barbara mayer gesellschaftsrecht 5.jpgDr. Oliver Wasmeier

Koalitionsvertrag: Vorhaben des Gesetzgebers im Unternehmensrecht

Nach dem Mitgliedervotum der SPD am 4. März 2018 ist der Weg frei für eine Neuauflage der Großen Koalition. Deren voraussichtliche Agenda ist im Koalitionsvertrag festgehalten. Der Koalitionsvertrag enthält etliche Überlegungen zu Änderungen und Anpassungen im Wirtschaftsrecht, die wir kurz darstellen möchten:

Gesellschaftsrecht: Mobilität der Gesellschaften, Europäische Privatgesellschaft

Zur Förderung der Mobilität von Gesellschaften in Europa will sich die Große Koalition dafür einsetzen, dass zwei seit Langem diskutierte europäische Projekte umgesetzt werden: Die Sitzverlegungsrichtlinie, die die grenzüberschreitende Sitzverlegung von (Kapital-)Gesellschaften innerhalb der EU erleichtern soll, sowie die Schaffung eines europäischen Pendants zur GmbH, die sog. Europäischen Privatgesellschaft. Wie die künftige Regierung allerdings die Ursache des schon Jahre dauernden Stillstands beider Projekte – nämlich die sehr unterschiedlichen Positionen zur Arbeitnehmer- Mitbestimmung – auflösen will, bleibt offen. Deshalb ist zu erwarten, dass auch unter der Großen Koalition hier eher keine Fortschritte erzielt werden, sondern der Europäische Gerichtshof bis auf Weiteres seine Stellung als faktischer Motor des europäischen Gesellschaftsrechts beibehält.

Online-Anmeldung von Gesellschaften

Gesellschaften werden auch künftig nicht einfach per Internet gegründet werden können. Online-Anmeldungen von Gesellschaften lehnt der Koalitionsvertrag ausdrücklich ab: er spricht sich für präventive Kontrollen und zuverlässige Identitätsprüfungen aus. Beide Funktionen werden bislang vom Notar wahrgenommen. Und daran dürfte sich in den nächsten vier Jahren nicht viel ändern.

Reform des Personengesellschaftsrechts

Ob es im Personengesellschaftsrecht Bewegung gibt, bleibt abzuwarten. Die künftigen Regierungsparteien wollen eine Expertenkommission zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts einsetzen. Dies dürfte insbesondere die BGB-Außengesellschaft betreffen, die in den letzten 15 Jahren durch richterliche Rechtsfortbildung der OHG stark angenähert wurde.

Beschlussmängelrecht im Gesellschaftsrecht

Die Große Koalition hat sich weiter vorgenommen, das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht zu überprüfen und zu verbessern – ohne genau anzugeben, welche Defizite gesehen wurden und behoben werden sollen. Der dringendste Handlungsbedarf in diesem Bereich besteht unseres Erachtens bei GmbH und Personengesellschaften. Hier fehlt bislang ein Instrumentarium zur Beschlussmängelanfechtung, das der aktienrechtlichen Anfechtungsklage vergleichbar wäre. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Große Koalition sich nicht nur – wie es der Koalitionsvertrag nahelegt – auf die Reform des Aktienrechts beschränken wird.

Spruchverfahren im Aktienrecht

Besondere Spruchverfahren dienen dazu, die Höhe von Abfindungen und Ausgleichszahlungen bei aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen zu prüfen, um auf diese Weise Anfechtungsklagen zu vermeiden. Diese Spruchverfahren sind nach Auffassung der Koalitionäre „teuer und langwierig“ und sollen daher evaluiert werden. Es könnte genügen, die Kostentragungsregelung anzupassen, wonach die jeweilige Gesellschaft die außergerichtlichen Kosten der Aktionäre zu erstatten hat. Diese Regelung war eigentlich zum Schutz von Kleinaktionären gedacht, führt aber praktisch oft dazu, dass nicht das Interesse des jeweiligen Aktionärs, sondern das Gebühreninteresse der die Aktionäre vertretenden Rechtsberatern im Vordergrund steht.

Lizenzen in der Insolvenz

„Zur Stärkung des Wirtschafts- und Forschungsstandorts Deutschland“ will die kommende Koalition die Rechte des Lizenznehmers in der Insolvenz stärken. Lizenzen sind bisher nicht „insolvenzfest“, d.h. der Insolvenzverwalter kann im Grundsatz wählen, ob er den Lizenzvertrag fortsetzen will oder nicht. Für Lizenznehmer bedeutet dies Unsicherheiten und – im Zweifel – einen Vergleich mit dem Insolvenzverwalter, der zu Mehrkosten führt. Es ist zu begrüßen, dass die Große Koalition sich dieses Dauerthemas annehmen will. Ob sie damit mehr Erfolg hat als die letzten Regierungen, bleibt abzuwarten.

Schaffung einer neuen Gesellschaftsform für die wissenschaftliche Zusammenarbeit

Ganz neu sind Überlegungen der Großen Koalition über die Schaffung einer neuen Rechtsform für die wissenschaftliche Zusammenarbeit in Forschungskooperationen. Dies ist zu begrüßen, da in der Praxis oft genug auf die BGB-Gesellschaft ausgewichen werden muss. Fertige Konzepte einer solchen Rechtsform gibt es auch in der Literatur – soweit ersichtlich – nicht. Der Impuls des Gesetzgebers ist deshalb sehr zu begrüßen.

Überprüfung des AGB-Rechts im B2B-Bereich

Beifall verdient auch die Absicht, die Anwendung des AGB-Rechts im unternehmerischen Rechtsverkehr (B2B) zu überprüfen. Die Gerichte wenden die ursprünglich für den Verbraucherschutz erdachten Regeln seit Jahren sehr weitgehend auch im B2B-Bereich an. Unternehmer- und Anwaltsverbände haben bislang erfolglos dagegen argumentiert. Das deutsche AGB-Recht, das beispielsweise auch im B2B-Bereich kaum Haftungsbeschränkungen ermöglicht, hat sich inzwischen zum echten Nachteil des Rechtsstandorts Deutschland entwickelt. Die Klauselkontrolle künftig auf Fälle zu beschränken, in denen ein Vertragspartner seine überlegene wirtschaftliche Position ausnutzt, wäre ein richtiger Schritt.

Insolvenzantragspflichten und vorinsolvenzliche Sanierungsmaßnahmen

Die Regierungsparteien verpflichten sich „gemeinsam mit Frankreich konkrete Schritte zur Verwirklichung eines deutsch-französischen Wirtschaftsraums mit einheitlichen Regelungen (vor allem) im Bereich des Unternehmens- und Konkursrechts zu vereinbaren“. Damit dürfte die vieldiskutierte Einführung eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens gemeint sein. Der Entwurf einer entsprechenden EU-Richtlinie liegt derzeit beim Europäischen Parlament. Der Koalitionsvertrag lässt darauf hoffen, dass Deutschland und Frankreich im europäischen Gesetzgebungsverfahren an einem Strang ziehen werden, um so dessen zeitnahen Abschluss zu ermöglichen.

Strengere Ahndung von Rechtsverstößen durch Unternehmen

Straftaten, die aus Unternehmen heraus begangen werden, sollen künftig schärfer sanktioniert werden. So soll es nicht länger im Ermessen der Behörden liegen, ob Straftaten von Unternehmensmitarbeiterinnen auch gegenüber den davon profitierenden Unternehmen (als Ordnungswidrigkeit) verfolgt wird. Auch der Bußgeldrahmen wird verschärft: bei Unternehmen mit mehr als 100 Millionen Euro Umsatz soll die Höchstgrenze künftig bei zehn Prozent des Umsatzes liegen. Bislang lag die Obergrenze bei 10 Mio. EUR. Für Straftaten, die aus Unternehmen heraus begangen werden, sollen darüber hinaus "weitere Sanktionsinstrumente" geschaffen werden, wobei diese Instrumente bisher nicht konkret bezeichnet sind. Angekündigt ist jedenfalls, dass verhängte „Sanktionen an geeigneter Stelle bekannt gemacht werden“ sollen (sog. naming and shaming). Gesetzliche Vorgaben für „Internal Investigations“ und gesetzliche Anreize zur Durchführung solcher interner Untersuchungen sowie der Veröffentlichung der Ergebnisse sollen die Aufklärung verbessern.

Fazit

Das Programm der CDU/CSU und SPD für die kommende Legislaturperiode enthält im Unternehmensrecht viel Altbekanntes, aber auch einige neue Impulse. Was der Koalitionsvertrag für die Wirtschaftsakteure bedeutet, zeigt sich, wenn die Programmsätze in konkrete Gesetzestexte gegossen werden. Es bleibt zu hoffen, dass die künftige Große Koalition ihrem eigenen Anspruch gerecht wird und die aufgeworfenen Themen offensiver angeht als ihre Vorgänger.

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