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Mängelrüge beim Handelskauf

Eine stichprobenartige Kontrolle der gelieferten Waren in Bezug auf einzelne Hersteller ist zur Wahrung der Mängelrechte bei einem Handelskauf nicht ausreichend, wenn der Käufer eine fehlende Zertifizierung anderer Hersteller in der gleichen Lieferung durch Belegabgleich und einfache Sichtprüfung erkennen kann und andernfalls erhebliche Mangelfolgeschäden drohen. So hat das OLG Bremen entschieden (Urteil vom 17.03.2023 – Az. 2 U 32/20).

Sachverhalt

Dem Urteil des OLG Bremen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin bestellte bei der Beklagten u.a. zahlreiche Bauteile verschiedener Hersteller aus Edelstahl, welche sie für den Schiffs-, Maschinen- und Anlagenbau benötigte. Diese Bauteile wurden in verschiedenen Lieferungen geliefert. Für einen Teil der Bestellungen war vereinbart, dass die Edelstahlbauteile mit einem Prüfzeugnis des Herstellers versehen werden. Außerdem sollten sie aus einem Werk stammen, dessen Schmiedewerk vom Lloyds Register zugelassen ist („LR-Zulassung“). Nach der Lieferung stellte sich heraus, dass ein Teil der von der Beklagten erworbenen Bauteile nicht über eine solche LR-Zulassung verfügte. Gerügt wurde der Mangel aber erst 15 Tage nach Erhalt der letzten Prüfzeugnisse. Mit der Klage begehrt die Klägerin Ersatz der Kosten zum Austausch der mangelhaften Bauteile.

Die Entscheidung des OLG Bremen vom 17.03.2023 (Az. 2 U 32/20)

Das Landgericht Bremen verurteilte die Beklagte dem Grunde nach zum Schadensersatz. Hiergegen legte dieselbe erfolgreiche Berufung ein.

Das Oberlandesgericht stellte fest, dass die Bauteile aufgrund einer fehlenden LR-Zulassung mangelhaft seien. Die Parteien haben mit der Absprache, dass die Bauteile von einem Hersteller mit LR-Zulassung stammen müssen eine Beschaffenheitsvereinbarung geschlossen. Das sei bei den gelieferten Bauteilen aber wenigstens zum Teil nicht der Fall gewesen. Allerdings könne die Klägerin hierauf keine Gewährleistungsrechte stützen, da sie ihrer Rügeobliegenheit nicht nachkam.

Nach der handelsrechtlichen Rügeobliegenheit gelte die Ware als genehmigt, wenn der Käufer eines Handelskaufes die gebotene unverzügliche Anzeige eines Mangels unterlässt. Das Gericht erklärte, die Klägerin hätte die Waren daraufhin untersuchen müssen, ob die jeweiligen Hersteller der gelieferten Edelstahlbauteile vom Lloyds Register zugelassen waren. Eine solche Kontrolle war mit vertretbarem Aufwand möglich und zumutbar da aufgrund der Weiterverarbeitung der Waren durch die Klägerin die Entstehung erheblicher Mangelfolgeschäden drohte. Hier konnte die Klägerin – ohne unzumutbaren Aufwand zu betreiben – die Prüfzeugnisse mit der Liste des Lloyds Registers abgleichen und nicht zertifizierte Waren erkennen. Sie durfte sich nicht allein auf eine Stichprobe einzelner Hersteller beschränken, da es sich bei der Ware jeweils um Bauteile verschiedenster Art von unterschiedlichen Herstellern handelte.

Das Gericht erklärte ferner, dass vorliegend eine „unverzügliche“ Mängelanzeige innerhalb von zwei Wochen ab Ablieferung, jedenfalls ab Zugang der Prüfzeugnisse hätte erfolgen müssen. Denn bei der fehlenden Zulassung einzelner Hersteller durch das Lloyds Register handele es sich um einen offenen Mangel, der bei sachgerechter Untersuchung der Waren hätte aufgedeckt und sogleich angezeigt werden müssen. Diese Rügefrist wurde von der Klägerin nicht eingehalten. Sie könne daher keine Gewährleistungsrechte geltend machen.

Praxishinweis

Das Urteil zeigt, welch entscheidende Rolle die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im täglichen Handelsgeschäft spielt. Schließlich gilt die Ware als genehmigt, wenn der Käufer diesen Obliegenheiten nicht im geforderten Umfang nachkommt. Umso wichtiger ist es, dass Käufer funktionierende Wareneingangskontrollen implementieren und im Fall eines Mangels rechtzeitig reagieren.

Welche Anforderungen an die Art und Weise der Untersuchung der Ware sowie an die „Unverzüglichkeit“ der Anzeige zu stellen sind, hängt vom Einzelfall ab. Sie bemessen sich unter anderem danach, welche Maßnahmen dem Käufer zugemutet werden können. Dabei sind insbesondere der für eine Überprüfung erforderliche Kosten- und Zeitaufwand sowie die zur Verfügung stehenden technischen Prüfungsmöglichkeiten und Kenntnisse entscheidend. Bei dem Kauf gleichartiger Massengüter kann eine Stichprobe durchaus ausreichen, sofern diese repräsentativ ist. Dabei ist die Masse an sich aber nicht entscheidend.

Ob Gewährleistungsrechte letztlich gewährt werden oder infolge einer fehlenden oder verspäteten Rüge ausgeschlossen sind, hängt also maßgeblich von der individuellen Bewertung des konkreten Falls ab. Um dieses Risiko des Käufers zu reduzieren wollen, kann eine entsprechende Vertragsgestaltung helfen. So können insbesondere Prüfungsumfang und Frist der Rüge abweichend geregelt werden.

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