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Kein EU-Designschutz gegenüber Ersatzteilen

Auf nationaler Ebene wird weiterhin heftig darüber diskutiert wird, ob für Ersatzteile Ausnahmen vom Designschutz geschaffen werden sollen. Befürworter erhoffen sich durch eine solche „Reparaturklausel“ insbesondere auf dem Markt für Kfz-Ersatzteile deutlich niedrigere Preise. Auf Unionsebene gibt es eine entsprechende Vorschrift schon seit längerem. Zu dieser hat der Bundesgerichtshof nun in einer aktuellen Entscheidung bislang noch offene und für die praktische Anwendung höchst relevante Grundsatzfragen beantwortet.

Hintergrund

Nicht nur gebrauchsfertige Erzeugnisse sind dem Designschutz zugänglich. Auch Teile von Erzeugnissen, wie eine Tischplatte oder der Kühlergrill eines Autos, können selbständig als Design geschützt werden, wenn sie die Voraussetzungen der „Neuheit“ und „Eigenart“ erfüllen. Dies gilt jedenfalls für solche Teile, die bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Gesamterzeugnisses sichtbar bleiben und deren Abmessungen und Form nicht vollständig durch die technische Funktion des Gesamterzeugnisses vorgegeben sind.

In Branchen, in denen ein erheblicher Umsatz mit Ersatzteilen erzielt wird, insbesondere im Kfz-Ersatzteilhandel, kontrollieren die Originalhersteller durch umfassende Design-Portfolios auch den Markt für Ersatzteile. Auf Unionsebene wurde deshalb schon 2001 mit dem Ziel der Stärkung des Wettbewerbs eine Ausnahmeregelung für Ersatzteile, die sog. „Reparaturklausel“, geschaffen. Nach Art. 110 Abs. 1 der Verordnung über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV) kann einem Ersatzteil, das bei der Reparatur eines komplexen Erzeugnisses verwendet wird, kein EU-Design entgegengehalten werden. Designschutz der Originalhersteller gegenüber Ersatzteilen wird also weitgehend ausgeschlossen.

Entscheidung des BGH vom 26. Juli 2018

Parteien des Rechtsstreites sind ein bekannter deutscher Autohersteller und ein italienischer Produzent von Autofelgen. Die Beklagte bot auf ihrer Internetseite Felgen an, die denen der Klägerin nachgebildet waren und für die die Klägerin über ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster verfügte. Auf den beanstandeten Felgen hatte die Beklagte ihre eigene Marke sowie den Hinweis „not O.E.M.“ (nicht vom Originalhersteller stammend) angebracht.

Es war bislang umstritten, ob auch Ersatzteile wie Felgen, deren Gestaltung für eine technisch einwandfreie Reparatur nicht zwingend erforderlich sind, sondern nur zur Wiederherstellung des ursprünglichen optischen Erscheinungsbildes dienen, überhaupt unter die Reparaturklausel fallen können. Der BGH stellt nun klar, dass es keine Unterteilung in privilegierte und nicht-privilegierte Ersatzteile gibt. Zuvor wurde überwiegend die Auffassung vertreten, dass vom Gesamterzeugnis unabhängige Ersatzteile nicht der Ausnahmevorschrift unterfielen. Insoweit wird der Anwendungsbereich der Reparaturklausel deutlich ausgeweitet. Allerdings stellt der BGH auch klar, dass das Ersatzteil vollständig dem zu ersetzenden Original entsprechen muss. Dies war bei einigen der beanstandeten Felgen nicht der Fall, da die Beklagte die Felgen auch in anderen Farben und Größen angeboten hatte, sodass der Klage insoweit schon aus diesem Grund stattgegeben wurde.

Bei den Felgen, die den Originalprodukten optisch vollständig entsprachen, sah der BGH die Voraussetzungen von Art. 110 Abs. 1 GGV letztlich aber ebenfalls nicht als erfüllt an. Die Beklagte hätte ihre Abnehmer ausdrücklich darauf aufmerksam machen müssen, dass es sich bei ihren Felgen um die Nachahmung eines geschützten Geschmacksmusters handele (i), dessen Inhaber sie nicht sei (ii) und dass die Felgen ausschließlich zur Reparatur eines Autos verwendet werden dürfen (iii) und zwar nur, um diesem wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu verleihen (iv). Der Hinweis, dass es sich nicht um ein Produkt des Originalherstellers handelt („not O.E.M.“), war demnach nicht ausreichend, da zahlreiche der vom BGH geforderten Hinweise fehlten. Zudem hätte die Beklagte die Hinweise gegenüber deutschen Kunden auf Deutsch geben müssen, was ebenfalls nicht der Fall war.

Weiterhin hätte die Beklagte nach Ansicht des BGH aktiv dafür sorgen müssen, dass die von ihr vertriebenen Felgen von ihren Abnehmern ausschließlich für Autoreparaturen verwendet und insbesondere nicht frei an Endkunden verkauft werden. Als taugliches Mittel hierfür wurden entsprechende Vertragsklauseln genannt.

Anmerkung

Das Urteil bringt in mehrerer Hinsicht Klarheit. Die Anbieter von Ersatzteilen können sich unabhängig von der Art des Ersatzteils auf Art. 110 GGV berufen. Dies weitet den Anwendungsbereich der Vorschrift gegenüber der bislang hierzu vertretenen Auffassung deutlich aus, sodass die Bedeutung der Reparaturklausel zunehmen dürfte.

Die Hersteller von nicht-originalen Ersatzteilen müssen ihre Kunden allerdings sehr deutlich auf die Einhaltung der Voraussetzungen von Art. 110 Abs. 1 GGV hinweisen. Die Privilegierung gilt nur für „echte“ Ersatzteile zu Reparaturzwecken, ein Missbrauch soll möglichst unterbunden werden. Hierbei müssen die Hersteller aktiv, etwa durch die Verwendung entsprechender Vertragsklauseln gegenüber ihren Kunden, mitwirken und dürfen bei Verdachtsmomenten nicht untätig bleiben.

Weiterhin können sich Hersteller von Originalteilen gegen die Reparaturklausel auf Unionsebene durch nationale Parallelanmeldungen ihrer Designs schützen. Wie eingangs erwähnt, gibt es beispielsweise in Deutschland eine der Reparaturklausel für Gemeinschaftsgeschmacksmuster vergleichbare Vorschrift bislang (noch) nicht, sodass Inhaber nationaler deutscher Designs weiterhin uneingeschränkt gegen nachgeahmte Ersatzteile vorgehen können.

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