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Anwachsung eines GbR-Anteils kann Schenkung sein

Stirbt bei einer zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einer der beiden Gesellschafter und ist für diesen Fall vereinbart, dass dem überlebenden Gesellschafter der Anteil des verstorbenen Gesellschafters unter Ausschluss eines Abfindungsanspruchs der Erben anwachsen soll, kann eine solche Vereinbarung eine Schenkung darstellen, die den Pflichtteilsanspruch der Erben erhöht.

Hintergrund

Ein Ehepaar erwarb zwei Eigentumswohnungen. Zu diesem Zweck gründeten sie zwei Gesellschaften bürgerlichen Rechts, über die die Eigentumswohnungen gehalten werden sollen. Den Erwerb der Eigentumswohnungen finanzierten sie zum Großteil aus Eigenmitteln. In den Gesellschaftsverträgen war jeweils das Folgende vereinbart:

„Die Gesellschaft wird mit dem Tode eines Gesellschafters aufgelöst; der Anteil des verstorbenen Gesellschafters wächst dem Überlebenden an. Die Erben erhalten – soweit gesetzlich zulässig – keine Abfindung.“

Der Ehemann hat einen leiblichen Sohn aus erster Ehe. Beide Ehepartner haben zudem einen gemeinsamen Sohn. Der Ehemann setzte testamentarisch seine Ehefrau als Alleinerbin und den gemeinsamen Sohn als Ersatzerben ein. Als der Ehemann verstarb, wurde die Ehefrau im Wege der Anteilsanwachsung jeweils Alleineigentümerin der Eigentumswohnungen, weil die GbR mit nur einer einzigen verbliebenen Gesellschafterin automatisch und liquidationslos aufgelöst wurde. Der leibliche Sohn aus erster Ehe macht nun als gesetzlicher Erbe des Ehemanns seinen Pflichtteilsanspruch geltend und verlangt von der Ehefrau die Wertermittlung für beide Eigentumswohnungen (§ 2314 Abs. 1 S. 2 BGB). Er ist der Ansicht, dass sein Vater der Ehefrau den Gesellschaftsanteil durch die Anwachsung geschenkt habe, sodass sich auch der Pflichtteilsanspruch des gesetzlichen Erben nach § 2325 Abs. 1 BGB entsprechend erhöhe.

Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 03.06.2020 – IV ZR 16/19

Der Bundesgerichtshof hat dem Sohn Recht gegeben. Geht im Fall des Todes eines Gesellschafters dessen Gesellschaftsanteil auf andere Gesellschafter über, sei es grundsätzlich möglich, die Erben von einem Abfindungsanspruch auszuschließen, ohne dass dies als Schenkung gewertet werde. Hintergrund dieser langjährigen Rechtsprechung ist die nachvollziehbare Überlegung, dass eine solche Regelung grundsätzlich primär den Erhalt des von der Gesellschaft getragenen Unternehmens bezweckt. Außerdem gelte die Regelung ja im Hinblick auf alle Gesellschafter, so dass zum Zeitpunkt der Vereinbarung in der Regel völlig offen ist, welcher Gesellschafter von der Regelung profitieren wird.

Dies gelte aber, so stellt der BGH in dem vorliegenden Urteil klar, nicht ausnahmslos. Vielmehr müsse – unter Berücksichtigung schutzwürdiger Belange insbesondere der Pflichtteilsberechtigten – in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft werden, ob besondere Umstände vorliegen, die eine Schenkung der Ehepartner untereinander nahelegen. Im Streitfall seien solche Umstände daraus zu schließen, dass die GbR vorliegend nur dazu gedient habe, die Eigentumswohnungen zu halten. Eine Schenkung liege hier deshalb nahe, weil die Anteile des Erblassers gerade an dessen Ehefrau gingen. Es sei den Beteiligten insbesondere gerade darum gegangen, erbrechtliche Ansprüche des Sohnes aus erster Ehe auszuschließen. Abschließend stellt der BGH noch klar, dass zwar als (eine Schenkung ausschließende) „Gegenleistung“ für die Anteilsanwachsung grundsätzlich auch die Übernahme eines Haftungsrisikos des verbleibenden Gesellschafters sein könne. Da die Ehepartner die Wohnungen aber überwiegend aus Eigenmitteln finanzierten, bestand für die Ehefrau hier gar kein solches Haftungsrisiko als Gesellschafterin, so dass es auch unter diesem Gesichtspunkt bei der Unentgeltlichkeit der Zuwendung (und damit einer Schenkung) blieb.

Praxishinweis

Das Urteil ist ein weiterer deutlicher Hinweis an die Beraterpraxis, bei Gestaltungen von Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen Vorsicht walten zu lassen und jeweils die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen. Abfindungsklauseln sollten überdies nie isoliert vereinbart werden, sondern stets Elemente einer Gesamtbetrachtung sein. Fragen der Unternehmensnachfolge werden nicht erst ab bestimmten Lebensaltersstufen der Gesellschafter bedeutsam.

Allgemein gilt: Gesellschafter können für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters regeln, dass ihre Anteile auf die anderen Gesellschafter oder auch die Gesellschaft (z.B. bei der GmbH) übergehen. Für diesen Übergang ist dem ausscheidenden Gesellschafter grundsätzlich eine Abfindung zu zahlen. Scheidet ein Gesellschafter jedoch durch seinen Tod aus der Gesellschaft aus, ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig, einen Abfindungsanspruch der Erben zu beschränken und sogar ganz auszuschließen. Ein solcher Ausschluss soll gewährleisten, dass das Unternehmen beim Tod eines Gesellschafters erhalten bleibt und seine Fortführung durch die übrigen Gesellschafter insbesondere nicht durch Abfindungsansprüche der Erben erschwert wird. Dadurch soll das gesellschaftlich gebundene Zweckvermögen erhalten bleiben.

Bei solchen Vereinbarungen geht es unter den genannten Prämissen deshalb bei Lichte besehen nicht darum, den anderen Mitgesellschaftern etwas zu schenken. Es geht vielmehr um eine Vereinbarung, bei der die Gesellschafter sich jeweils wechselseitig das Gleiche zuwenden und damit auch das gleiche Risiko eingehen, nämlich dass im Fall ihres Todes ihre eigenen Erben keine Abfindung erhalten. Die Rechtsprechung spricht hier von einem „aleatorischen“ (zufallsabhängigen) Element.

Zu Recht betont der BGH aber, dass von diesen Grundsätzen Ausnahmen zuzulassen sind, wenn die Gesellschafter gar nicht das Ziel hatten, das Gesellschaftsvermögen zu erhalten. Dabei sind alle Umstände sorgfältig zu prüfen. So kommt es beispielsweise nicht darauf an, ob die Gesellschaft nur zwei Gesellschafter hat, denn das Ziel, das Gesellschaftsunternehmen für den Todesfall eines Gesellschafters zu sichern, kann auch bei Zweipersonengesellschaften bestehen (auch wenn solche Gesellschaften im Rechtssinne aufhören zu existieren, sobald nur noch eine Person Gesellschafter ist). Unseres Erachtens sollte es auch nicht allein auf den Umstand ankommen, dass die Gesellschaftsanteile auf einen Ehepartner übergehen, da dies allein noch keine Schenkung nahelegt. Vielmehr ist eine Gesamtschau aller Umstände unter besonderer Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange aller Nachlassbeteiligten erforderlich. Im Streitfall hat der BGH die Umstände richtig gewertet und ist zu Recht zu dem Schluss gekommen, dass die Erblasser sich gegenseitig beschenken wollten.

Für die Gestaltungspraxis bedeutet dieses Urteil mehr Klarheit, da die im hier entschiedenen Fall vorliegende Konstellation in der Praxis sehr häufig vorkommt. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist eine sehr beliebte Rechtsform für das gemeinsame Halten und Verwalten von Grundeigentum. Um eine Schenkung auszuschließen, sollte bei der Vertragsgestaltung deshalb der Wille der Gesellschafter deutlich gemacht werden, das vermögensverwaltende Unternehmen im Falle des Todes eines Gesellschafters fortzuführen. Überdies können weitere Vereinbarungen getroffen werden, die eine „Unentgeltlichkeit“ (und damit eine erbrechtlich relevante Schenkung) beseitigen. Eine solche „ganzheitliche“ Gestaltung ist Aufgabe guter Berater.

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