Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Zulässigkeit der Vereinbarung eines Abfindungshöchstbetrages und einer Klageverzichtsprämie

Das Bundesarbeitsgericht hat vom Grundsatz her bestätigt, dass in einem Sozialplan ein Abfindungshöchstbetrag festgelegt und ergänzend in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung eine Regelung aufgenommen werden darf, dass nur die Arbeitnehmer eine höhere Abfindung erhalten, die sich nicht gegen eine Kündigung wehren.

Sachverhalt

Dem Urteil des BAG vom 07.12.2021 (1 AZR 562/20) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien stritten u. a. über die Zahlung einer Klageverzichtsprämie, darüber hinaus einer höheren Sozialplanabfindung, weil der klagende Arbeitnehmer meinte, aufgrund eines in einem Sozialplan vorgesehenen Maximalbetrages wegen seines Alters diskriminiert zu werden.

Nach dem Sozialplan standen den betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Arbeitnehmern Abfindungen zu, deren Höhe u. a. abhängig war vom Lebensalter, der Betriebszugehörigkeit und einem Faktor. Die Betriebspartner hatten dabei für Altersgruppen unterschiedliche Faktoren für die Berechnung der Abfindung vorgesehen. Der auch vom Wegfall des Arbeitsplatzes betroffene Kläger befand sich in der Altersgruppe zwischen 59 - 60 Jahren. Die Höhe der Abfindung pro Arbeitnehmer war auf einen max. Höchstbetrag von EUR 75.000 (Kappungsgrenze) beschränkt.

Die betroffenen Arbeitnehmer konnten aufgrund einer weiteren Betriebsvereinbarung auch noch eine Klageverzichtsprämie erhalten, wenn sie gegen eine Kündigung keine Kündigungsschutzklage erheben, mit der sich die Abfindung erhöhte.

Der Kläger wehrte sich nicht gegen die ausgesprochene Kündigung. Die verklagte Arbeitgeberin zahlte an den Kläger als Abfindung den Höchstbetrag mit EUR 75.000, aber keine weitere Klageverzichtsprämie, weil sei meinte, auch unter Berücksichtigung der Klageverzichtsprämie sei kein Betrag oberhalb des Höchstbetrages geschuldet. Der Arbeitnehmer klagte auf Zahlung der Klageverzichtsprämie, die er mit EUR 26.635,12 EUR errechnete, zudem auf eine um EUR 26.213,45 höhere Abfindung, weil ihn der im Sozialplan vorgesehene Höchstbetrag wegen seines Alters benachteilige und deshalb die Kappungsgrenze unwirksam sei.

Das ArbG Weiden hat die Klage abgewiesen, das LAG Nürnberg die folgende Berufung zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hatte beim BAG teilweise Erfolg, er hat aber nur Anspruch auf Zahlung der Klageverzichtsprämie.

Das BAG ging davon aus, dass nach dem Wortlaut der vereinbarten Regelung die Klageverzichtsprämie bereits nicht unter die Höchstbetragsklausel fällt. Es stellte im Rahmen der Auslegung zudem fest, dass auch nur eine solche Auslegung überhaupt zu einer wirksamen Regelung führt. Die Berücksichtigung der Klageverzichtsprämie bei der Anwendung der Höchstbetragsregelung würde zu einer nicht gerechtfertigten Differenzierung verschiedener Arbeitnehmergruppen führen. Arbeitnehmer, deren Sozialplanabfindung bereits ohne oder jedenfalls unter Hinzurechnung der Klageverzichtsprämie den Betrag von EUR 75.000 übersteigt, erhielten für einen Klageverzicht keine oder nur eine geringere finanzielle Leistung als diejenigen Arbeitnehmer, deren Sozialplanabfindung niedriger sei. Eine solche Ungleichbehandlung wäre gemessen am Zweck der Klageverzichtsprämie sachlich nicht gerechtfertigt und würde gegen den betrieblichen Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßen.

Das BAG bestätigte mit der Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, dass eine Klageverzichtsprämie nicht deshalb unwirksam ist, weil durch sie das Verbot umgangen worden wäre, Sozialplanleistungen von einem Verzicht des Arbeitnehmers auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage abhängig zu machen. Es hat ausdrücklich klargestellt, dass eine etwaige Umgehung dieses Verbots nicht allein deshalb vorliege, wenn dem „an sich” für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen zum Nachteil der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer Mittel entzogen und im Bereinigungsinteresse des Arbeitgebers eingesetzt werden. Betriebsparteien verfügen über einen Gestaltungsspielraum bei der Entscheidung, ob, in welchem Umfang und wie sie die von ihnen prognostizierten wirtschaftlichen Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen oder abmildern wollen. Hierbei haben sie einen weiten Ermessensspielraum, weshalb sich eine Annahme verbiete, es gäbe ein „an sich” für den Sozialplan zur Verfügung stehendes finanzielles Volumen, welches funktionswidrig eingesetzt werden könnte.

Aus der im Sozialplan aufgenommenen Höchstbetragsklausel folgte keine unmittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG, da diese nicht an das Alter der betroffenen Arbeitnehmer anknüpft. Diese nur dem Anschein nach neutrale Regelung kann aber Arbeitnehmer bestimmter Altersgruppen i.S.v. § 3 Abs. 2 Halbsatz 1 AGG in besonderer Weise benachteiligen (mittelbare Benachteiligung), da Arbeitnehmer der Altersgruppe zwischen 51 - 60 Jahre typischerweise eine deutlich höhere Abfindung als jüngere oder rentennähere erhalten und diese damit eher von der Deckelung der Höhe des Sozialplans betroffen sein können.

Dies führte im entschiedenen Fall aber nicht zu einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters, weil die Ungleichbehandlung nach § 3 Abs. 2 Halbsatz 2 AGG durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt war. Mit der Festlegung einer maximal zu zahlenden Abfindung kann nach Ansicht des BAG dem Umstand Rechnung getragen werden, dass für den Sozialplan zur Verfügung stehende finanziellen Mittel limitiert sind. Das BAG erkannte in der Deckelung, obwohl sich dies nicht aus dem Wortlaut des Sozialplans ergab, den Zweck, die Verteilungsgerechtigkeit sicherzustellen. Vor dem Hintergrund begrenzter Sozialplanmittel sollte möglichst allen vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe gewährt werden. Damit lag ein objektives Ziel vor, das selbst nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des verbotenen Anknüpfungsgrundes Alter nach § 1 AGG zu tun hat.

Die im Sozialplan vorgesehen Regelung war nach Ansicht des BAG auch geeignet und erforderlich, das rechtmäßige Ziel zu erreichen. Das Gericht prüfte dabei, ob der Sozialplan wegen der Deckelung evtl. seinen Normzweck verfehlt, zumindest die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer zu mildern. Die Zahlung einer Abfindung i.H.v. EUR 75.000 stellte nach Ansicht des BAG eine substanzielle Milderung der Nachteile der vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmer dar.

Hinweise für die Praxis

Das BAG hat mit dieser Entscheidung für die Praxis wichtig Hinweise gegeben: Es dürfen weiterhin in freiwilligen Betriebsvereinbarungen Prämien vorgesehen werden, die nur Arbeitnehmer erhalten, die sich nicht gegen eine Kündigung wehren. Auch können Kappungsgrenzen eingeführt werden, wenn die entstehenden Nachteile substantiell gemildert werden und wenn ein objektives Ziel mit der Deckelung verfolgt wird, ansonsten eine mittelbare Diskriminierung vorliegen kann. Was bei der Festlegung der unteren Grenze einer substantiellen Milderung zu beachten ist, musste das BAG im entschiedenen Fall nicht beantworten. Die eingehend begründete Entscheidung des BAG zeigt, dass bei der Aufstellung eines Sozialplans sehr sorgfältig gearbeitet werden muss.

Die Entscheidung hob auch hervor, dass Sozialpläne typischerweise eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion haben und die in ihnen vorgesehenen Leistungen damit kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste darstellt, was Betriebsräte und auch Arbeitnehmer immer wieder anders verstehen.

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