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Die Absage einer Stelle mit der Begründung, die Tätigkeit sei eher etwas „für flinke Frauenhände“ ist eine Benachteiligung wegen des Geschlechts

Unmittelbar wegen des Geschlechts benachteiligend ist es, wenn ein männlicher Bewerber eine Stellenabsage mit der Begründung erhält, „unsere sehr kleinen filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände“ – das hat das Landesarbeitsgericht Nürnberg entschieden und den beklagten Modellauto-Hersteller zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verurteilt.

Sachverhalt

Der Kläger hatte sich bei der Beklagten, einem Modellauto-Hersteller, auf eine Stelle als „Bestücker“ (m/w/d) für eine Digitaldruckmaschine beworben. In der Stellenanzeige waren als notwendige Qualifikationen unter anderem „Fingerfertigkeit“ bzw. „Geschick“ angegeben, weil es sich bei den eingesetzten Teilen um sehr kleine handelte, bei denen die Positionierung teilweise unter Zuhilfenahme einer Pinzette erfolgen müsse.

Auf seine Bewerbung hin erhielt der Kläger eine Absage mit der Begründung, „unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände“.

Im Prozess trug die Beklagte rechtfertigend vor, sie sei bei der Recherche nach dem Kläger im Internet auf Bilder gestoßen, anhand derer erkennbar gewesen sei, dass dieser über sehr große Hände verfügte.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hatte eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts angenommen, der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 3.300 Euro verurteilt. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein. Im Rahmen der Berufungsbegründung führte die Beklagte aus, die Formulierung „flinke Frauenhände“ betone lediglich die Bedeutung kleiner Hände und feingliederiger Finger für die geforderte Tätigkeit, aus ihr lasse sich indes keine Benachteiligung wegen des Geschlechts ableiten.

Entscheidungsgründe

Das LAG schloss sich dem erstinstanzlichen Urteil in der Sache an, indem es eine Benachteiligung wegen des Geschlechts annahm. Es reduzierte lediglich die Höhe der zu zahlenden Entschädigung auf 2.500 Euro (1,5faches Bruttomonatsgehalt), da es weitergehende negative Folgen der Benachteiligung für den Kläger nicht annahm. Dieser hatte nach eigenen Angaben nur kurze Zeit später einen Arbeitsvertrag bei einem anderen Arbeitgeber unterzeichnet.

In seinem Urteil führte das LAG aus: Die Formulierung mit den „flinken Frauenhänden“ habe, sofern man zu Gunsten der Beklagten gegen den eindeutigen Wortlaut der Ablehnung davon ausgehe, dass das Ablehnungsschreiben selbst noch keine unmittelbare Benachteiligung darstelle, jedenfalls den Charakter einer Indiztatsache nach § 22 AGG. Die Darlegungs- und Beweislast liege deshalb bei der Beklagten. Sie müsse den vollen Gegenbeweis führen, dass nicht gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen wurde. Hierzu fehle es bereits an einem ausreichenden Vortrag.

Aus der durch die Beklagten getätigten Internet-Recherche lasse sich das Fehlen einer guten Fingerfertigkeit nicht schließen.

Vielmehr hätte die Beklagte dem Kläger die Gelegenheit geben müssen, mittels Probearbeit nachzuweisen, dass er zu der kleinteiligen Arbeit in der Lage ist. Eben diese Gelegenheit sei dem Kläger aufgrund seines Geschlechts verwehrt worden, weshalb eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vorläge. Daran ändere auch nichts, dass die Beklagte den Kläger nach dessen Forderungsschreiben, in dem der Kläger eine Entschädigung geltend machte, doch noch zum Vorstellungsgespräch eingeladen habe. Denn dabei handele es sich um die Bemühung, eine Entschädigungsklage zu verhindern, nicht um den Ausdruck ehrlichen Interesses an der Arbeit des Klägers.

Das Verhalten des Klägers sei mangels dahingehender Anhaltspunkte auch nicht rechtsmissbräuchlich. Es sei nicht erkennbar, dass es dem Kläger von Beginn an nur um den Erhalt einer Entschädigung gegangen sei.

Hinweis für die Praxis

Auch bei Stellen oder Tätigkeiten, die typischerweise mit einem Geschlecht assoziiert sind, müssen Arbeitgeber den gesamten Bewerbungsprozess objektiv und neutral gestalten, um Benachteiligungen wegen des Geschlechtes und mögliche Entschädigungszahlungen zu vermeiden. Dazu gehört, auch Bewerbern, die auf den ersten Blick weniger in Betracht zu kommen scheinen, die Chance zu geben, im Rahmen eines Probearbeitens ihre Eignung unter Beweis zu stellen.

Erstaunlicherweise nicht thematisiert wurden in diesem Prozess datenschutzrechtliche Fragestellungen, die sich hinsichtlich der arbeitgeberseits durchgeführten Internetrecherche über den Bewerber mit dem Ergebnis einer vermeintlich unpassenden Handgröße ergeben. Mit diesem Vorgehen riskierte der Beklagte indessen weitere Entschädigungsforderungen wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Vorschriften, weil eine Einwilligung des Klägers in eine entsprechende Hintergrundrecherche sicher nicht vorlag und die mit der Recherche verbundene Datenerhebung und -verwendung auch nicht erforderlich gewesen sein dürfte.

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