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Fehlerhafte Anhörung des Personalrats

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 11.12.2019 (Az. 15 Sa 1496/19) die Kündigung eines Lehrers mit rechtsextremen Tattoos wegen einer fehlerhaften Anhörung des Personalrats für rechtsunwirksam erklärt.

Sachverhalt

Das Land Brandenburg hatte das Arbeitsverhältnis gekündigt, nachdem bekannt geworden war, dass der Lehrer Tattoos mit dem Schriftzug „Meine Ehre heißt Treue“ sowie den Symbolen „Wolfsangel“ und „Schwarze Sonne“ trägt. Es hat die Kündigung u.a. darauf gestützt, der Kläger weise eine rechtsextreme Gesinnung auf und sei deshalb für den Schuldienst nicht geeignet.

Entscheidungsgründe

Das Landesarbeitsgericht hat eine fehlende Eignung des Klägers als Kündigungsgrund nicht überprüft, weil das beklagte Land diesen Kündigungsgrund dem Personalrat vor Ausspruch der Kündigung nicht mitgeteilt hatte. Im Kündigungsschutzprozess können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur diejenigen Kündigungsgründe verwertet werden, die dem Personalrat (oder Betriebsrat) zuvor mitgeteilt worden waren; hieran fehlte es im vorliegenden Fall.

Dass der Kläger seine Tattoos öffentlich gezeigt hatte, war dem Personalrat zwar mitgeteilt worden, trug die Kündigung jedoch nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht. Das beklagte Land hätte insoweit als milderes Mittel zuvor eine Abmahnung aussprechen müssen; dies war nicht geschehen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit der Kläger seine tatsächliche Beschäftigung durchsetzen wollte. Dieser Beschäftigungsanspruch bestehe nicht, weil das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal gekündigt worden ist; der diesbezügliche Kündigungsschutzprozess ist noch nicht abgeschlossen.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung verdeutlicht, dass Arbeitgeber bei der kündigungsbedingten Anhörung von Arbeitnehmervertretungen mit einiger Genauigkeit vorgehen müssen. Das Gericht hat vorliegend eine trennscharfe Unterscheidung vorgenommen: Berücksichtigt wurde allein der Umstand, dass der Kläger rechtsextreme Tattoos öffentlich gezeigt hatte. Die – wenngleich naheliegende – Schlussfolgerung, dass der Kläger sich aufgrund rechtsextremer Gesinnung nicht für den Schuldienst eignet, durfte mangels ausdrücklicher Mitteilung nicht berücksichtigt werden. Schließlich hatte sich der Personalrat mit diesem konkreten Kündigungsgrund nicht explizit befassen können.

Versäumt der Arbeitgeber die Mitteilung eines Kündigungsgrundes im Anhörungsverfahren, ist ein „Nachschieben“ von Gründen vor Gericht grundsätzlich nur möglich, wenn der Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung bereits vorlag und dem Arbeitgeber erst nachträglich bekannt geworden ist. Die Arbeitnehmervertretung ist in diesem Fall zu dem nachgeschobenen Kündigungsgrund erneut anzuhören. Der Arbeitgeber kann zudem stets eine erneute Kündigung aussprechen, wobei dann u.U. die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sowie eine ggf. später in Gang gesetzte Kündigungsfrist zu beachten sind.

Für den Bereich des öffentlichen Diensts ist anerkannt, dass begründete Zweifel an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers eine personenbedingte Kündigung grundsätzlich rechtfertigen können. In einem ähnlich gelagerten Fall hatte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 17.11.2017 (Az. 2 C 25.17) entschieden, dass ein Polizeikommissar u.a. aufgrund rechtsextremer Tätowierungen und Zeigen des „Hitlergrußes“ aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden durfte. Die im hiesigen Fall ausgesprochene weitere Kündigung des Lehrers dürfte damit durchaus Chancen haben, bei sonstiger Beachtung der formalen Anforderungen „im zweiten Anlauf“ gerichtlich bestätigt zu werden.

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