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Ende einer Betriebsprüfung muss auch bei Beanstandungsfreiheit durch Verwaltungsakt erfolgen

Betriebsprüfungen müssen künftig auch bei fehlenden Beanstandungen zwingend durch einen Verwaltungsakt, der insbesondere den Umfang, die geprüften Personen und das Ergebnis der Betriebsprüfung festhält, beendet werden. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) am 19.09.2019 entschieden (Az. B 12 R 25/18 R).

Sachverhalt

Gesellschafter der klagenden GmbH sind die Beigeladenen zu 1. und 2., die miteinander verheiratet sind, sowie der Bruder der Beigeladenen zu 2. Letzterer hält 51%, die Beigeladene zu 2. 26% und der Beigeladene zu 1. 23% der Gesellschaftsanteile. Der Gesellschaftsvertrag sieht für die Beschlussfassung grundsätzlich die einfache Mehrheit und nur in bestimmten Mehrheiten von 75% der abgegebenen Stimmen vor.

Alle Gesellschafter sind zu Geschäftsführern der GmbH bestellt und verantworten jeweils einen eigenen Geschäftsbereich. Die mit den Beigeladenen zu 1. und zu 2. jeweils geschlossenen Geschäftsführerverträge sehen übliche Regelungen vor. Die Beigeladenen zu 1. und 2. haben Bürgschaften zugunsten der GmbH übernommen.

Beiträge zur Sozialversicherung führte die GmbH seit Aufnahme der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. und 2. nicht ab. In den turnusmäßig durchgeführten Betriebsprüfungen beanstandete die Deutsche Rentenversicherung Bund dies für die bis zum 31.12.2010 reichenden Prüfungszeiträume zunächst nicht. Für den Prüfzeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2014 stellte sie hingegen mit Bescheid vom 25.04.2016 die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. und 2. in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund Beschäftigung fest und forderte Beiträge in Höhe von insgesamt 115.325,53 Euro nach. Die GmbH blieb mit ihrer dagegen gerichteten Klage auch in der Revisionsinstanz vor dem BSG erfolglos.

Entscheidungsgründe

Das BSG geht von versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen der Beteiligten zu 1. und 2. aus, da diese jeweils Minderheitsgesellschafter sind und der Gesellschaftsvertrag nur für einzelne Geschäfte eine erforderliche Mehrheit von 75% vorsieht. Nur in diesen bestimmten Fällen können die Beteiligten daher allein aufgrund der eigenen Gesellschaftsanteile eine Beschlussfassung verhindern. Eine solche „unechte“ Sperrminorität vermittle dem jeweiligen Gesellschafter-Geschäftsführer aber nicht die für eine selbständige Tätigkeit notwendige umfassende Rechtsmacht, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung sicher verhindern zu können.

Frühere anderslautende Entscheidungen anderer Senate des Bundessozialgerichts (sog. „Kopf-und-Seele-Rechtsprechung“), wonach das familiäre Näheverhältnis zwischen Geschäftsführern und Mehrheitsgesellschaftern zu berücksichtigen war, vermitteln nach Auffassung des BSG kein Vertrauen in eine hiervon abweichende Beurteilung. Ebenso wenig begründeten die zuvor durchgeführten Betriebsprüfungen, die ohne Beanstandungen beendet wurden und ohne dass ein entsprechender feststellender Bescheid erging, Vertrauensschutz, da es an einem Anknüpfungspunkt hierfür fehle. Die Prüfmitteilungen über die zuvor durchgeführten Betriebsprüfungen enthielten lediglich die Aussage, die stichprobenweise durchgeführte Prüfung habe keine Feststellungen ergeben. Mangels Regelungswirkung liege damit kein Verwaltungsakt vor, der Anknüpfungspunkt für Bestands- und Vertrauensschutz hinsichtlich der Statusfrage der beigeladenen Geschäftsführer auch für die Zukunft sein könne.

Seit einer Änderung der Beitragsverfahrensordnung zum 01.01.2017 müssten allerdings Betriebsprüfungen künftig auch bei fehlenden Beanstandungen zwingend durch einen Verwaltungsakt beendet werden, der insbesondere den Umfang, die geprüften Personen und das Ergebnis der Betriebsprüfung festhält. Dies ergebe sich insbesondere aus der Einführung von § 6 Abs. 4 S. 2 BVV zum 01.01.2017, wonach der Arbeitgeber durch den Prüfbescheid oder das Abschlussgespräch zur Prüfung Hinweise zu den festgestellten Sachverhalten erhalten soll, um in den weiteren Verfahren fehlerhafte Angaben zu vermeiden.

Die in einem solchen Verwaltungsakt enthaltenen Feststellungen seien bei neuerlichen Betriebsprüfungen zu beachten und könnten unter Umständen einer anderslautenden Beurteilung entgegengehalten werden. Zudem seien die prüfenden Rentenversicherungsträger verpflichtet, die Betriebsprüfung auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie geschäftsführende Gesellschafter zu erstrecken, sofern ihr sozialversicherungsrechtlicher Status nicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist. Dies folge aus dem systematischen Zusammenspiel der Regelungen über die Statusfeststellung und der vom Gesetzgeber festgestellten Schutzbedürftigkeit dieses in § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV genannten Personenkreises.

Bei in der Vergangenheit ohne Verwaltungsakt abgeschlossenen beanstandungsfreien Betriebsprüfungen komme zwar möglicherweise ein Anspruch des Arbeitgebers auf Bescheidung in Frage; damit könne jedoch kein Vertrauensschutz für die Vergangenheit begründet werden.

Hinweis für die Praxis

Das BSG bestätigt mit dieser Entscheidung zum einen die 2015 erfolgte endgültige Aufgabe der sog. „Kopf  und Seele Rechtsprechung“, an der es im Jahr 2012 erste Zweifel geäußert hatte, und bestätigt nochmals seine nunmehr maßgebliche Auffassung, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Gesellschafter-Geschäftsführern nur dann nicht vorliegt, wenn diese die umfassende Rechtsmacht haben, ihnen ungelegene Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Konsequent hat das BSG daher in weiteren Entscheidungen vom 19.09.2019 (Az. B 23 KR 21/19 R; Az. B 12 R 7/19 R und Az. B 12 R 9/19 R) auch Folgendes klargestellt:

  • Eine zwischen den Gesellschaftern nur schuldrechtlich abgeschlossene Stimmrechtsvereinbarung räumt dem Gesellschafter-Geschäftsführer keine ausreichende Rechtsmacht in diesem Sinne ein, dies müsse vielmehr gesellschaftsrechtlich erfolgen.
  • Fremdgeschäftsführer, also am Gesellschaftskapital nicht beteiligte Geschäftsführer einer GmbH, seien ausnahmslos abhängig beschäftigt.

Das BSG sorgt mit dieser Entscheidung zum anderen künftig für mehr Rechtssicherheit, indem es auch für beanstandungsfreie Betriebsprüfungen die Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsakts postuliert. Für Fälle mit in der Vergangenheit ohne Verwaltungsakt beendete, beanstandungsfreie Betriebsprüfungen bringt die Entscheidung dagegen keinen Vorteil, da das BSG einen Bestands- und Vertrauensschutz in diesen Fällen ausdrücklich verneint.

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