sven koehnen handelsrecht 2.jpgnadja schmidt vertriebsrecht.jpg

Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit

Das BAG hat mit Urteil vom 26.09.2018 (7 AZR 829/16) entschieden, dass nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts hat. Dieser Freizeitausgleichsanspruch besteht in dem zeitlichen Umfang, in dem das Betriebsratsmitglied außerhalb der Arbeitszeit Betriebsratstätigkeiten wahrgenommen hat.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über eine Zeitgutschrift.

Der Kläger ist bei dem beklagten Arbeitgeber als Rettungssanitäter beschäftigt und nicht freigestelltes Mitglied des Betriebsrats. Er arbeitet in Arbeitsschichten von zwölf Stunden täglich.

In den Jahren 2014 und 2015 nahm der Kläger an 16 jeweils achtstündigen Betriebsratssitzungen außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit teil. Für diese Teilnahme gewährte der Beklagte dem Kläger jeweils eine Zeitgutschrift von acht Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto. So verfährt der Beklagte auch bei anderen Betriebsratsmitgliedern.

Findet eine achtstündige Betriebsratssitzung während der persönlichen Arbeitszeit eines Betriebsratsmitglieds statt, wird dieses vom Beklagten an dem betreffenden Tag nicht zur weiteren Arbeitsleistung herangezogen, auch wenn das Betriebsratsmitglied in einer zwölfstündigen Schicht arbeitet, da ein sinnvoller Einsatz für die restliche Zeit – etwa in Teilschichten – nicht möglich ist.

Mit seiner Klage hat der Kläger für die genannten 16 Tage, an denen er in den Jahren 2014 und 2015 an Betriebsratssitzungen außerhalb seiner Arbeitszeit teilnahm, eine zusätzliche Zeitgutschrift von jeweils vier Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto, insgesamt also von weiteren 64 Stunden, geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, dass die nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geschuldete „entsprechende Arbeitsbefreiung“ nicht erfordere, dass die Betriebsratstätigkeit ihrem zeitlichen Umfang nach deckungsgleich mit dem Freizeitausgleich sei. Geboten sei eine „qualitative“ Betrachtungsweise, wobei zu berücksichtigen sei, dass seine regelmäßige arbeitstägliche Arbeitszeit inklusive Arbeitsbereitschaft zwölf Stunden betrage.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des BAG habe der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Zeitgutschrift.

a) Der Kläger könne seinen Anspruch nicht auf § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG stützen.

Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG habe ein Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Mitglieder des Betriebsrats erhalten danach weder eine Amtsvergütung noch ist die Betriebsratstätigkeit eine zu vergütende Arbeitsleistung. Vielmehr gelte das Lohnausfallprinzip. Dieses werde durch § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht durchbrochen. Der Freizeitausgleich für die außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit betreffe lediglich die Folgen einer aus betriebsbedingten Gründen notwendigen Abweichung von dem Grundsatz, dass Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit stattzufinden habe.

Der Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts wegen außerhalb der persönlichen Arbeitszeit erbrachter Betriebsratstätigkeit bestehe nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in dem zeitlichen Umfang, in dem das Betriebsratsmitglied außerhalb der Arbeitszeit Betriebsratstätigkeiten wahrgenommen hat.

Aufgrund dieser zeitgenauen Betrachtungsweise haben der Freizeitausgleich und die Betriebsratstätigkeit einander daher zu entsprechen. Da die Vorschrift einen Ausgleich in zeitlicher Hinsicht regelt, müsse die Dauer der Arbeitsbefreiung der Dauer der Betriebsratstätigkeit entsprechen. Der Freizeitausgleichsanspruch bestehe der Höhe nach unabhängig von der Dauer der üblichen Arbeitszeit und deren vergütungsmäßiger Betrachtung.

b) Der Anspruch könne auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt werden.

Der Kläger befinde sich nicht in einer vergleichbaren Lage mit Betriebsratsmitglieder, denen vom Beklagten für während ihrer Arbeitszeit wahrgenommene achtstündige Betriebsratssitzungen zwölf Stunden auf das Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden, ohne dass sie für die restlichen vier Stunden zur Arbeitsleistung herangezogen werden. Der Beklagte sei wegen Annahmeverzugs nach § 611 Abs. 1 BGB (seit 1. April 2017: § 611a Abs. 2 BGB) iVm. §§ 615, 293 ff. BGB verpflichtet, diesen Betriebsratsmitgliedern die zusätzlichen vier Stunden im Wege der Zeitgutschrift zu vergüten.

Hinweise für die Praxis

Das BAG bestätigt mit seinem Urteil vom 26.09.2018 seine bisherige Rechtsprechung und führt diese fort. Es ist konsequent, dass die Dauer der Arbeitsbefreiung der Dauer der Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit zu entsprechen hat. Denn mit dem aus § 37 Abs. 1 BetrVG folgenden Ehrenamtsprinzip wäre es nicht vereinbar, wenn ein Betriebsratsmitglied durch Betriebsratstätigkeit zusätzliche Vergütungsansprüche erwerben könnte. Dies wäre jedoch der Fall, wenn ein Betriebsratsmitglied für Zeiten, die es außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit für Betriebsratstätigkeit aufwendet, einen Freizeitausgleichsanspruch erwerben würde, der über das Ausmaß der tatsächlich für Betriebsratstätigkeit aufgewendeten Zeit hinausginge.

Kontakt > mehr