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Wirksamkeit der Wahl eines Store-Managers zum Betriebsrat

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Beschluss vom 04.05.2022 –7 ABR 14/21 entschieden, dass ein Store-Manager wirksam zum Betriebsrat gewählt werden kann, sofern er kein leitender Angestellter iSv § 5 Abs. 3 BetrVG ist. Maßgeblich hierfür sei die hinreichende unternehmerische Relevanz der zugewiesenen Personalführungsbefugnis.

Sachverhalt

Dem Beschluss des BAG liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Arbeitgeberin betreibt ein Einzelhandelsunternehmen für Dekorationsartikel mit bundesweit mehr als 58 Filialen, in welchen jeweils zwischen fünf und zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. Jede Filiale wird durch einen Filialleiter (Store-Manager) geleitet. Diese sind wiederum sieben District-Managern zugeordnet, deren Aufgabe u.a. die Sicherstellung der Einhaltung vertrieblicher und personeller Vorgaben durch die Filialen ist. In der Zentrale in H besteht eine für sämtliche Filialen zuständige Personalabteilung. In der Filiale „D“ ist Frau B als Store-Managerin eingestellt. Sie ist die unmittelbar fachliche und disziplinarische Vorgesetzte der im Store beschäftigten Mitarbeiter. Ihr Aufgabenbereich umfasst die Rekrutierung von Vollzeit- und Teilzeitkräften sowie Aushilfen unter Berücksichtigung von Budgetvorgaben, Entscheidung über die Entlassung von Mitarbeitern und den Ausspruch von Disziplinarmaßnahmen. Die technische Umsetzung erfolgt im Einzelnen jedoch durch die Personalabteilung. Die Personalleiterin unterschreibt Arbeitsverträge und Kündigungen. Im Dezember 2019 wurde in der Filiale „D“ eine Betriebsratswahl durchgeführt, bei welcher. Storemanagerin Frau B Mitglied des Wahlvorstands war in den Betriebsrat gewählt wurde. Während des Beschlussverfahrens ist Frau B aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und die weitere Wahlbewerberin Frau O in den Betriebsrat nachgerückt.

Die antragsstellende Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Betriebsratswahl sei unwirksam. Frau B sei als Storemanagerin leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG und habe damit weder Mitglied des Wahlvorstands sein dürfen noch sei sie wahlberechtigt oder wählbar gewesen. Sie sei zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern der Filiale befugt gewesen, der Hilfe der Personalabteilung habe sie sich nicht bedienen müssen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und den Wahlanfechtungsantrag abgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrte die antragstellende Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Das BAG schloss sich im Ergebnis der Auffassung des LAG an. Frau B sei im Zeitpunkt der Bestellung zum Wahlvorstandsmitglied und der Betriebsratswahl keine leitende Angestellte i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG gewesen. Frau B habe zwar, entgegen der Auffassung des LAG, über die nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG erforderliche Befugnis zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern verfügt. Die Tatsache, dass nicht sie selbst, sondern die Personalleiterin Arbeitsverträge und Kündigungen unterschrieben habe, stehe dieser Annahme nicht entgegen. Dies wirke sich im Ergebnis aber nicht aus, denn der Einstellungs- und Entlassungsbefugnis von Frau B als Store-Managerin fehlte es angesichts der Einzelfallumstände an einer hinreichenden unternehmerischen Relevanz. Eine etwaigen Personalkompetenz von Frau B habe sich im Zeitpunkt der Betriebsratswahl lediglich auf fünf Arbeitnehmer in einer von insgesamt 58 Filialen der Arbeitgeberin bezogen. Damit folge die erforderliche unternehmerische Bedeutung der Einstellungs- und Entlassungsbefugnis nicht aus der von ihr umfassten Anzahl der Arbeitnehmer. Auch sei kein qualitativ bedeutsamer Personenkreis von der Befugnis umfasst. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG lägen in einem solchen Fall regelmäßig nicht vor. Streitig sei zwar, ob eine hinreichende unternehmerische Bedeutung der Befugnis zur selbständigen Einstellung und Entlassung immer anzunehmen sei, wenn sie sämtliche Arbeitnehmer eines Betriebs i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG umfasse. Jedenfalls dann, wenn sich die Personalkompetenz (lediglich) auf die Arbeitnehmer einer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG als selbständiger Betrieb geltenden Organisationseinheit beziehe, könne hiervon jedoch nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Frau B sei im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Betriebsratswahl auch keine leitende Angestellte iSd. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG gewesen. Sie habe kraft ihrer Funktion keinen maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung der Arbeitgeberin ausüben können. Frau B sei in diesem Fall nur in einem unbedeutenden Umfang als Repräsentantin des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat aufgetreten.

Hinweis für die Praxis

Leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG dürfen weder Mitglied des Wahlvorstands sein, noch sind sie wahlberechtigt oder wählbar. In der Praxis unterfallen jedoch nur wenige Mitarbeiter tatsächlich dem Begriff des leitenden Angestellten. Maßgeblich ist hierbei nicht, was im Arbeitsvertrag vereinbart oder wie der Mitarbeiter darin bezeichnet wurde, sondern die Erfüllung der Kriterien des § 5 Abs. 3 BetrVG bei der tatsächlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses. Ein unzulässiger Ausschluss eines Mitarbeiters von oder die fälschliche Teilnahme eines tatsächlichen leitenden Angestellten an der Betriebsratswahl kann zur Anfechtbarkeit führen. Zur Vermeidung derartiger Fehler sollte die Wählerliste deshalb stets sorgfältig geprüft werden.

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