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Einziehung von Gesellschaftsanteilen

Ein Einziehungsbeschluss ist nichtig, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung feststeht, dass die hierfür zu zahlende Vergütung das Stammkapital der Gesellschaft beeinträchtigt.

Sachverhalt

In dem vom OLG Brandenburg zu entscheidenden Fall geht es um die Wirksamkeit der Einziehung eines Gesellschaftsanteils.

Hintergrund des Falls ist der Streit zweier Gesellschafter über Anteile an ihrer Gesellschaft. Die zwei Gesellschafter waren hälftig an einer GmbH beteiligt. Diese GmbH wies in ihren Jahresabschlüssen einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus.

Ab 2017 stritten die Gesellschafter über ihre Anteile an der Gesellschaft. Dies gipfelte in diversen Verfahren und Rechtsstreitigkeiten, u.a. wurden die Einziehung des Geschäftsanteils des geschäftsführenden Gesellschafters und seine Abberufung als Geschäftsführer beschlossen. Der geschäftsführende Gesellschafter klagte zunächst erfolgreich gegen den Beschluss; außerdem beschloss er seinerseits den Ausschluss seines Mitgesellschafters aus der Gesellschaft. Sein Mitgesellschafter erhob daraufhin ebenfalls Klage. Dabei berief er sich unter anderem darauf, dass das Kapital der Gesellschaft für die Zahlung einer Abfindung nicht ausreiche.

Das Landgericht Potsdam folgte dieser Argumentation und erklärte den Einziehungsbeschluss für nichtig. Dagegen legte der geschäftsführende Gesellschafter Berufung ein, über die das Oberlandesgericht Brandenburg entschied.

Das Urteil des OLG Brandenburg vom 29.06.2022 (Az. 4 U 214/21)

Das OLG Brandenburg bestätigte die Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses und wies die Berufung insoweit zurück. Er stellte klar: Auszahlungen an die Gesellschafter dürfen nicht zu einer Vertiefung der Unterbilanz, d.h. einem Eigenkapital unter dem Stammkapital, führen. Das gelte auch, wenn es sich um einen Abfindungsanspruch infolge einer Anteilseinziehung handele. Der entsprechende Beschluss sei daher nichtig, wenn im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung klar sei, dass das Vermögen der Gesellschaft abzüglich des Stammkapitals für die Auszahlung nicht genüge.

Praxishinweis

Die Einziehung von Gesellschaftsanteilen darf bei der GmbH nur erfolgen, wenn sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist. Daher ist schon bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags darauf zu achten, dass sich die Gesellschafter darüber einig sind, ob sie eine solche Klausel aufnehmen wollen und an welche Voraussetzungen diese gebunden sein soll. In Ergänzung oder als Alternative können auch Regelungen über eine zwangsweise Abtretung von Geschäftsanteilen und/oder dem Ausschluss von Gesellschaftern aus der Gesellschaft getroffen werden.

Auch wenn der Gesellschaftsvertrag eine Einziehung von Geschäftsanteilen zulässt, kann der Grundsatz der Kapitalerhaltung einer wirksamen Einziehung entgegenstehen, wie die Entscheidung des OLG Brandenburg bestätigt. Das heißt: Selbst wenn dem Grunde nach eine Einziehung möglich ist, scheitert sie, wenn die GmbH sich die Abfindung nicht „leisten kann“. Die deutliche Aussicht, dass für die Abfindung nicht genügend freies Vermögen vorhanden ist, macht bereits den Einziehungsbeschluss (nicht erst die Auszahlung selbst) unwirksam.

Das Urteil des OLG Brandenburg erinnert deswegen daran: Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist kein Selbstläufer. Sie muss sorgfältig vorbereitet und – vor allem mit Blick auf das erforderliche freie Vermögen für die Zahlung einer Abfindung – auf ihre Wirksamkeit geprüft werden. Ist eine Einziehung nicht möglich, müssen die Gesellschafter Alternativen in den Blick nehmen, beispielsweise eine zwangsweise Abtretung des Geschäftsanteils (mit der Übernahme der Abfindungslast durch den Erwerber) oder Kapital- oder sonstige Finanzierungsmaßnahmen (z.B. die Abgabe von Patronatserklärungen), die die Unterbilanz der GmbH und damit das Einziehungshindernis beseitigen.

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