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Die Gründe des Ablehnungsschreibens eines Teilzeitantrags sind für den Arbeitgeber bindend

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 11.12.2018 (Az.: 9 AZR 298/18) entschieden, dass ein Arbeitgeber, der einen Teilzeitbeschäftigungsantrag eines Arbeitnehmers in der Elternzeit ablehnt, in einem späteren Prozess an die dort genannten Ablehnungsgründe gebunden ist.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Arbeitnehmerin bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt, und in Vollzeit als Referentin im EMEA Accounting tätig. Von April 2015 bis April 2017 nahm die Klägerin Elternzeit in Anspruch. Mit Schreiben vom 8. Juli 2016 beantragte die Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit ab dem 1. November 2016 im Rahmen von 20 Wochenarbeitsstunden. Dies lehnte die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 22. Juli 2016 mit dem Hinweis ab, dass die Stelle durch einen anderen Mitarbeiter besetzt worden sei und kein weiterer Beschäftigungsbedarf bestünde. Nachdem eine Kollegin aus der Abteilung der Klägerin ihr Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 1. August 2016 erneut eine Teilzeitbeschäftigung ab dem 1. November 2016 für 20 Wochenarbeitsstunden. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ohne nähere Begründung ab, bot der Klägerin aber zeitgleich eine geringer vergütete Teilzeitbeschäftigung als Sachbearbeiterin in einem anderen Tätigkeitsbereich an.

Die Klägerin lehnte dieses Angebot ab und erhob Klage auf Zustimmung zu ihrem Angebot vom 8. Juli 2016. Die Beklagte beantragte die Klageabweisung unter dem Einwand des Vorliegens betrieblicher Gründe, die dem Begehren entgegenstünden. Sie habe entschieden, die Stelle während der Elternzeit der Klägerin nicht mehr zu besetzen und die Aufgaben teilweise auf andere Mitarbeiter, teilweise an externe Dienstleister zu verlagern. Nachdem das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hatte, wurde sie durch das Landesarbeitsgericht als unzulässig abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das Bundesarbeitsgericht hat der Revision der Klägerin stattgegeben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Die Sache sei, entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, nicht schon wegen Zeitablaufs unzulässig. Das Bundesarbeitsgericht ist der Auffassung, der Antrag sei nicht bereits deshalb unzulässig, weil es der Klägerin am Rechtsschutzbedürfnis fehle, da der streitgegenständliche Zeitraum bzgl. des Teilzeitbegehrens nunmehr in der Vergangenheit liege. Dabei stützt sich die neunte Kammer insbesondere auf etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin bei einem obsiegenden Urteil, da dann die Zustimmung des Arbeitgebers zum Antrag rückwirkend als abgegeben gelte und das Teilzeitarbeitsverhältnis in dem beantragten Zeitraum zumindest als bestanden zu bewerten wäre. Durch die Ablehnung des Antrags, hätte der Arbeitgeber in einem solchen Fall zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung beigetragen. Ohne sich mit der tatsächlichen Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen des Antrags der Klägerin sowie des Ablehnungsschreibens der Beklagten auseinanderzusetzen, gibt das Gericht die wesentlichen Anforderungen der Formalien wieder und stellt insbesondere heraus, dass sich der Arbeitgeber im Prozess nur auf die Gründe stützen kann, die er in einem form- und fristgerechten Ablehnungsschreiben bereits genannt hat. Damit hat der Arbeitgeber im Laufe einer Vierwochenfrist nach Erhalt des Antrags zu entscheiden, ob Gründe gegen eine Teilzeitbeschäftigung sprechen (werden). Dies entspreche, so die neunte Kammer, dem Sinn und Zweck der Regelung (§ 15 Abs. 7 BEEG a.F.). Ein Nachschieben von Gründen während eines Prozesses käme einer faktischen Verlängerung der gesetzlichen Vierwochenfrist gleich und führe zu einer unangemessenen Privilegierung, die nicht gewünscht sei. Der Arbeitgeber soll sich vielmehr frühzeitig mit der Prüfung befassen, ob und welche Gründe einer Teilzeitbeschäftigung entgegenstehen, sodass keine vorschnelle Entscheidung oder vorgeschobene Begründung ergeht.

Hinweise für die Praxis

Zwar befasst sich das Urteil noch mit der Gesetzesregelung des BEEG in der bis Ende 2014 geltenden Fassung, weil das Kind der Klägerin vor dem dafür maßgeblichen Stichtag geboren wurde – die Entscheidung ist jedoch auch auf die aktuelle Gesetzeslage anzuwenden, da der Kern der Regelung erhalten blieb. Die Entscheidung schützt die Interessen der Arbeitnehmer und spielt dem Arbeitgeber ein deutliches Prognose- und Prozessrisiko zu. Da der Antrag auf Teilzeitbeschäftigung lange im Voraus gestellt werden kann, soll der Arbeitgeber eine bindende Prognose der betrieblichen Entwicklung ebenfalls lange vor Beginn des fraglichen Zeitraums treffen. In der Regel wird dem Arbeitgeber dies aber kaum gelingen, da er keine sichere Aussage über Auftragslage und Personallage für die Zukunft treffen kann.

Sollte ein Arbeitgeber einem Teilzeitantrag eines Arbeitnehmers in der Elternzeit also nicht entsprechen wollen, kann ihm nur zu einer sehr ausführlichen (schriftlichen) Darstellung von bestenfalls verschiedenen Ablehnungsgründen geraten werden, die zudem jeweils die Qualität des gesetzlich geforderten „dringenden betrieblichen Grundes“ erfüllen. Den Arbeitgebern sind damit von Beginn an sehr hohe Hürden gestellt, deren Überwindung juristische Feinarbeit erforderlich werden lässt.

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