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Entschädigung nach dem AGG

Das Arbeitsgericht Karlsruhe hat in seinem Urteil vom 18.09.2020 (Az. 1 Ca 171/19) entschieden, dass die Aufforderung in einer Stellenanzeige, die Konfession anzugeben, ein ausreichendes Indiz für eine ungleiche Behandlung wegen der Religion gemäß § 22 AGG darstellt.

Sachverhalt

Die geschäftsleitende Oberkirchenrätin der evangelischen Landeskirche in Baden ließ im Januar 2019 für ihr Büro eine Sekretariatsstelle ausschreiben. Laut Stellenanzeige gehörten zu den Sekretariatsaufgaben u.a. die Vorbereitung von Tagungen, die Erledigung von Büroarbeiten und die Bearbeitung von Anfragen und Terminangelegenheiten. Bewerber sollten über eine kaufmännische Ausbildung verfügen, mit MS-Office-Produkten umgehen und sich mit dem Ziel und den Aufgaben der Landeskirche identifizieren können. Die Bewerbungsunterlagen sollten unter Angabe der Konfession bei der Personalverwaltung eingereicht werden. Die Klägerin, ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte und Rechtsfachwirtin in ungekündigter Anstellung, bewarb sich mit Schreiben vom 26.01.2019 auf die Stelle. In ihrem Bewerbungsschreiben gab Sie an, konfessionslos zu sein. Auf Einladung der Beklagten wurde am 21.02.2019 ein Vorstellungsgespräch mit einem praktischen Aufgabenteil und einem anschließenden Interview durchgeführt. Jedoch bekam die Klägerin die Stelle nicht und fühlte sich wegen ihrer Konfessionslosigkeit diskriminiert. Die Beklagte entgegnete, die Religionszugehörigkeit sei nicht Voraussetzung für die Stelle. Sie gab ferner an, die Auswahl ausschließlich nach dem Prinzip der Bestenauslese getroffen zu haben.

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht Karlsruhe folgte dieser Argumentation nicht. Es sprach der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von EUR 5.037,00 zu. Dies entspricht dem 1,5-fachen Bruttomonatsgehalt für die zu besetzende Sekretariatsstelle. Die Klägerin, so das Gericht, sei nach den Vorgaben des AGG wegen der Religion zu Unrecht benachteiligt worden. Gemäß der Stellenausschreibung seien die Bewerber aufgefordert worden, ihre Unterlagen unter Angabe der Konfession einzureichen. Damit habe die Beklagte zwar nicht unmittelbar zum Ausdruck gebracht, dass die Religionszugehörigkeit eine zwingende Voraussetzung für die Besetzung der Stelle sei. Allerdings habe sie damit zumindest mittelbar die Frage nach der Konfession gestellt und den Bewerbern gegenüber signalisiert, dass diese Information bei der Auswahlentscheidung eine Rolle spielen könne. Die in der Stellenanzeige verlangte Diskretion und Loyalität könne jedoch auch von konfessionslosen Bewerbern erbracht werden. Der kirchliche Arbeitgeber habe nicht ausreichend dargelegt, warum von einer konfessionslosen Sekretariatsmitarbeiterin die Gefahr ausgehe, dass die Glaubwürdigkeit und das Ethos der Kirche beeinträchtigt werden. Zwar könne sich die Beklagte auf ihr im Grundgesetz verbrieftes Selbstbestimmungsrecht berufen und in Arbeitsverträgen das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft zu Grunde legen. Das Selbstbestimmungsrecht rechtfertige jedoch für sich allein – d.h. unabhängig von der ausgeübten Tätigkeit und dem Umstand der Erbringung der Tätigkeit – keine Benachteiligung. Ausgehend hiervon sei die verpflichtende Angabe der Konfessionszugehörigkeit als Indiz für eine Diskriminierung zu werten, das die Beklagte nicht habe entkräften können.

Hinweise für die Praxis

Nach § 22 AGG trägt der ausschreibende Arbeitgeber bei einer vermuteten Diskriminierung von Bewerbern die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Für das Gericht war bereits die Frage nach der Konfessionszugehörigkeit im Vorstellungsgespräch – wie auch in der Stelleanzeige – ein zwingendes Indiz für eine Diskriminierung. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche für sich allein, also unabhängig von der von der Bewerberin angestrebten Position, rechtfertigt eine Benachteiligung nach § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG nicht – eine Einschätzung, die auch das BAG in vorausgegangenen Entscheidungen geteilt hat. Hierin liegt eine erhebliche Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der Kirche. Die Religionszugehörigkeit darf nur dann ein Einstellungskriterium sein, wenn diese eine berechtigte Anforderung für die jeweilige Position darstellt.

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