Geschäftsführer keinen maßgeblichen Einfluss innerhalb der Gesellschaft haben. Der Bundesgerichtshof hat in einer neueren Entscheidung einige offene Punkte in diesem Zusammenhang geklärt.

Ausgangssituation: Absicherung der betrieblichen Altersvorsorge gegen Insolvenzrisiken

Wenn ein Unternehmen seinen Angestellten eine betriebliche Altersversorgung anbietet, ist es verpflichtet, gleichzeitig Beiträge in den sog. Pensionsversicherungsfonds einzuzahlen. Wird das Unternehmen insolvent, übernimmt dieser Pensionssicherungsfonds die Zahlung der betrieblichen Altersversorgung an die Angestellten. Geregelt ist dies im „Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung“ (kurz: „BetrAVG“). Dadurch können die Angestellten eines Unternehmens darauf vertrauen, dass ihre betriebliche Altersversorgung auch im Insolvenzfall Bestand hat.

Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführern: Absicherung der betrieblichen Altersversorgung nur in bestimmten Fällen

Auch zugunsten von Geschäftsführern wird häufig eine betriebliche Altersversorgung im Anstellungsvertrag vereinbart, die – wie bei anderen Angestellten – grundsätzlich durch den Pensionssicherungsfonds gegen die Insolvenz der Gesellschaft abgesichert ist. Dies gilt allerdings nur bei Fremdgeschäftsführern uneingeschränkt. Sobald der Geschäftsführer über seine Geschäftsführerstellung hinaus als Gesellschafter beteiligt ist und einen beherrschenden Einfluss hat, greifen die Vorschriften des BetrAVG und damit der Insolvenzschutz seiner betrieblichen Altersversorgung nicht ein. An den Geschäftsführer wird dann üblicherweise allenfalls ein (geringfügiger) Teil seiner betrieblichen Altersversorgung vom Insolvenzverwalter ausgezahlt. Begründet wird dies damit, dass ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer wesentlich mehr Einfluss auf sein Unternehmen ausüben kann als ein Angestellter, die Unternehmensgeschicke hierdurch maßgeblich mitbestimmt und deswegen (auch mit Blick auf eine mögliche Insolvenz des von ihm mitgeleiteten Unternehmens) nicht so schutzbedürftig ist wie ein Angestellter.

Die entscheidende Frage für Geschäftsführer ist also: Wann liegt ein beherrschender Einfluss auf das Unternehmen vor und besteht damit das Risiko, dass Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung im Insolvenzfall nicht abgesichert sind? Hierzu gibt es eine Vielzahl an gerichtlichen Einzelfallentscheidungen. Grundsätzlich gilt jedoch: Im Regelfall wird von einem beherrschenden Einfluss geschäftsführender Allein- oder Mehrheitsgesellschafter (> 50% der Anteile) auf das Unternehmen ausgegangen, sodass ihre Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung aus dem Schutz des BetrAVG herausfallen. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer (< 50% der Anteile) hingegen sind grundsätzlich wie Arbeitnehmer zu behandeln und können sich im Regelfall auf die Insolvenzsicherung ihrer betrieblichen Altersversorgung durch den Pensionssicherungsfonds verlassen. Hiervon gibt es aber wichtige Ausnahmen. Denn auch Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer können trotz ihrer geringeren Kapitalbeteiligung beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen haben und damit aus dem Schutzbereich des BetrAVG herausfallen (z.B. wenn sie über Mehrstimm- oder weitreichende Vetorechte verfügen). Ein beherrschender Einfluss kann sogar daraus resultieren, dass ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer zwar nicht alleine, jedoch zusammen mit anderen zur Geschäftsführung berufenen Gesellschaftern die Mehrheit der Anteile – oder wie in einem vom BGH kürzlich entschiedenen Fall (Urteil vom 01.10.2019, Az. II ZR 386/17) genau 50% und damit eine Sperrminorität – an dem Unternehmen hält.

Empfehlung: Sorgfältige Gestaltung von Gesellschafts- und Anstellungsverträgen

Sobald ein Gesellschafter zugleich Geschäftsführer ist, ist bei der Gestaltung des Anstellungsvertrags besondere Sorgfalt geboten: Es muss im Einzelnen geprüft werden, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer maßgeblichen Einfluss hat oder nicht. Davon hängt nicht nur der Schutz bei der betrieblichen Altersversorgung ab, sondern vor allem auch die Frage der Sozialversicherungspflicht. Eine Fehleinschätzung kann (materiell) spürbare Folgen nach sich ziehen. Zu denken ist nur an die Einbußen, wenn Ansprüche des Geschäftsführers auf betriebliche Altersversorgung in der Insolvenz der Gesellschaft nicht befriedigt werden können oder wenn Sozialversicherungsbeiträge für mehrere Jahre nachgefordert werden. In diesem Bereich können gar strafrechtliche Verfahren wegen der Veruntreuung von Arbeitsentgelt drohen.

Daher ist jedem Unternehmen zu empfehlen: Gesellschaftsverträge und Geschäftsführeranstellungsverträge sind sorgfältig nach den Bedürfnissen im Einzelfall zu gestalten. Dabei sind gesellschaftsrechtliche Aspekte genauso wichtig wie arbeits- und sozialrechtliche Überlegungen. Dabei gibt es durchaus Gestaltungsspielraum: So können beispielsweise Mehrstimm- oder Vetorechte zugunsten eines Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers zu einem beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen und damit dazu führen, dass für ihn keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden müssen – es gibt Fälle, in denen dies gewünscht ist. Gleichzeitig muss dieser Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer sich dann jedoch bewusst sein, dass in diesem Fall eine zu seinen Gunsten etwa bestehende betriebliche Altersversorgung bei einer Insolvenz seines Unternehmens voraussichtlich nicht abgesichert ist. Bei Zweifeln hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht besteht die Möglichkeit, ein sog. Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung durchzuführen, durch das der sozialversicherungsrechtliche Status eines Geschäftsführers verbindlich festgestellt werden kann.

Kontakt > mehr