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COVID-19-Arbeitszeitverordnung – COVID-19-ArbZV

Auf Grund des § 14 Abs. 4 des ArbZG, der durch Artikel 8 des Gesetzes vom 27. März 2020 angefügt worden war, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit am 07.04.2020 die bis zum 30.06.2020 befristete Verordnung  zu Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz infolge der  COVID-19-Epidemie (COVID-19-Arbeitszeitverordnung – COVID-19-ArbZV) erlassen.

Die COVID-19-Epidemie verlangt u.a. besondere Anstrengungen von Arbeitgebern sowie von Arbeitnehmern (Der Begriff „Arbeitnehmer“ wird zur besseren Lesbarkeit geschlechtsneutral verwendet. Er umfasst alle Geschlechter.). Im Verlauf der Ausbreitung von COVID-19 ist in Deutschland unter anderem mit einem stark erhöhten Kranken- und Quarantänestand bei den Beschäftigten zu rechnen. Auch durch etwaige Verpflichtungen zur Kinderbetreuung auf Grund der Schließung von Schulen, Horten, Kindergärten und Kinderkrippen können zusätzliche Fehlzeiten von Arbeitnehmern entstehen. Außerdem gibt es etwa bei der Herstellung und dem Vertrieb von Arzneimitteln einschließlich Betäubungsmitteln, Hygieneartikeln, Medizinprodukten oder Epidemie relevanten Produkten einen erheblichen Mehrbedarf. Durch den am 28.03.2020 in Kraft getretenen § 14 Abs. 4 ArbZG wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit ohne Zustimmung des Bundesrates in außergewöhnlichen Notfällen mit bundesweiten Auswirkungen bundeseinheitliche Ausnahmen vom ArbZG zu erlassen.

Mit der Rechtsverordnung wird von dieser Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht; es werden für einen befristeten Zeitraum bis zum 30.06.2020 Ausnahmen von den Vorschriften des ArbZG zugelassen. Regelungen zum Arbeitszeitschutz in anderen Gesetzen, zum Beispiel im Jugendarbeitsschutzgesetz oder im Mutterschutzgesetz, sowie die Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten, insbesondere nach der Verordnung 561/2006/EG, bleiben durch diese Verordnung unberührt. Auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates oder des Personalrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder bleiben unberührt.

Was regelt die Verordnung?

Durch die COVID-19-Arbeitszeitverordnung werden für bestimmte Tätigkeiten bis zum 30.06.2020 Ausnahmen von den Arbeitszeitvorschriften zugelassen in Bezug auf die Höchstarbeitszeiten, die Mindestruhezeiten sowie vom grundsätzlichen Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen. Um auch die besonderen Ausgleichsregelungen während der Geltungsdauer der Verordnung anwenden zu können, soll die Verordnung insgesamt bis zum 31.07.2020 befristet werden. Die Ausnahmen müssen wegen der COVID-19-Epidemie zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern notwendig sein. Konkret werden folgende Ausnahmen zugelassen:

  • Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer kann auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden. Dies gilt nur, soweit die Verlängerung nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch Einstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann. Wie im Arbeitszeitgesetz üblich, muss innerhalb von sechs Monaten ein Ausgleich auf acht Stunden werktäglich (48 Stunden wöchentlich) erfolgen.
  • Die tägliche Ruhezeit darf um bis zu zwei Stunden verkürzt werden, wobei eine Mindestruhezeit von neun Stunden nicht unterschritten werden darf. Jede Verkürzung der Ruhezeit ist innerhalb von vier Wochen auszugleichen. Der Ausgleich ist nach Möglichkeit durch freie Tage zu gewähren, ansonsten durch Verlängerung anderer Ruhezeiten auf jeweils mindestens 13 Stunden.
  • Arbeitnehmer dürfen auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können. Der Ersatzruhetag für Sonntagsbeschäftigung kann innerhalb von acht Wochen gewährt werden, er muss spätestens bis zum Außerkrafttreten der Verordnung am 31.07.2020 gewährt worden sein.
  • Wird von den Abweichungen Gebrauch gemacht, darf die Arbeitszeit 60 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Nur in dringenden Ausnahmefällen darf die Wochenarbeitszeit auch über 60 Stunden hinaus verlängert werden, soweit die Verlängerung nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch Einstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann. Lange Arbeitszeiten, verkürzte Ruhezeiten und die Verschiebung der wöchentlichen Ruhezeit können nach Erkenntnissen der Arbeitswissenschaft negative Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer haben. Der Arbeitgeber hat daher im Rahmen seiner Fürsorgepflicht und entsprechend der Zwecksetzung in § 1 ArbZG bei Nutzung der durch diese Verordnung ermöglichten Abweichungen vom Arbeitszeitschutz stets abzuwägen, ob eine Abweichung unter Berücksichtigung von Sicherheit und Gesundheitsschutz angesichts des außergewöhnlichen Notfalls zu vertreten ist.

Für wen gilt die Verordnung?

Die Ausnahmemöglichkeiten der Verordnung gelten nur für bestimmte in der Verordnung festgelegte Tätigkeiten. Dies sind Tätigkeiten

1. beim Herstellen, Verpacken einschließlich Abfüllen, Kommissionieren, Liefern an Unternehmer, Be- und Entladen und Einräumen von

  • Waren des täglichen Bedarfs, 
  • Arzneimitteln, Medizinprodukten und weiteren apothekenüblichen Waren sowie Hilfsmitteln,
  • Produkten, die zur Eingrenzung, Bekämpfung und Bewältigung der COVID-19-Epidemie eingesetzt werden,
  • Stoffen, Materialien, Behältnissen und Verpackungsmaterialien, die zur Herstellung und zum Transport der in den Buchstaben a) bis c) genannten Waren, Mittel und Produkte erforderlich sind,

2. bei der medizinischen Behandlung sowie bei der Pflege, Betreuung und Versorgung von Personen einschließlich Assistenz- und Hilfstätigkeiten,

3. bei Not- und Rettungsdiensten, der Feuerwehr sowie beim Zivilschutz,

4. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der Funktionsfähigkeit von Gerichten und Behörden,

5. in den Energie- und Wasserversorgungsbetrieben sowie in Abfall- und Abwasserentsorgungsbetrieben,

6. in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung sowie in Einrichtungen zur Behandlung und Pflege von Tieren,

7. zur Sicherstellung von Geld- und Werttransporten sowie bei der Bewachung von Betriebsanlagen,

8. zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Datennetzen und Rechnersystemen,

9. in Apotheken und Sanitätshäusern im Rahmen der zugelassenen Ladenöffnungszeiten und bei erforderlichen Vor- und Nacharbeiten sowie bei Abhol- und Lieferdiensten von Apotheken und Sanitätshäusern.

Verschafft die Verordnung verschafft den Arbeitgebern neue Befugnisse, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten einseitig zu verändern?

Nein, die in Betrieben derzeit geltenden Tarifnormen zur Arbeitszeit, auf deren Grundlage getroffene oder anderweitig existierende Betriebsvereinbarungen und auch die individuellen Arbeitszeitvereinbarungen in Arbeitsverträgen werden durch die neue Verordnung nicht außer Kraft gesetzt – auch nicht zeitweise. Sie bleiben weiterhin vollumfänglich gültig und anwendbar. Das Arbeitszeitgesetz und auf dessen Grundlage erlassene Verordnungen sind öffentlich-rechtliches Gefahrenabwehrrecht. Mit diesen Vorschriften werden den Arbeitsvertragsparteien sowie der Parteien der Kollektivverträge äußerste Schranken der Gestaltung gesetzt. Eine inhaltliche Lockerung bestehender privatrechtlicher Regelungen zur Arbeitszeit (Arbeitsverträge, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen) bewirkt die Verordnung eben nicht.

Dürfen Arbeitgeber einseitig Mehrarbeit anordnen?

Ja, diese Befugnis beschränkt sich jedoch auf zeitlich eng begrenzte Ausnahmesituationen, etwa bei drohenden irreparablen Schäden für den Betrieb. Sie war letztlich bereits vor der Verabschiedung dieser Verordnung Bestandteil des Arbeitszeitgesetzes.

Warum ist die Verordnung nötig geworden, wenn die Länder doch schon Möglichkeiten haben, Ausnahmeregelungen zu treffen?

Die COVID-19-Arbeitszeitverordnung tritt neben andere Vorschriften, die auf Grund der im Arbeitszeitgesetz bestehenden Regelungsbefugnisse der Länder ergangen sind. Dies betrifft aktuell insbesondere im öffentlichen Interesse ergangenen Allgemeinverfügungen der Landesregierungen oder der durch Landesrecht hierzu ermächtigten Behörden (§ 15 Abs. 2 ArbZG).  Bisher haben nicht alle Länder entsprechende Regelungen per Allgemeinverfügung erlassen. Und die bestehenden Allgemeinverfügungen sind in Bezug auf den Regelungsinhalt und die Laufzeit teilweise sehr unterschiedlich. Die Länderregelungen gehen teilweise über die Regelungen der Verordnung hinaus, teilweise sind sie restriktiver. In der Rechtsverordnung wird auch das Verhältnis zu den Regelungen der Länder klargestellt. Es bleibt den Ländern unbenommen, im Rahmen ihrer Regelungsbefugnisse über die Regelungen in der Verordnung hinaus längere Arbeitszeiten zuzulassen oder Regelungen für weitere Tätigkeiten vorzusehen, die in der Verordnung nicht genannt sind. Außerdem dürfen die Länder von Regelungen des Arbeitszeitgesetzes abweichen, die nicht Gegenstand der Verordnung sind.

Warum dürfen die genannten Ausnahmen nur bis zum 30.06.2020 angewendet werden? Und warum tritt die Verordnung erst einen Monat später außer Kraft?

Die auf Grund der Verordnung zugelassenen Ausnahmen zur täglichen Höchstarbeitszeit, zur Mindestruhezeit und zur Sonn- und Feiertagsarbeit dürfen bis zum 30. Juni 2020 angewendet werden. Diese Ausnahmen sollen dazu beitragen, in der aktuellen Situation der COVID-19-Epidemie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge sowie der Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern sicherzustellen. Die Verordnung insgesamt läuft bis zum 31.07.2020. Hierdurch wird sichergestellt, dass der Ausgleich bei verkürzter Ruhezeit sowie bei Sonntagsarbeit innerhalb der Laufzeit der Verordnung erfolgt.

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