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Keine Durchsetzung von Zahlungsansprüchen im einstweiligen Rechtsschutz zur Abwendung einer Zahlungsunfähigkeit

Im einstweiligen Verfügungsverfahren kann nicht auf Zahlung einer Geldschuld zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz einer GmbH geklagt werden. Für eine solche Klage fehlt es am Vorliegen eines Verfügungsgrundes, d.h. einer besonderen Dringlichkeit für eine einstweilige Regelung.

Der Hintergrund: Kündigung und Nichtauszahlung eines Gesellschafterdarlehens

An der Klägerin, einer im Softwarebereich tätigen GmbH, war u.a. die Beklagte, ein Beteiligungsunternehmen, mit 40 % der Anteile beteiligt. Die Beklagte hatte mit den übrigen Gesellschaftern der Klägerin eine Beteiligungsvereinbarung abgeschlossen, in welcher die Beklagte der Klägerin u.a. ein in Teilbeträgen abrufbares Darlehen über 7,2 Mio. Euro zur Finanzierung des Aufbaus und der Erweiterung des Geschäftsbetriebes der Klägerin zusagte; ein entsprechender Darlehensvertrag wurde zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossen.

Nachdem die Klägerin mehrere Teilbeträge des Darlehens abgerufen hatte, kündigte die Beklagte den Darlehensvertrag, weil das Geschäftsmodell der Klägerin praktisch nicht umsetzbar sei (eine Kündigungsmöglichkeit für diesen Fall war im Vertrag vorgesehen). Einen von der Klägerin abgerufenen Teildarlehensbetrag von 1 Mio. Euro zahlte die Beklagte in der Folge nicht mehr an die Klägerin aus.

Dagegen wandte sich die Klägerin im Wege der einstweiligen Verfügung und beantragte, die Beklagte zur Auszahlung des abgerufenen Darlehensbetrags über 1 Mio. Euro zu verurteilen. Gegen die dem Antrag der Klägerin stattgebende Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts legte die Beklagte Berufung vor dem OLG München ein. 

Das Urteil des OLG München vom 20.06.2018 (Az. 7 U 1079/18)

Die Berufung der Beklagten war erfolgreich und das dem Antrag der Klägerin stattgebende Urteil der Vorinstanz wurde aufgehoben. Nach Auffassung des OLG München lag aus mehreren Gründen kein Verfügungsgrund, d.h. keine besondere Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Regelung, vor. Das Gericht begründete dies damit, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit einer GmbH keine existenzielle Notlage darstelle, die den Erlass einer Leistungsverfügung, d.h. die (vorläufige) Befriedigung der Klägerin, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren rechtfertige. Eine zahlungsunfähige und damit kurz vor der Insolvenz stehende Gesellschaft habe per se keine Existenzberechtigung mehr, sodass ihr Bestehen auch nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes besonders geschützt werden müsse. Aus demselben Grund falle auch die gebotene Abwägung zwischen den Interessen der Klägerin und denen der Beklagten zugunsten der Beklagten aus.

Die Auswirkungen des Urteils in der Praxis

Das einstweilige Rechtsschutzverfahren dient der vorläufigen Sicherung von Ansprüchen und nicht deren Befriedigung – denn dafür ist ein Hauptsachverfahren durchzuführen. Eine Befriedigung von Ansprüchen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist deswegen nur in engen Ausnahmefällen möglich, nämlich wenn eine existenzielle Notlage des Anspruchstellers vorliegt, dieser im Hauptsachverfahren voraussichtlich obsiegen wird und eine Abwägung seiner Interessen mit den Interessen des Anspruchsgegners zu seinen Gunsten ausfällt. Diese allgemeinen Grundsätze hat nun das OLG München bestätigt und klargestellt, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit einer GmbH keinen solchen Ausnahmefall darstellt.

Das Urteil des OLG München zeigt: Droht einer GmbH die Zahlungsunfähigkeit, ist die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen gegen Dritte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes kein geeigneter Weg, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden (und zwar nicht einmal, wenn der Zahlungsanspruch gegen den Dritten eindeutig besteht). Dies sollte insbesondere den Geschäftsführern der betroffenen Gesellschaften bewusst sein. Diese müssen nun nämlich beim drohenden Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit außerhalb des einstweiligen Rechtsschutzes nach Wegen zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit suchen oder – wenn ihnen dies nicht gelingt – zur Vermeidung straf- und haftungsrechtlicher Konsequenzen (z.B. nach § 15a InsO oder § 64 GmbHG) Insolvenzantrag für die von ihnen geleitete Gesellschaft stellen.

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