Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anspruch auf Arbeitszeiterhöhung – freier Arbeitsplatz

Das Bundesarbeitsgericht hat am 17.10.2017 entschieden, dass allein die Erhöhung der Arbeitszeit ohne eine damit verbundene Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nicht den Zugang zu einem öffentlichen Amt i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG betrifft, und zudem ein freies Arbeitszeitvolumen, das der Arbeitgeber zur Erhöhung der Arbeitszeit bereits beschäftigter Teilzeitarbeitnehmer zur Verfügung stellt, kein freier Arbeitsplatz im Sinne des § 9 TzBfG ist. Ein Arbeitgeber muss deshalb einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung der Arbeitszeit angezeigt habe, bei gleicher Eignung nicht bevorzugt berücksichtigen.

Sachverhalt

Die Klägerin war seit 1997 als Klavierlehrerin an der Musik- und Kunstschule der beklagten Stadt mit einem Deputat von zuletzt 11 Stunden und 45 Minuten wöchentlich beschäftigt. Bei einer Vollzeitbeschäftigung beträgt das wöchentliche Deputat 30 Unterrichtsstunden. Die Beklagte schrieb Ende 2014 zwei unbefristet zu vergebende Deputate von jeweils 6 Unterrichtsstunden im Fach Klavier unter Hinweis auf § 7 TzBfG (Ausschreibung, Information über freie Arbeitsplätze) intern aus. Neben der Klägerin bewarben sich acht weitere bei der Beklagten angestellte Musikschullehrer um die ausgeschriebenen Unterrichtsstunden.

Die Beklagte führte ein Auswahlverfahren durch, über das die Leistungen der Bewerber durch eine dreiköpfige Kommission durch die Vergabe von Punkten bewertet wurden. Die zusätzlichen Deputate sollten den beiden Bewerbern mit der höchsten Punktzahl übertragen werden. Die Auswahl fiel auf die Bewerber N und H, deren wöchentliche Deputate sich auf 16 bzw. 6 Stunden beliefen. Die zusätzlichen Deputate wurden dabei nur durch befristete Vertragsänderungen übertragen.

Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin die Erhöhung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit um 6 Unterrichtsstunden. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

Art. 33 Abs. 2 GG, wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat, betreffe nach Ansicht des BAG zwar auch solche Stellen, die ein öffentlicher Arbeitgeber mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtige. Der daraus folgende Bewerbungsverfahrensanspruch sei jedoch gegenüber der Organisationsfreiheit des öffentlichen Arbeitgebers abzugrenzen, die ihm das Recht einräume, zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu wählen, eine Stelle zu besetzen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, ein Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Auswahlverfahren durchzuführen, da die Erhöhung der Arbeitszeit weder die Begründung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses noch den Zugang zu Beförderungsämtern und -stellen betreffe. Der Bewerber um ein weiteres Zeitdeputat ohne eine damit verbundene Übertragung höherwertiger Tätigkeiten begehre nicht den Zugang zu einem öffentlichen Amt, sondern eine statusneutrale Modifikation der Beschäftigungsbedingungen. Da die Beklagte die Stelle nur intern ausgeschrieben habe, handle es sich auch nicht um eine solche, die eine Bewerberauswahl nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG erfordere.

§ 9 TzBfG verpflichtet einen Arbeitgeber, einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer dem entgegenstehen. Der Anspruch auf Arbeitszeitverlängerung nach dieser Norm setze jedoch voraus, dass ein entsprechender freier Arbeitsplatz zu besetzen sei. Dazu müsse zumindest ein freier und nach dem Willen des Arbeitgebers zu besetzender Arbeitsplatz vorhanden sein. Der Arbeitnehmer habe regelmäßig keinen Anspruch auf Schaffung eines Arbeitsplatzes nach seinen Arbeitszeitwünschen oder Zuteilung von Arbeitszeit, die für einen anderen Arbeitsplatz vorgesehen ist. Übe ein Arbeitgeber sein Organisationsermessen dergestalt aus, dass ein freies Arbeitszeitvolumen für bestimmte Aufgaben arbeitsplatzunabhängig als Aufstockungsvolumen für bereits beschäftigter Teilzeitkräfte zur Verfügung stelle, ergäbe sich daraus auch dann kein freier Arbeitsplatz, wenn er unter mehreren an einer Arbeitszeiterhöhung interessierten Arbeitnehmern eine Auswahl treffe. Durch die Entscheidung, einen bestimmten Arbeitskräftebedarf durch die Arbeitszeiterhöhung bereits beschäftigter Arbeitnehmer abzudecken, werde lediglich der zeitliche Zuschnitt eines bereits besetzten Arbeitsplatzes dadurch modifiziert, dass dem begünstigten Arbeitnehmer ein bestimmtes Arbeitszeitvolumen zusätzlich zu seinem bestehenden Teilzeitvolumen zugewiesen werde. Die Klägerin habe bereits deshalb keinen Anspruch auf Erhöhung ihres Deputats aus § 9 TzBfG.

Die Beklagte sei bei der Auswahl auch nicht an die Grundsätze billigen Ermessens gebunden gewesen. Da im vorliegenden Fall der Anwendungsbereich des § 9 TzBfG nicht eröffnet sei, sei der Arbeitgeber in der Auswahl frei, welchen Teilzeitbeschäftigten er eine Verlängerung der Arbeitszeit anbiete.

Ein Anspruch der Klägerin auf Zuweisung des ausgeschriebenen Deputats habe sich schließlich auch nicht aus den Bestimmungen des LGG NRW ergeben, da sich die in § 7 LGG NRW angeordnete bevorzugte Berücksichtigung von Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, nicht auf die Erhöhung der Arbeitszeit beziehe.

Hinweise für die Praxis

Arbeitgeber haben regelmäßig bei Auswahlentscheidungen zahlreiche Vorgaben zu beachten. Die Entscheidung des BAG zeigt auf, dass diese, bereits angefangen bei der Ausschreibung, sorgfältig zu planen und durchzuführen sind, um spätere Überraschungen zu vermeiden. Zu begrüßen ist, dass das BAG mit der vorliegenden Entscheidung die Organisationsfreiheit des Arbeitgebers stärkt in Fällen, in denen es nur um die Erhöhung von Arbeitszeitvolumen geht.

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