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Drohnen-Fotos von Kunstwerken – eine Grenzziehung zwischen Urheberrechtsschutz und Panoramafreiheit

Das OLG Hamm (Urteil vom 27.04.2023 – 4 U 247/21) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob von einer Drohne angefertigte Luftbildaufnahmen von Werken der bildenden Kunst die Künstler in ihrem Urheberrecht verletzen oder ob derartige Aufnahmen unter dem Stichwort der „Panoramafreiheit“ nach § 59 UrhG zulässig sind. Die Kunstwerke waren auf Bergehalden installiert.

Sachverhalt

Bei der Klägerin handelt es sich um einen Verein, dessen Vereinszweck darin besteht, die Nutzungs- und Einwilligungsrechte sowie die Vergütungsansprüche von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten im visuellen Bereich (Maler, Bildhauer oder Fotografen) treuhänderisch wahrzunehmen. Zu diesem Zweck sind der Klägerin eine Reihe von Künstlern beigetreten, bei denen es sich um die Schöpfer von Installationen handelt, die auf Bergehalden im Ruhrgebiet errichtet wurden. Die Beklagte betreibt einen Buchverlag. Im Rahmen ihrer Verlagstätigkeit veröffentlichte die Beklagte zwei Bildbände, welche von Drohnen angefertigte Luftbildaufnahmen von den Installation der der Klägerin beigetretenen Künstler zeigen.

Die Klägerin forderte die Beklagte zunächst dazu auf, ihr die Auflagenhöhe der beiden Bildbände für eine Nachlizensierung der angefertigten Luftbilder mitzuteilen. Die Beklagte wies diese Forderung zurück und berief sich darauf, dass die Veröffentlichungen von der urheberrechtlichen Panoramafreiheit (§ 59 UrhG) gedeckt seien.

Entscheidungsgründe

Das OLG Hamm hat entschieden, dass es sich bei den streitgegenständlichen Installationen unstreitig um urheberechtlich geschützte Werke handelt (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) und die Veröffentlichung der hiervon angefertigten Luftbildaufnahmen einen Eingriff in das urheberrechtlich geschützte Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht (§§ 16, 17 UrhG) darstellen.

1. Inhalt der Panoramafreiheit

Die Kernfrage, ob dieser Eingriff in das Urheberrecht aufgrund der urheberrechtlichen Schrankenregelung der Panoramafreiheit (§ 59 UrhG) zulässig ist, verneint das Gericht. Die urheberrechtliche Panoramafreiheit erlaube es, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Das OLG stellte hierzu fest, dass sich die streitgegenständlichen Kunstwerke zwar an einem öffentlichen Ort befänden, da die Bergehalden, auf denen die Kunstwerke errichtet wurden, öffentlich zugänglich sind oder zumindest die Kunstwerke selbst von den öffentlichen Orten aus wahrgenommen werden können. Allerdings bedeute dies nicht, dass die Kunstwerke auch aus jedweder Perspektive abgelichtet werden dürfen. Zulässig seien nur diejenigen Perspektiven, die sich dem Betrachter auch von den öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus bieten. Dies sei bei den von der Beklagten angefertigten Bildern nicht der Fall, da diese mittels einer Drohne aus dem Luftraum angefertigt wurden.

2. Panoramafreiheit gilt nicht für Luftraum

Der Luftraum gehöre jedoch auch bei wohlwollender Auslegung der Panoramafreiheit nicht zu den in § 59 UrhG nicht abschließend gelisteten Örtlichkeiten. Die Panoramafreiheit betreffe von vorneherein nur diejenigen Perspektiven, die sich den Augen eines Menschen von allgemein zugänglichen Orten aus bieten. Insofern seien – auch um den Interessen der Urheber ausreichend Rechnung zu tragen – allein Orte und Einrichtungen erfasst, die einen Teil der Erdoberfläche bilden oder mit dieser zumindest dauerhaft und fest verbunden seien. Neben den in § 59 UrhG explizit genannten öffentlichen Wegen, Straße oder Plätzen zählte das Gericht auch öffentliche Wasserflächen, Aussichtstürme und Aussichtsplattformen zu den Orten, von denen aus Lichtbilder auch ohne Einwilligung angefertigt werden dürfen. Der Luftraum unterscheide sich von diesen Orten, da der Mensch diesen nicht allein mit seinen natürlichen Fortbewegungsmöglichkeiten, sondern ausschließlich mit besonderen Hilfs- und Fortbewegungsmitteln erreichen könne (bspw. als Passagier eines Flugzeugs).

3. Anschluss an BGH-Rechtsprechung

Das Urteil des OLG Hamm fügt sich darüber hinaus auch in die bestehende Rechtsprechung zur Reichweite des Urheberrechts im Zusammenhang mit der Panoramafreiheit ein, da es sich in seinen Entscheidungsgründen an den in der BGH-Rechtsprechung „AIDA-Kussmund“ (Urteil vom 27.04.2017 – I ZR 247/15) aufgestellten Grundsätzen orientiert. Wie das OLG ausführte, hatte der BGH dort im Hinblick auf den Zweck der Panoramafreiheit klargestellt, dass diese keine Aufnahmen des Werkes umfasst, die unter Verwendung besonderer Hilfsmittel (wie einer Leiter) oder nach Beseitigung blickschützender Vorrichtungen (wie einer Hecke) angefertigt worden sind. Das OLG schloss sich den Ausführungen des BGH vollumfänglich an und wandte diese sodann konsequent auf den vorliegenden Fall an. Insofern handelt es sich bei einer Drohne – die im Vergleich zu einer Leiter nicht einmal Kontakt mit dem Boden hat – erst recht um ein Hilfsmittel, mit dem zudem blickverwehrende Vorrichtungen ohne Probleme umgangen werden können.

Praxishinweis

Das Urteil des OLG Hamm setzt damit der Panoramafreiheit zugunsten des Urheberrechtsschutzes deutliche Grenzen. Damit trägt das Gericht zunächst dem Grundsatz Rechnung, wonach Schranken des Urheberrechtsschutzes ihrerseits eng auszulegen sind, um so eine Aushöhlung des urheberrechtlichen Schutzes zu vermeiden.

Dabei scheint auch die Differenzierung in der Rechtsprechung zwischen

  • Orten, die der Mensch allein mit seinen natürlichen Fortbewegungsmöglichkeiten erreichen kann, und
  • andererseits solchen Orten, die nur mit Hilfsmitteln, wie etwa einer Leiter, einem Heißluftballon oder gar einer Drohne, erreicht werden können,

nicht nur praktisch gut handhabbar, sondern auch sachgerecht. Denn mit dem Fortschritt der Technik würde sonst die Gefahr bestehen, mithilfe von Drohnen Lichtbilder aus allen erdenklichen Perspektiven aufzunehmen, die dann unter Berufung auf die Panoramafreiheit zulässig und damit frei verwertbar wären. Einer damit einhergehenden Aushöhlung des Urheberechts hat das OLG mit der vorliegenden Entscheidung nun erstmal einen Riegel vorgeschoben.

Vor diesem Hintergrund sollte aktuell auf die Anfertigung von Drohnenbildern von urheberrechtlich geschützten Werken verzichtet werden, da andernfalls Unterlassungs- wie auch Schadenersatzansprüche drohen. Für die Urheber sind dies zunächst gute Nachrichten, da damit auch ihre an nicht öffentlich zugänglichen Orten aufgestellten Werke Schutz genießen und die Verwertung entsprechender Fotos verfolgt werden kann. Allerdings ist dies lediglich der Status Quo: Das OLG Hamm hat die Revision zugelassen, sodass der BGH nun die Möglichkeit haben wird, über das Spannungsfeld zwischen Panoramafreiheit und technischer Entwicklung zu entscheiden.

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