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Keine Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung bei Wegfall der Stelle durch unternehmerische Entscheidung

Eine Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers ist dem Arbeitgeber nicht unmöglich, wenn der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit auf einer eigenen unternehmerischen Entscheidung des Vertragsarbeitgebers beruht. Dieser Fall sei anders zu bewerten als derjenige, in dem eine Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund solcher Faktoren wegfällt, die nicht vom Willen des Arbeitgebers abhängen. So hat das BAG im Rahmen eines Rechtsbeschwerdeverfahrens über die Vollstreckung eines Weiterbeschäftigungsanspruches nach § 888 ZPO entschieden.

Sachverhalt

Im Rahmen der Rechtsbeschwerde stritten die Parteien über die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers (Gläubiger der Zwangsvollstreckung) bei der Arbeitgeberin (Schuldnerin der Zwangsvollstreckung). Der Arbeitnehmer war seit dem Jahr 2013 bei der Arbeitgeberin als kaufmännischer Leiter beschäftigt. Die Arbeitgeberin hatte das Arbeitsverhältnis im Oktober 2021 fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Das Arbeitsgericht hatte dem vom Arbeitnehmer gestellten Kündigungsschutzantrag erstinstanzlich stattgegeben und die Arbeitgeberin verurteilt, den Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen. Zudem erteilte es dem Arbeitnehmer eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils. Diese wurde der Arbeitgeberin Ende April 2022 zugestellt. Die Berufung der Arbeitgeberin gegen das erstinstanzliche Urteil, mit der die Arbeitgeberin auch die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil begehrte, wies das Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz im August 2022 zurück, nachdem das Arbeitsgericht Kassel auf Antrag des Arbeitnehmers im Juli 2022 ein Zwangsgeld in Höhe von 7.073,48 Euro, ersatzweise für je 1.000,00 Euro einen Tag Zwangshaft, festgesetzt hatte.

Die Arbeitgeberhin habe nicht glaubhaft gemacht, dass die Vollstreckung ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Die Arbeitnehmerin wandte ein, dass ihr die Weiterbeschäftigung aufgrund des Wegfalles der Position des Arbeitnehmers unmöglich geworden sei. Dabei trug sie vor, aufgrund eigener unternehmerischer Entscheidung habe sie Umstrukturierungen vorgenommen, die zum ersatzlosen Wegfall der Position des kaufmännischen Leiters geführt hätten.

Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts legte die Arbeitgeberin Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht ein.

Entscheidungsgründe

Das Bundesarbeitsgericht wies die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin zurück. Die eingelegte Beschwerde sei zwar zulässig, jedoch unbegründet. Die Festsetzung eines Zwangsgeldes, ersatzweise der Zwangshaft sei rechtsfehlerfrei erfolgt. Zur Begründung führte es aus: Bei der Weiterbeschäftigung handele es sich um eine unvertretbare Handlung, zu der die Arbeitgeberin grundsätzlich durch Zwangsgeld oder Zwangshaft angehalten werden könne. Im Zwangsvollstreckungsverfahren sei zwar gemäß § 888 ZPO zu prüfen, ob die zu vollstreckende Handlung der Schuldnerin unmöglich geworden ist. Denn bestünde eine solche Unmöglichkeit, könne von der Arbeitgeberin keine Handlung mehr verlangt werden. Denn § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO setzte voraus, dass die zu erzwingende Handlung ausschließlich vom Willen der Arbeitgeberin als Schuldnerin abhänge. Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Im Unterschied zu einer vorangegangenen Entscheidung des BAG (Urteil vom 05.02.2020, 10 AZB 31/19) sei die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im vorliegenden Fall aufgrund einer eigenen unternehmerischen Entscheidung, nicht aufgrund externer, nicht im Willen der Vertragsarbeitgeberin liegender Faktoren, weggefallen. Dies habe die Arbeitgeberin selbst so vorgetragen. Aus dem Vortrag der Arbeitgeberin habe sich nicht ergeben, dass sie nicht in der Lage gewesen wäre, den betrieblichen Ablauf so zu organisieren, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers möglich bleibt. Auch wenn die gerichtliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen grundsätzlich nur darauf abzielen dürfe, Missbrauch zu verhindern, sei diese Feststellung hier möglich. Im Übrigen könne der Einwand des Wegfalles der Beschäftigungsmöglichkeit ohnehin nur dann berücksichtigt werden, wenn der Wegfall unstreitig oder offenkundig sei. Dies sei hier beides nicht der Fall. Der Berücksichtigung des hier streitigen und nicht offenkundigen Sachverhalts stünden die im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren eingeschränkten Beweis- und Erkenntnismöglichkeiten entgegen. Das arbeitsgerichtliche Zwangsvollstreckungsverfahren sei in besonderer Weise auf die Beschleunigung und frühzeitige Durchsetzung von Ansprüchen ausgelegt. Würde der Einwand der Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung hier geprüft, bestünde die Gefahr widerstreitender Entscheidungen in Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. Auch könne die Entscheidung über den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung regelmäßig umfangreiche und schwierig zu treffende Feststellungen erfordern, die das Zwangsvollstreckungsverfahren über die Maßen belasten würden. Ein Arbeitgeber bleibe so auch nicht schutzlos. Schließlich könne er sich mit Rechtsmitteln im Erkenntnisverfahren, sollten diese Erfolg haben, im Ergebnis auch gegen die Zwangsvollstreckung wehren.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des BAG ist im Hinblick auf Sinn und Zweck des arbeitsgerichtlichen Zwangsvollstreckungsverfahrens konsequent. Arbeitgeber sollten beachten, dass die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung nur dann erfolgreich eingewandt werden kann, wenn sie nicht Folge einer unternehmerischen Entscheidung des Vertragsarbeitgebers ist. Nur der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund externer Faktoren, die nicht mit Willen des Arbeitgebers bestimmt wurden, kann die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung begründen. Der Einwand der Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung findet im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Zwangsvollstreckungsverfahrens zudem nur Beachtung, wenn der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit unstreitig oder offenkundig ist. Das führt dazu, dass sich Arbeitgeber selbst bei Vorliegen externer Faktoren in der Regel nicht erfolgreich auf die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung werden berufen können – zumindest im arbeitsgerichtlichen Vollstreckungsverfahren. Vor diesem Hintergrund kann Arbeitgebern nur empfohlen werden, Rechtsmittel im Erkenntnisverfahren einzulegen, die dann auch im Rahmen der Zwangsvollstreckung beachtlich werden können.

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