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Unterlassungsklage wegen Verletzung der Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs

Wurden die Mitgliedschaftsrechte eines Aktionärs durch Handlungen des Vorstands oder Aufsichtsrats verletzt, kann der Aktionär auf Unterlassung der Verletzung klagen. Eine solche Klage hat der Aktionär jedoch „ohne unangemessene Verzögerung“ zu erheben. Ansonsten kann diese bereits allein aufgrund der verspäteten Einreichung abgelehnt werden.

Hintergrund

Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft (AG). Der Kläger ist Aktionär der beklagten AG. Die Hauptversammlung ermächtigte den Vorstand der AG per Beschluss dazu, Wandelschuldverschreibungen mit Zustimmung des Aufsichtsrats auszugeben. Nach dem Beschluss war der Wandlungspreis zugunsten der neuen Anleger zu reduzieren, wenn die AG, unter Einräumung eines ausschließlichen Bezugsrechts an ihre Aktionäre, das Grundkapital erhöht (sog. Verwässerungsschutz). Im Dezember 2013 erfolgte die vollständige Platzierung der Wandelschuldverschreibungen und die dazugehörigen Anleihebedingungen wurden auf der Homepage der AG veröffentlicht. Diese Bedingungen sahen – entgegen dem Beschluss der Hauptversammlung – vor, dass der Verwässerungsschutz auch dann greife, wenn eine Kapitalerhöhung ohne Bezugsrecht für die Aktionäre erfolge.

Im Oktober 2014 nahm die Beklagte eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer Aktien unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre vor. Die Beklagte informierte die Aktionäre darüber und veröffentlichte im November 2014, dass sich der Wandlungspreis aufgrund der Ausgabe neuer Aktien reduziert habe. Daraufhin erhob der Kläger Ende März 2015 Klage und beantragte, es zu unterlassen, neue Aktien zu einem reduzierten Preis an die Anleihegläubiger zu begeben.

Das Urteil des BGH vom 7. Mai 2019, Az. II ZR 278/16

Der BGH wies die Klage – wie bereits die Vorinstanzen – ab. Denn der Unterlassungsanspruch sei nicht gegeben, weil der Kläger mit der Einreichung der Klage zu lange gewartet habe. Die Rücksichtnahmepflicht der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft führe dazu, dass ein Aktionär die Verletzung seiner Mitgliedschaftsrechte ohne unangemessene Verzögerung geltend zu machen habe. Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit sei auf die Kenntnis des Aktionärs von dem pflichtwidrigen Verhalten abzustellen. Vorliegend wusste der Kläger bereits seit Dezember 2013, dass in den Anleihebedingungen ein weitreichenderer Verwässerungsschutz enthalten war als von der Hauptversammlung genehmigt wurde. Spätestens mit der Veröffentlichung des reduzierten Wandlungspreises im November 2014, wusste der Kläger, dass dieser Verwässerungsschutz auch tatsächlich umgesetzt und seine Aktionärsrechte dadurch verletzt werden. Damit hätte der Kläger spätestens im November 2014 Klage erheben müssen.

Anmerkung

Für Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit von Aufsichtsrats- oder Vorstandsbeschlüssen hatte der BGH bereits im letzten Jahr entschieden (BGH, 10.07.2018 - II ZR 120/16), dass eine Klageerhebung „ohne unangemessene Verzögerung“ zu erfolgen habe. Diese Rechtsprechung hat der BGH nun auch auf Unterlassungsklagen ausgeweitet. Denn gerade hier besteht die Möglichkeit, dass durch die Klage angestrebte Veränderungen in der Gesellschaft blockiert werden.

Aktiengesellschaften sollten daher darauf achten, dass Aufsichtsrats- oder Vorstandsbeschlüsse möglichst frühzeitig veröffentlicht werden. Wird dies versäumt, beginnt die Frist zur Klageerhebung für Aktionäre nicht und für die AG kann keine Rechtssicherheit eintreten.

Für Aktionäre hingegen bedeutet die BGH-Rechtsprechung, dass sie Mitteilungen ihrer Aktiengesellschaft unverzüglich prüfen sollten und nach Kenntnis von einer Verletzung ihrer Mitgliedschaftsrechte wie Dividendenanspruch, Bezugsrechte, Mitwirkungsrechte, Recht auf Gleichbehandlung usw., schnell handeln müssen. Ansonsten verlieren Aktionäre insoweit ihre Rechte und können nur noch Schadensersatz verlangen. Dass ein Schaden jedoch häufig schwer berechenbar ist, zeigt das Urteil des BGHs ebenso. Denn dieser hat den gleichzeitig geltend gemachten Schadensersatzanspruch abgelehnt.

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