arnt goeppert m a 1.jpg

Ein zu weit gefasstes nachvertragliches Wettbewerbsverbot für Geschäftsführer kann unwirksam sein

Die Anforderungen an die Wirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für Geschäftsführer sind nach einer aktuellen Entscheidung des 7. Senats des OLG München erheblich verschärft. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind sittenwidrig und damit insgesamt nichtig, wenn sie zu weit gefasst sind und nicht mehr die berechtigten Interessen der Gesellschaft widerspiegeln. Diese Rechtsprechung betrifft insbesondere pauschale Verbote von Tätigkeiten für Wettbewerbsunternehmen.

Zum Sachverhalt der Entscheidung

Der Kläger war Geschäftsführer der Beklagten. Sein Geschäftsführerdienstvertrag enthielt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, welches ihm jegliche Tätigkeit für Konkurrenzunternehmen untersagte. Nach Beendigung seiner Tätigkeit wollte der Kläger dennoch als Geschäftsführer bei einem Konkurrenten tätig werden. Er beantragte eine einstweilige Verfügung, welche ihm diese Konkurrenztätigkeit erlauben sollte. Das LG München sprach ihm diese Erlaubnis vorläufig zu. Der 7. Senat des OLG München erließ im Rahmen des Berufungsverfahrens einen Hinweisbeschluss, in welchem er seine Rechtsansicht darlegte.

Der Hinweisbeschluss des OLG München (Beschluss vom 02.08.2018 – 7 U 2107/18)

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote grundsätzlich zulässig sind. Die äußere Grenze dieser Zulässigkeit bildet die Sittenwidrigkeit. Diese ist nach Ansicht des BGH erreicht, wenn das Wettbewerbsverbot nicht den berechtigten Interessen der Gesellschaft dient und die wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nach Zeit, Ort und Gegenstand unbillig erschwert (zuletzt: BGH v. 07.07.2008, Az. II ZR 81/07).

Diese Maßgabe legt das OLG München dahingehend aus, dass jedes inhaltlich zu weit gefasste Wettbewerbsverbot nichtig sei. In diesem Zusammenhang sei auf den Wortlaut der Vereinbarung abzustellen. Überschreite der Wortlaut die Grenze des Zulässigen, sei das Wettbewerbsverbot ohne weiteres sittenwidrig. Die Höhe der vereinbarten Karenzentschädigung sei in diesem Zusammenhang irrelevant.

Dadurch entsteht eine erhebliche Umgehungsgefahr: Geschäftsführer könnten in Zukunft pro forma untergeordnet bei einem Konkurrenzunternehmen angestellt werden, faktisch aber dennoch Insiderwissen weitergeben.

Diese Umgehungsgefahr ist nach Ansicht des OLG München allerdings hinzunehmen: Die Berufsfreiheit des Geschäftsführers nach Art. 12 Abs. 1 GG überwiege das Interesse der Gesellschaft an einer Verhinderung von Umgehungstatbeständen. Zudem sei die Gesellschaft auch durch das Strafrecht, insbesondere § 85 GmbHG (Verletzung der Geheimhaltungspflicht), geschützt.

Jedes Wettbewerbsverbot muss nach dieser Ansicht inhaltlich auf das erforderliche Maß beschränkt werden.

Ist es überschießend formuliert, ist dem Geschäftsführer hingegen sogar die Geschäftstätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen gestattet: Überschießende Wettbewerbsverbote sind nach Ansicht der Rechtsprechung gesamtnichtig, eine teilweise Aufrechterhaltung kommt nur in zeitlicher Hinsicht, nicht aber in inhaltlicher Hinsicht in Betracht.

Darüber hinaus folgt die Gesamtnichtigkeit des Wettbewerbsverbots aber auch aus der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.

In der Praxis stellen Wettbewerbsverbote häufig allgemeine Geschäftsbedingungen dar, wenn sie etwa als Musterklausel mehrfach verwendet werden oder werden sollen. Diese AGB-Eigenschaft entfällt nur dann, wenn die Klausel nachweisbar individuell ausgehandelt worden ist. Die individuelle Verhandlung einzelner Regelungen des Geschäftsführerdienstvertrages – nicht aber der Klausel zum Wettbewerbsverbot selbst – genügt dafür noch nicht. Wenn insoweit der Maßstab der AGB-Inhaltskontrolle eröffnet ist, kann auch eine salvatorische Klausel eine teilweise Aufrechterhaltung des Wettbewerbsverbots nicht bewirken: Die salvatorische Klausel wäre ihrerseits unwirksam.

Eine teilweise Aufrechterhaltung käme nur in Betracht,

1.    wenn das Wettbewerbsverbot selbst individuell ausgehandelt wurde oder
2.    Teile der Klausel auch ohne den überschießenden Teil des Wettbewerbsverbots sprachlich und inhaltlich schlüssig bleiben (sog. „blue-pencil-test“).

Anmerkung

Die Rechtsansicht des OLG München überzeugt inhaltlich nicht, wird aber erhebliche Auswirkungen auf die Vertragspraxis haben.

Inhaltlich übergeht die Rechtsansicht des OLG München die berechtigten Interessen einer Gesellschaft und belegt umfassende Wettbewerbsverbote mit dem pauschalen Vorwurf der objektiven Sittenwidrigkeit. Die wirtschaftlichen Parameter eines Wettbewerbsverbots – die auch die Interessen des Geschäftsführers schützen und widerspiegeln – bleiben dabei ebenso wie die subjektiven Zielsetzungen der Parteien außer Ansatz.

Dies wird dem Sinn des § 138 BGB, der sittenwidrige Verträge verbietet, nicht gerecht. Denn er soll nur solche Vertragsschlüsse verbieten, die insgesamt mit dem Gerechtigkeitsgefühl unvereinbar sind. Deshalb ist stets auch eine Gesamtbetrachtung entsprechender Vereinbarungen erforderlich. Im Ergebnis verbietet die Ansicht des OLG München den beteiligten Parteien aber, eine individuelle und insgesamt sachgerechte Lösung auszuhandeln – und insbesondere eine höhere Reichweite eines Wettbewerbsverbots durch eine höhere Karenzentschädigung zu kompensieren.

Angesichts der drohenden Sanktion – der Nichtigkeit des gesamten Wettbewerbsverbots – muss die Rechtsansicht des OLG München jedoch in der Vertragspraxis berücksichtigt werden. Es ist ratsam den Umfang von Wettbewerbsverboten sowie die Höhe der Karenzentschädigung in Zukunft nachweisbar zu verhandeln und fachgerecht mit Blick auf den „blue-pencil-test“ zu formulieren. Zudem muss damit gerechnet werden, bei Verstößen eines Geschäftsführers gegen das Wettbewerbsverbot zukünftig auch zum Inhalt seiner Tätigkeit bei Konkurrenzunternehmen vortragen zu müssen. Daher sollten neben einer Konkretisierung der nicht gestatteten Tätigkeiten auch Nebenabreden – wie zum Beispiel eine Beweislastumkehr oder Auskunftspflichten – vereinbart werden, die einen solchen Vortrag entbehrlich machen oder erst ermöglichen.

Autoren: Rechtsanwalt Arnt Göppert, LL.M. (McGill), wissenschaftlicher Mitarbeiter Julian Zaudig

Kontakt > mehr