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Primärzuständigkeit der Einigungsstelle bei Streitigkeiten über die Art und Weise der Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses

Bei Meinungsverschiedenheiten über die Informations- und Auskunftsrechte des Wirtschaftsausschusses entscheidet die Einigungsstelle. Nunmehr hat das BAG mit Beschluss vom 12.02.2019 (1 ABR 37/17) entschieden, dass die Einigungsstelle auch bei Fragen über die konkreten Modalitäten der Auskunftserteilung des Unternehmers gegenüber dem Wirtschaftsausschuss – hier: Unterrichtung in elektronischer Form – anzurufen ist.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Modalitäten der Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses.

Die Arbeitgeberin übermittelte dem Wirtschaftsausschuss vor dessen Sitzungen verschiedene Berichte zu aktuellen Geschäftszahlen. Diese wurden dem Sprecher des Wirtschaftsausschusses in Form einer passwortgeschützten Excel-Datei und den Wirtschaftsausschussmitgliedern als ausgedrucktes Dokument (Hardcopy) zur Verfügung gestellt. Weitere Unterlagen – Joiner-Leaver-Report, Quick-Sales-Report, GEMA-Report, Beschwerde-Report – erhielten alle Wirtschaftsausschussmitglieder als Ausdruck. Die umfangreichen sog. Kostenstellenberichte wurden in der Wirtschaftsausschusssitzung auf drei nach dem Sitzungsende wieder zurückzugebenden Laptops als nicht bearbeitungsfähige Excel-Dateien zur Einsichtnahme vorgehalten.
Der Gesamtbetriebsrat meinte, diese Verfahrensweise genüge nicht der Unterrichtungspflicht der Arbeitgeberin gegenüber dem Wirtschaftsausschuss. Die Reports und die Kostenstellenberichte seien allen Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses auf elektronischem Weg jeweils als bearbeitungsfähige Excel-Datei zu übermitteln. Das habe drei Werktage vor den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses zu erfolgen. Nur so könne mit der Arbeitgeberin über die wirtschaftlichen Angelegenheiten angemessen beraten werden.

Der Gesamtbetriebsrat blieb erst- und zweitinstanzlich mit seinen Anträgen erfolglos. Das BAG hat die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des BAG steht der Zulässigkeit der Anträge die gesetzlich normierte Primärzuständigkeit der Einigungsstelle nach § 109 BetrVG entgegen.

1. Die Vorschrift des § 109 BetrVG regele zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten über ein Auskunftsverlangen des Wirtschaftsausschusses ein besonderes Konfliktlösungsverfahren. Danach entscheide, wenn eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens iSd. § 106 BetrVG entgegen dem Verlangen des Wirtschaftsausschusses nicht, nicht rechtzeitig oder nur ungenügend erteilt wird und hierüber zwischen Unternehmer und Betriebsrat keine Einigung zustande kommt, die Einigungsstelle. Das Verfahren des § 109 BetrVG sei vorgesehen für Auseinandersetzungen über den konkreten Umfang der Unterrichtungspflicht des Unternehmers nach § 106 Abs. 2 BetrVG unter Vorlage erforderlicher Unterlagen.

2. Diese besondere Zuständigkeit der Einigungsstelle verpflichte, vor Anrufung der Arbeitsgerichte deren Entscheidung herbeizuführen. Ein im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren angebrachtes Begehren, das der Primärzuständigkeit der Einigungsstelle unterfällt, sei nur dann zulässig, wenn zuvor das in § 109 BetrVG vorgesehene Konfliktlösungsverfahren durchgeführt worden ist.

3. Das Konfliktlösungsverfahren des § 109 Satz 1 BetrVG beziehe sich auch auf Streitigkeiten über die Art und Weise der Erteilung von Auskünften. Denn Sinn des Einigungsstellenverfahrens sei es, eine der „internsten Angelegenheiten der Unternehmensleitung“ zunächst einer unternehmensinternen Regelung zuzuführen. Die Form der Vorlage von Unterlagen als Papierausdruck oder als elektronische Datei sei regelmäßig nicht nur vom Umfang der Auskunftserteilung abhängig, sondern auch von deren Inhalten. Das könne bei einfachen Datensätzen anders zu beurteilen sein als bei umfangreichen Dokumenten. Vor allem aber können - inhaltsabhängig - diverse unternehmensspezifische Belange zu beachten sein, etwa ein Interesse an Blatt- und Kopierschutz bei elektronischen Dateien. Gerade derartige inhaltskontextuelle Fragen sollen aber nach § 109 BetrVG einer unternehmensinternen Lösung zugeführt werden.

Hinweise für die Praxis

Die Vorschrift des § 109 BetrVG enthält einen Streitschlichtungsmechanismus, wenn es um die Frage geht, ob dem Wirtschaftsausschuss eine Auskunft nicht, nicht rechtzeitig oder unvollständig erteilt worden ist. Soweit das BAG nunmehr entschieden hat, dass hierunter auch die konkreten Modalitäten der Unterrichtungs- und Vorlagepflicht des Unternehmers gehören, so ist dies überzeugend. Denn Sinn und Zweck der Vorschrift des § 109 BetrVG ist es, die internen Angelegenheiten des Unternehmens nicht öffentlich in einem Gerichtsverfahren auszutragen, sondern zunächst eine unternehmensinterne Regelung zu finden. Dabei eröffnet das Einigungsstellenverfahren die Möglichkeit einer raschen und zügigen Einigung auf betrieblicher Ebene.

Wenn der Unternehmer eine Auskunft unter Berufung auf ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis verweigert, gilt ebenfalls das Verfahren nach § 109 BetrVG (BAG, Beschluss vom 11.07.2000 – 1 ABR 43/99). Dabei muss der Unternehmer das streitige Geschäftsgeheimnis nicht zwingend offenlegen, womit sich ein Berufen auf ein Geschäftsgeheimnis erübrigen würde, sondern es reicht die Glaubhaftmachung, dass der Unternehmer die Auskunft wegen der Gefährdung von Geschäftsgeheimnissen verweigern muss.

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