barbara mayer gesellschaftsrecht 5.jpgjan barth gesellschaftsrecht 2.jpg

Zur Wirksamkeit der Gründung einer deutschen GmbH vor einem Schweizer Notar

Gesellschaftsrechtliche Beurkundungen im Ausland bleiben riskant. Zwar gibt es immer wieder Entscheidungen, in denen Obergerichte die Wirksamkeit von im Ausland beurkundeten Vorgängen bei deutschen GmbHs anerkennen. Eine höchstrichterliche Klärung steht indes noch aus.

Zum Sachverhalt der Entscheidung

In einer Entscheidung aus dem Januar dieses Jahres hielt das Berliner Kammergericht die Gründung einer deutschen GmbH vor einem Berner Notar für wirksam und wies das Amtsgericht Charlottenburg daher an, die Gründung der GmbH in das Handelsregister einzutragen. Die Beteiligten hatten die Gründung im Jahre 2015 vor einem Berner Notar beurkunden lassen und die Gründung dann zur Eintragung in das Handelsregister Charlottenburg, dem Sitz der Gesellschaft, angemeldet. Der Berner Notar hatte den Beteiligten bei der Beurkundung die gesamte Gründungsurkunde einschließlich des Gesellschaftsvertrags vorgelesen. Das als Registergericht zuständige Amtsgericht Charlottenburg hatte die Eintragung jedoch zurückgewiesen. Denn die Beurkundung der Gründung einer Gesellschaft vor einem Schweizer Notar reiche nicht aus, um die im GmbH-Gesetz vorgeschriebene notarielle Form zu wahren.

Gegen diese Entscheidung haben die Beteiligten Beschwerde beim Kammergericht Berlin erhoben. Sie sind der Auffassung, die Beurkundung sei schon deshalb wirksam, weil sämtliche Vorschriften, die in der Schweiz zur Gründung einer GmbH einzuhalten seien, eingehalten wurden. Im Übrigen sei die Beurkundung durch einen Schweizer Notar einer Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig, sodass sogar auch die im GmbH-Gesetz vorgeschriebene notarielle Form gewahrt sei.

Der Beschluss des Kammergerichts vom 24.01.2018 – 22 W 25/16

Das Kammergericht hat der Beschwerde stattgegeben und das Amtsgericht Charlottenburg angewiesen, die beantragte Eintragung der in der Schweiz gegründeten GmbH im Handelsregister vorzunehmen. Zwar genüge die Einhaltung der für die Gründung einer Schweizer GmbH beachtlichen Formvorschriften nicht, um die im GmbH-Gesetz für die Gründung vorgeschriebene notarielle Form zu wahren. Jedoch sei die streitgegenständliche Beurkundung durch den Berner Notar einer Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig. Denn ein Berner Notar übe nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion aus und habe bei der Errichtung der Urkunde ein Verfahren angewendet, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspreche.

Anmerkung

Angesichts der hohen (wenngleich gesetzlichen) Gebühren deutscher Notare ist der Wunsch nachvollziehbar, auf die in vielen Fällen günstigeren Schweizer (oder  niederländischen etc.) Kollegen auszuweichen. Rechtspolitisch ist das Ergebnis des Kammergerichts daher zu begrüßen: Es schafft eine weitere gerichtliche Präzedenz zur Absicherung der insbesondere in Grenzregionen seit Jahrzehnten gelebten Praxis der Auslandsbeurkundung. Auch das Kammergericht liefert in seiner Entscheidung jedoch keine juristisch zufriedenstellende Begründung, weswegen die Beurkundung der Gründung einer deutschen GmbH in Bern formgültig war.

Nach dem deutschen Kollisionsrecht ist ein Rechtsgeschäft grundsätzlich formgültig, wenn es entweder die Formerfordernisse des inhaltlich anwendbaren Rechts erfüllt oder aber den Formvorschriften der Rechtsordnung des Staates genügt, in dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wird. Für das Gesellschaftsrecht ist aber bereits höchst umstritten, ob und inwieweit diese allgemeine Regel anwendbar ist.

Das Kammergericht lehnt jedenfalls eine Anwendung der sog. Ortsform ab. Es geht also davon aus, dass die Beachtung der für die Gründung einer Schweizer GmbH einzuhaltenden Formvorschriften entgegen der allgemeinen Regel zumindest bei gesellschaftsrechtlicher Vorgängen, die die Verfassung einer deutschen GmbH betreffen, nicht genügt. Dabei übersieht das Kammergericht keineswegs, dass der Bundesgerichtshof eben diese (in der juristischen Literatur seit Jahrzehnten umstrittene) Frage unlängst thematisiert und sich vorsichtig zugunsten einer Anwendung der Ortsform ausgesprochen hat. Ärgerlich also, dass das Kammergericht zur Klärung dieser Frage die Rechtsbeschwerde nach Karlsruhe nicht zugelassen hat.

Da es die Ortsform nicht genügen lässt, musste sich das Kammergericht sodann mit der Frage auseinandersetzen, ob die Beurkundung in Bern die Formerfordernisse des inhaltlich anwendbaren, also des deutschen Rechts erfüllt hat. Dies ist der Fall, wenn der Berner Notar (erstens) nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit eines deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und er (zweitens) für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht.

Dass ein Berner Notar eine einem deutschen Notar entsprechende Vorbildung, Stellung und Funktion genießt, bejaht das Kammergericht zu Recht. Bei der Frage, ob das von diesem zu beachtende Verfahrensrecht den das deutsche Verfahren tragenden Grundsätzen entspricht, mogelt das Kammergericht allerdings. Es untersucht eingehend die Berner Notariatsverordnung und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Berner Beurkundung in fast allen Aspekten denselben tragenden Grundsätzen unterliegt wie eine deutsche. Einzig die Verlesung der vollständigen Urkunde ist in Bern nicht verpflichtend. Ob die in Deutschland (zwingend vorgeschriebene) Verlesung der notariellen Niederschrift ein „tragender Grundsatz“ des deutschen Beurkundungsrechts ist, ist (natürlich) heftig umstritten. Hier hätte das Kammergericht sich eigentlich entscheiden müssen. Stattdessen wiegelt es an dieser Stelle ab: Eine Entscheidung dieser Frage sei nicht erforderlich, da im zu entscheidenden Fall der Berner Notar unstreitig „wie ein deutscher Notar“ die gesamte Urkunde nebst Anlagen vorgelesen hatte.

Das überzeugt nicht. Denn der Bundesgerichtshof betont in mehreren Entscheidungen, dass es nicht darauf ankommt, ob ein ausländischer Notar im Einzelfall seinen deutschen Kollegen imitiert hat, sondern darauf, ob der ausländischer Notar abstrakt einem dem deutschen Recht vergleichbaren Pflichtenkatalog unterworfen ist, er die Urkunde also gänzlich verlesen muss.

Für die Praxis bleibt es also ratsam, vor einer im Ausland geplanten Beurkundung zu prüfen, ob der deutsche Registerrichter mitspielt und die Eintragung auch auf der Grundlage einer ausländischen Urkunde vornimmt. Gerade in grenznahen Regionen sind Registergerichte erfahrungsgemäß großzügiger als es das (grenzferne) Amtsgericht Charlottenburg im dargestellten Fall war.

Dieses Vorgehen hilft indes nur bei solchen Geschäften, die – wie die Gründung einer GmbH – einer Eintragung in das Handelsregister bedürfen. Denn mit der Eintragung werden diese Geschäfte vollumfänglich wirksam. Bei Anteilsübertragungen gibt es keine solche Heilungsmöglichkeit. Die bloße Einreichung einer Gesellschafterliste führt nicht zur Wirksamkeit der darin ausgewiesenen Anteilsübertragungen. So bleibt stets das Risiko, dass ein Gericht noch Jahre später die Anteilsübertragung für nichtig erklärt. Daher bleiben Anteilsübertragungen im Ausland bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtslage durch den BGH (oder bis zu einer eindeutigen Regelung durch den Gesetzgeber) wenig ratsam.

Kontakt > mehr