Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Verwirkung des Widerspruchsrechts bei einem Betriebsübergang

Das Bundesarbeitsgericht hat am 21.12.2017 entschieden, dass das Widerspruchsrecht eines Arbeitnehmer gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses bei einem Betriebsübergang allein durch Zeitablauf regelmäßig nach 7 Jahren verwirkt, wenn er zwar nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden ist, er aber grundlegende Informationen zum Betriebsübergang erhalten hat und widerspruchslos bei dem neuen Inhaber weitergearbeitet hat.

Sachverhalt

Die Parteien haben darüber gestritten, ob zwischen ihnen nach einem Betriebs(teil-)übergang noch ein Arbeitsverhältnis besteht.

Der Kläger war in einem Betriebsteil der Beklagten tätig, der bereits zum 01.01.2006 im Wege des Betriebsteilübergangs auf die D-GmbH übergegangen ist. Darüber sowie über den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die D-GmbH wurde der Kläger durch ein Unterrichtungsschreiben vom 14.11.2005 informiert, das auf dem Briefkopf der Beklagten erstellt und für diese von deren Abteilungsleiter sowie für die D-GmbH von deren Geschäftsführer unterzeichnet worden ist. Das Schreiben enthält weder Angaben zum Sitz der D-GmbH, zu deren Anschrift, zum zuständigen Registergericht oder zur Registernummer noch einen Hinweis darauf, dass der Widerspruch gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden kann. Der Kläger erhielt zudem ein Schreiben der Beklagten vom 05.12.2005, in dem einzelne Folgen des Betriebsteilübergangs für das Arbeitsverhältnis näher beschrieben wurden.

Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zunächst nicht und arbeitete ab dem 01.01.2006 für die D-GmbH. Die D-GmbH wurde zum 01.02.2013 in die C-GmbH umfirmiert. Erst mit Schreiben vom 01.09.2015, das der Beklagten am 03.09.2015 zuging, und damit fast 10 Jahre später, widersprach der Kläger gegenüber der Beklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die D-GmbH.

Der Kläger beantragte die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten über den 31.12.2005 hinaus zu unveränderten Bedingungen noch fortbesteht, da aufgrund einer fehlerhaften Unterrichtung über den Betriebsübergang die Frist für den Widerspruch nicht zu laufen begonnen habe. Das LAG hat das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BAG hat es im Ergebnis offen gelassen, ob der Kläger durch das Unterrichtungsschreiben vom 14.11.2005, gegebenenfalls in Verbindung mit dem Schreiben vom 05.12.2005, bereits ordnungsgemäß i.S.d. § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet worden war mit der Folge, dass er dann dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die D-GmbH gemäß § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nur innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung hätte widersprechen können. Nach Ansicht des BAG sei jedenfalls ein evtl. noch bestehendes Widerspruchsrecht des Klägers, das ein Gestaltungsrecht sei, zum Zeitpunkt des Schreibens vom 01.09.2015 gem. § 242 BGB verwirkt gewesen.

Dies folgt daraus, dass die Beklagte den Kläger im Rahmen der Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB über den mit dem Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses unter Mitteilung des Zeitpunkts bzw. des geplanten Zeitpunkts sowie des Gegenstands des Betriebsübergangs und des Betriebsübernehmers in Textform in Kenntnis gesetzt sowie über sein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB belehrt hatte und der Kläger in Kenntnis dieser Umstände mehr als sieben Jahre für die D-GmbH bzw. die C-GmbH im Anschluss arbeitete, ohne von seinem etwa noch bestehendem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen.

Um die Verwirkung des Widerspruchsrechts bejahen zu können, mussten das sog. Umstandsmoment und das sog. Zeitmoment vorliegen:

Die bloße widerspruchslose Weiterarbeit führte noch nicht dazu, dass das sog. Umstandsmoment bejaht werden konnte. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände gibt ein Arbeitnehmer für einen neuen Inhaber noch nicht zu erkennen, dass er an der Vertragsbeziehung mit dem bisherigen Arbeitgeber nicht mehr festhalten und sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben will. Eine andere Bewertung ist aus Sicht des BAG aber dann vorzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht ordnungsgemäß i.S.v. § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet, aber im Rahmen einer Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB von dem bisherigen Arbeitgeber und/oder dem neuen Inhaber wenigstens über den mit dem Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses unter Mitteilung des Zeitpunkts oder des geplanten Zeitpunkts sowie des Gegenstands des Betriebsübergangs und des Betriebsübernehmers (dies sind nach Ansicht des BAG die sog. grundlegende Informationen) in Textform in Kenntnis gesetzt und über sein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB belehrt wurde. In diesem Fall lägen besondere Umstände vor, die es rechtfertigen könnten, die spätere Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Der Arbeitnehmer kann einer Unterrichtung in einem solchen Fall hinreichend deutlich entnehmen, dass sein vormaliger Arbeitgeber infolge des Betriebsübergangs seine Position als „sein Arbeitgeber“ kraft Gesetzes an den neuen Inhaber abgibt oder abgegeben hat und dass sich der neue Inhaber mit dem Betriebsübergang als sein „neuer Arbeitgeber“ sieht. Mit der Belehrung über das Widerspruchsrecht wird dem Arbeitnehmer zudem vor Augen gehalten, dass und wie er den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit seinem vormaligen Arbeitgeber herbeiführen kann und – sofern er sich dazu entscheidet – auch muss.

Das Vorliegen des sog. Umstandsmoments allein reicht für eine Verwirkung aber nicht aus, grundsätzlich muss auch ein sog. Zeitmoment hinzutreten, und zwar die widerspruchslose Weiterarbeit für den neuen Inhaber über einen erheblichen Zeitraum. Diesen Zeitraum, der frühestens mit dem Betriebsübergang beginnt, erachtet das BAG in der Entscheidung unter Berücksichtigung der wechselseitigen schutzwürdigen Interessen mit sieben Jahre als angemessen. Da der Widerspruch des Klägers erst nach sieben Jahren erfolgte, war das Widerspruchsrecht verwirkt.

Hinweise für die Praxis

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zu begrüßen. Sie ist ausgewogen und begrenzt das Risiko eines Arbeitgebers, wenn ein Widerspruch nach nicht ordnungsgemäßer Unterrichtung erst nach über sieben Jahren erfolgt, vorausgesetzt der Arbeitnehmer wurde wenigstens über die grundlegenden Informationen unterrichtet und er hat widerspruchslos zuvor weiter gearbeitet. Sieben Jahre bleiben aber ein langer Zeitraum, und in dieser Zeit besteht das Risiko, dass es zu einem Widerspruch kommt, der nicht begründet werden muss.

Bei einem Widerspruch vor Ablauf von sieben Jahren muss geprüft werden, ob die Unterrichtung ordnungsgemäß erfolgte, und wenn nicht, ob evtl. aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls bereits vor Ablauf von sieben Jahren das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers verwirkt war.

Dem Risiko eines späteren Widerspruchs kann zuverlässig nur mit einer ordnungsgemäßen Unterrichtung begegnet werden, die aber im Einzelfall aufgrund der strengen Rechtsprechung des BAG fehleranfällig bleibt, mit anderen Worten: die Erstellung eines Unterrichtungsschreibens ist für alle Beteiligten eine „gefahrgeneigte Arbeit“, sie muss aber erledigt werden.

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