christoph fingerle arbeitsrecht webp 1.jpgandreas schubert arbeitsrecht webp 1.jpg

Kein Schadensersatzanspruch bei Rechtsmissbrauch im Bewerbungsverfahren

Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 20.01.2023 (Az. 3 Sa 898/22) entschieden, dass einem Arbeitnehmer bei Ablehnung im Bewerbungsverfahren kein Schadensersatz zusteht, wenn der Bewerber sich aus dem einzigen Grund der Geltendmachung eines Schadensersatzes um die Stelle bewirbt.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) wegen einer Benachteiligung wegen des Geschlechts.

Der Beklagte betreibt ein Umzugsunternehmen in Berlin und veröffentlichte auf eBay-Kleinanzeigen eine Stellenanzeige, wonach der Beklagte eine Sekretärin sucht. Der Kläger bewarb sich via Kleinanzeigen auf die Stelle und fragte explizit „Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau? In ihrer Stellenanzeige haben Sie dies so angegeben. Ich habe eine kaufmännische abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann und suche derzeit eine neue Herausforderung“. Bewerbungsunterlagen fügte er nicht bei. Sein Anschreiben endete mit der Grußformel: „Mit freundlichen Grüßen Herr E.“

Per E-Mail vom 2. September 2021 erhielt der Kläger die folgende Rückmeldung: „Es wird lediglich eine Frau als Sekretärin gesucht. Der Geschäftsführer möchte es so. Sorry. (…) Die Firma möchte ausschließlich eine weibliche Sekretärin."

Mit seiner Klage hat der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung geltend gemacht. Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Berlin war der Ansicht, dass das Entschädigungsverlangen des Klägers der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenstehe. Der Kläger habe sich nicht beworben, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten. Vielmehr sei es ihm mit der Bewerbung darum gegangen, nur den formalen Status eines Bewerbers im Sinn von § 6 Absatz 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen. Eine Würdigung aller Umstände im Zusammenhang mit der Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle lasse keinen anderen Schluss zu, als dass der Kläger es mit dem Text seiner Bewerbung geradezu auf eine Absage des Beklagten angelegt, mithin die Absage provoziert habe. Der Kläger habe von Beginn an das Augenmerk des Lesers darauf gelenkt, dass es sich bei dem Bewerber um einen Mann handele. So habe er in der Grußformel das Wort „Herr“ verwendet, wodurch er an dieser Stelle hervorgehoben habe, dass der Bewerber männlichen Geschlechts sei und auch als solcher angesprochen werden möchte. Bereits dies zeige, dass es dem Kläger gerade nicht darum gegangen sei, den Beklagten mit seiner Bewerbung davon zu überzeugen, dass er der bestgeeignete beziehungsweise jedenfalls ein geeigneter Bewerber gewesen sei, sondern dass er beabsichtigte, dem Beklagten bereits nach dem ersten Lesen des Bewerbungstextes einen Grund für eine Absage zu geben, nämlich den Grund, dass der Kläger ein Mann sei und der Beklagte eine Frau für die Stelle suche.

Unter anderem dies begründe einen Rechtsmissbrauchseinwand. Durch unredliches Verhalten erlangte Rechte oder Rechtsstellungen seien jedoch grundsätzlich nicht von der Rechtsordnung geschützt. Ein Anspruch des Klägers bestehe daher nicht.

Hinweis für die Praxis

Im Rahmen von Bewerbungsverfahren ist höchste Sorgfalt angezeigt. Eine Absage etwa mit der Begründung, man suche „frische Absolventen“ für ein „junges Team“ und hierzu gehöre der/die BewerberIn „leider“ nicht, trägt den Stempel der Altersdiskriminierung auf der Stirn. Auch Stellenausschreibungen, vergleichbar dem vorliegenden Fall, mit dem Titel „Sekretärin gesucht“, „Mechaniker aufgepasst“ oder „Sie sind jung, dynamisch und engagiert“ sind ohne jegliche Differenzierung mehr als unglücklich. Von der Stellenausschreibung der Antidiskriminierungsberatungsstelle der HU Berlin, welche 2021 in der Presse diskutiert wurde und in welcher „weiße Menschen“ darum gebeten wurden, von einer Bewerbung für die Beratungsstelle abzusehen, ganz zu schweigen.

Neben diesen klaren Fällen gibt es jedoch häufig Konturierungen in Bewerbungsverfahren, die nicht ganz so eindeutig sind. Wichtig ist hierbei jedoch, dass die Beweislastumkehr des § 22 AGG dazu führt, dass allein der Vortrag von Indizien ausreichend ist, um die volle Beweislast dafür, dass keine Diskriminierung erfolgt ist, beim Gegenüber, sprich dem Arbeitgeber, zu verorten. Arbeitgeber und auch Personalvermittlungsunternehmen sind daher gut beraten, eine Compliance für Stellenausschreibungs- und Bewerbungsverfahren einzurichten, um nicht Gefahr zu laufen, sich Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu sehen, die sich bei entsprechender Sorgfalt hätten vermeiden lassen.

Kontakt > mehr