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Freistellung von Mitgliedern eines Gesamtbetriebsrats

Das BAG hat mit Beschluss vom 26.09.2018 (7 ABR 77/16) entschieden, dass der Gesamtbetriebsrat einen Anspruch auf eine generelle (Teil-)Freistellung nicht auf § 38 I BetrVG stützen kann. Dem Gesamtbetriebsrat steht jedoch ein Anspruch auf eine generelle (Teil-)Freistellung eines oder mehrerer seiner Mitglieder nach § 51 I iVm § 37 II BetrVG zu, wenn er die Freistellung für die ordnungsgemäße Durchführung seiner Aufgaben für erforderlich halten darf.

Der Gesamtbetriebsrat trifft seine Auswahlentscheidung über die freizustellenden Mitglieder nach § 51 III 1 BetrVG durch Mehrheitsbeschluss. Das gilt auch dann, wenn mehr als ein Wahlvorschlag vorliegt.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Auswahlentscheidung über die vollständige Freistellung von Gesamtbetriebsratsmitgliedern von der Arbeitsleistung nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vorzunehmen ist, wenn mehr als ein Wahlvorschlag vorliegt.

Zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Arbeitgeberin besteht Einvernehmen darüber, dass aufgrund der umfangreichen Aufgaben des Gesamtbetriebsrats und der Unternehmensgröße die Freistellung von vier Mitgliedern des Gesamtbetriebsrats von der Arbeitsleistung erforderlich ist. Für die Auswahlentscheidung über die freizustellenden Mitglieder waren zwei Vorschlagslisten eingereicht worden. Bei der Abstimmung entfiel die Mehrheit der Stimmen auf die Liste, auf der die Beteiligten kandidiert hatten.

Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, die Auswahlentscheidung über die vollständige Freistellung von Gesamtbetriebsratsmitgliedern müsse in entsprechender Anwendung von § 38 II BetrVG nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt werden, wenn mehr als eine Vorschlagsliste vorliege. Das gebiete der Minderheitenschutz.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat die angefochtene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben.

Das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Gesamtbetriebsrat verpflichtet sei, die Wahl der freizustellenden Mitglieder des Gesamtbetriebsrats nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchzuführen, wenn mehr als ein Wahlvorschlag vorliegt. § 38 II BetrVG finde auf die Bestimmung der freizustellenden Mitglieder des Gesamtbetriebsrats keine Anwendung.

a) Die generelle (Teil-)Freistellung eines oder mehrerer Mitglieder des Gesamtbetriebsrats richte sich nicht nach § 38 BetrVG, sondern nach § 37 II BetrVG.

§ 38 I BetrVG sei auf den Gesamtbetriebsrat nicht anwendbar. In § 51 I BetrVG, der für die Geschäftsführung des Gesamtbetriebsrats auf einzelne für den Betriebsrat geltende Vorschriften Bezug nimmt, fehle eine Verweisung auf § 38 BetrVG. Die Verweisungsvorschriften in § 51 I BetrVG seien abschließend. Sie können insbesondere nicht durch die allgemeine Bezugnahme auf Rechte und Pflichten des Betriebsrats wie in § 51 V BetrVG erweitert werden.

Der Gesamtbetriebsrat könne jedoch einen eigenen Anspruch auf eine generelle (Teil-)Freistellung eines oder mehrerer seiner Mitglieder auf § 51 I iVm § 37 II BetrVG stützen, sofern er die Freistellung für die ordnungsgemäße Durchführung seiner Aufgaben für erforderlich halten darf. Dafür spreche bereits der Gesetzeswortlaut. Denn nach § 51 I BetrVG gelte § 37 II BetrVG für den Gesamtbetriebsrat entsprechend. Daher können nach § 37 II BetrVG – neben anlassbezogenen Arbeitsbefreiungen – vom Gesamtbetriebsrat auch generelle (Teil-)Freistellungen von Gesamtbetriebsratsmitgliedern beansprucht werden, sofern dies zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist.

b) Zudem entscheide der Gesamtbetriebsrat über die ggf. ständig freizustellenden Mitglieder nach § 51 III 1 und 2 BetrVG durch Mehrheitsbeschluss. § 38 II BetrVG finde auf die Bestimmung der freizustellenden Mitglieder des Gesamtbetriebsrats keine Anwendung. Eine entsprechende Anwendung von § 38 II BetrVG auf die Bestimmung der nach § 37 II BetrVG ständig freizustellenden Mitglieder des Gesamtbetriebsrats komme ebenfalls nicht in Betracht, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle.

Hinweise für die Praxis

Das BAG hat nochmals seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und fortgeführt. Bereits mit Beschluss vom 23.05.2018 – 7 ABR 14/17 hat das BAG zum Konzernbetriebsrat ausgeführt, dass der Konzernbetriebsrat nach § 59 I in Verbindung mit § 37 II BetrVG vom Vertragsarbeitgeber seines Mitglieds dessen generelle (Teil-)Freistellung verlangen könne, sofern die Freistellung zur ordnungsgemäßen Durchführung der dem Konzernbetriebsrat obliegenden Aufgaben erforderlich ist.

Für Gesamtbetriebsräte besteht nunmehr ebenfalls die Möglichkeit, sich weitere Freistellungen von Gesamtbetriebsratsmitgliedern zu sichern, sofern dargelegt wird, dass die Arbeitszeit der bereits generell freigestellten Gesamtbetriebsratsmitglieder nicht ausreichend ist, um die erforderlichen Gesamtbetriebsratsaufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen.

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