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Zulässigkeit eines Vertriebsverbotes für Luxuswaren über Amazon

Das OLG Frankfurt hat in einer aktuellen Entscheidung vom 12.07.2018 (11 U 96/14) entschieden, dass Anbieter von Luxusparfüms ihren Abnehmer untersagen können, ihre Produkte über die Plattform „Amazon“ zu vertreiben. Der Fall lag bereits dem EuGH vor, der in seinem Grundsatzurteil vom 06.12.2017 (C-230/16) ein solches Verbot im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems für Luxuswaren für zulässig erklärt hatte. Mit seinem Urteil zeichnete das OLG Frankfurt nun die Rechtsprechung des EuGH im konkreten Fall nach und klärte zudem weitere Fragen im Zusammenhang mit dem Vertriebsverbot.

Hintergrund

Ein Anbieter von Luxusparfüms hat ein selektives Vertriebssystem zum Vertrieb seiner Produkte eingerichtet. Nur diejenigen autorisierten Einzelhändler dürfen die Produkte des Unternehmens vertreiben, die bestimmte Anforderungen beim Vertrieb erfüllen. Auf diese Weise soll das Luxusimage der Produkte gewahrt werden. Die Händler sind zwar berechtigt, die Produkte im Internet über einen eigenen Internetshop anzubieten, dessen Ausgestaltung bestimmten Anforderungen genügen muss. Allerdings ist ihnen die Einschaltung von Drittunternehmen, die nicht eigens autorisiert wurden, wie etwa Plattformen oder Vergleichsportalen, untersagt. Der Anbieter möchte daher einem seiner Händler, der sowohl einen stationären Laden als auch einen eigenen Online-Shop betreibt, daneben den Vertrieb über die Plattform „amazon.de“ untersagen.

Das LG Frankfurt wies die Unterlassungsklage des Anbieters ab. Das daraufhin angerufene OLG Frankfurt hatte Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der Klausel betreffend das Drittplattformverbot mit dem europäischen Wettbewerbsrecht und legte dem EuGH daher Fragen zum europäischen Kartellrecht vor. Diese Fragen beantwortete der EuGH mit Urteil vom 06.12.2017 (C-230/16) dahingehend, dass Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems die Einschaltung nach außen erkennbarer Drittplattformen untersagt werden kann, wenn damit das Luxusimage der Waren gewahrt werden soll.

Das Urteil des OLG Frankfurt vom 12.07.2018 – 11 U 96/14

Das OLG Frankfurt gab nun der Klage des Anbieters unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH statt und untersagte dem Händler den Vertrieb der Luxusparfums über die Plattform Amazon. Seine Entscheidung begründete das OLG Frankfurt damit, das Verbot unterfalle vermutlich schon nicht dem Kartellverbot, da es Bestandteil eines zulässigen selektiven Vertriebssystems sei, dessen Errichtung zur Sicherstellung des Luxusimages der Waren gerechtfertigt sei. Durch die Einschaltung von Drittunternehmen beim Vertrieb, wie z.B. Amazon, werde dieses Luxusimage möglicherweise geschädigt.

Zumindest sei das Verbot aber vor dem Hintergrund des Marktanteils der beteiligten Unternehmen von unter 30% vom Kartellverbot ausgenommen. Denn die Klausel enthalte keine sog. Kernbeschränkung, bei der eine Freistellung vom Kartellverbot ausgeschlossen wäre. Demnach liege nach Ansicht des OLG Frankfurt in der Klausel keine Beschränkung der Kundengruppe, an die verkauft werden darf. Denn durch die Klausel werde der Händler nicht in seiner Freiheit beschränkt, an wen er verkaufen dürfe, sondern nur in welcher Form er seine Produkte anbieten dürfe. Kunden von Drittplattformen stellten insofern keine spezielle Kundengruppe dar. Ebenso wenig wird nach Auffassung des OLG Frankfurt der passive Verkauf an Endverbraucher eingeschränkt. Der Vertragshändler bleibe insofern frei, über das Internet und via anderer Suchmaschinen seine Waren anzubieten.

Anmerkung

Das Urteil des OLG Frankfurt ist nach der Entscheidung des EuGH wenig überraschend, da der EuGH den Richtern kaum Entscheidungsspielraum ließ. Bemerkenswert ist jedoch, dass nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH das luxuriöse Produktimage jedenfalls ausreicht, um ein Plattformverbot zu rechtfertigen. Noch in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 (C-439/09 Pierre Fabre Dermo-Cosmétique) hatte der EuGH entschieden, dass das Produktimage von Kosmetikprodukten nicht zur Rechtfertigung eines pauschalen Vertriebsverbotes über das Internet ausreiche. Insoweit hat der EuGH seine Rechtsprechung weiterentwickelt. Anbieter von Luxusgütern dürfen nunmehr im Rahmen ihres selektiven Vertriebssystems zwar nicht den Vertrieb über das Internet insgesamt, aber zumindest denjenigen über Drittplattformen untersagen.

Ob solche Plattformverbote auch für andere Produkte zulässig sind, die kein besonders luxuriöses Produktimage aufweisen, bleibt weiterhin offen. Zumindest dann, wenn der Marktanteil des betreffenden Anbieters über 30% liegt, ist dies ausgeschlossen. Liegt der Marktanteil unter 30%, ist der aktuellen Entscheidungspraxis der Gerichte und der Kartellbehörden keine eindeutige Tendenz zu entnehmen. Der EuGH stellte in seinem Urteil auch im Zusammenhang mit der Frage des Vorliegens einer Kernbeschränkung auf das besondere Produktimage ab, so dass sich daraus die allgemeine Zulässigkeit von Plattformverboten schwer ableiten lässt. Auch das Bundeskartellamt stellte im Nachgang zur Entscheidung des EuGH klar, dass es Plattformverbote nach dem Urteil des EuGH nicht für allgemein zulässig halte, sondern die Reichweite der Entscheidung auf Luxusgüter beschränkt sei. Das OLG Frankfurt sieht nun demgegenüber in dem Vertriebsverbot über Drittplattformen unabhängig von den konkret betroffenen Produkten zumindest dann keine Kernbeschränkung, wenn den betroffenen Händlern der Vertrieb über das Internet und die Werbung über andere Suchmaschinen weiter erlaubt ist.

Fehlt es somit an einem besonderen Produktimage, bleibt bei der Errichtung von Drittplattformverboten bis zu einer abschließenden Entscheidung des BGH weiterhin Vorsicht geboten, auch wenn gute Gründe für die Zulässigkeit eines derartigen Verbotes sprechen. Innerhalb zulässiger selektiver Vertriebssysteme können diese jedoch wirksam vereinbart werden.

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