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Unwirksamkeit einer Ausschlussfrist

Eine Ausschlussfrist, die Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung nicht ausdrücklich ausnimmt, verstößt gegen § 202 BGB und ist daher unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion kommt nicht in Betracht. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 5. Juli 2022 (Az. 9 AZR 341/21) entschieden.

Sachverhalt

Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin war bei der Beklagten von 2012 bis 2017 als Bürokauffrau beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthielt unter der Überschrift „§ 10 Ausschlussfrist“ die folgende Regelung:

1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder sie erklärt sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Nach Beendigung ihrer Tätigkeit nahm die Klägerin die Beklagte vor dem Arbeitsgericht auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2013 bis 2017 in Anspruch. Die Beklagte beantragte die Klageabweisung u.a. mit der Begründung, der Abgeltungsanspruch sei gemäß § 10 des Arbeitsvertrags verfallen, da die Klägerin ihn nicht binnen der dort bestimmten Frist geltend gemacht habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage im wesentlichen Teil unter Verweis auf die im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist abgewiesen. In der Berufungsinstanz wurde das Urteil bestätigt. Mit ihrer Revision vor dem Bundesarbeitsgericht hatte die Klägerin nun Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BAG begründete seine Entscheidung damit, dass die Ausschlussfrist wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot, die Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch Rechtsgeschäft zu erleichtern (§ 202 Abs. 1 BGB), gemäß § 134 BGB nichtig sei. Wie das Landesarbeitsgericht erkannt habe, erfasse die weite Formulierung der Klausel auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts sei die Ausschlussfrist aber unwirksam, weil sie entgegen § 202 Abs. 1 BGB die Haftung wegen Vorsatzes begrenze. Sie könne deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden.

Bei § 202 Abs. 1 BGB handele sich um eine Verbotsnorm iSv. § 134 BGB. Das Verbot des § 202 Abs. 1 BGB, das für alle Schadensersatzansprüche aus Delikt und Vertrag gelte, bezwecke in Ergänzung von § 276 Abs. 3 BGB einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. § 202 Abs. 1 BGB erfasse dabei nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen. Infolge des gesetzlichen Verbots könne eine Haftung aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung nicht durch vertragliche Ausschlussfristen ausgeschlossen werden. Der Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB habe die Gesamtunwirksamkeit der Ausschlussfrist zur Folge.

Hinweise für die Praxis

Vertragliche Ausschlussfristen (auch „Verfallfristen“ genannt) fehlen heutzutage in kaum einem Arbeitsvertrag. Bei ihrer Formulierung ist indes Vorsicht geboten: Nimmt die Klausel von ihrem Anwendungsbereich nicht explizit solche Ansprüche aus, die kraft Gesetzes nicht ausgeschlossen bzw. verkürzt werden dürfen, hat dies oft die Gesamtunwirksamkeit der Klausel zur Folge. Zu denken ist insbesondere an Ansprüche wegen der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, an Ansprüche auf Mindestlohn nach dem MiLoG, AEntG oder AÜG oder eben an Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und unerlaubter Handlung.

Die richtige Klauselformulierung wird dadurch erschwert, dass die Rechtsprechung zu Ausschlussfristen einem stetigen Wandel unterliegt. So war das BAG noch bis 2020 davon ausgegangen, dass Ansprüche aus vorsätzlichen Vertragsverletzungen und unerlaubten Handlungen nach dem Willen der Vertragsparteien von Ausschlussfristen nicht erfasst werden und somit kein Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB vorliegt. Die hiesige Klausel hätte nach früherer Rechtslage also Bestand gehabt. Nicht zuletzt aufgrund ihrer finanziellen Bedeutung sind Arbeitgeber daher gut beraten, die Ausschlussfristen in ihren Musterverträgen regelmäßig auf ihre Aktualität hin überprüfen zu lassen.

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