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Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats bei Einführung von Microsoft Office 365

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Beschluss vom 08.03.2022 – 1 ABR 20/21 entschieden, dass die unternehmenseinheitliche Nutzung von Microsoft Office 365 mit der Möglichkeit einer zentralen Kontrolle von Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer aus zwingenden technischen Gründen eine betriebsübergreifende Regelung erfordert, für die der Gesamtbetriebsrat zuständig ist.

Sachverhalt

Dem Beschluss des BAG liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Arbeitgeberin unterhält mehrere Betriebe, darunter auch das „Kombi-V“ in W, ein Verteilzentrum mit etwa 2.000 Arbeitnehmern, bei welchen der antragstellende Betriebsrat gebildet ist. Für die übrigen Betriebe existieren jeweils eigenständige Betriebsräte. Zudem gibt es einen übergreifenden Gesamtbetriebsrat. Die Arbeitgeberin beabsichtigte, ein einheitliches Softwarepaket Office 365 von Microsoft in allen Betrieben zu nutzen. Hierbei sollte das gesamte Unternehmen für die Datenverarbeitung als einheitlicher Mandant mit zentraler Administration geführt werden. Beabsichtigt war, die dabei erstellten und erhobenen Daten in einer einheitlichen Cloud zu speichern. Im April 2019 stimmte der Gesamtbetriebsrat dem unternehmensweiten Einsatz zu. Bis Ende Juni 2020 waren im Verteilzentrum in W – neben den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin – auch zwei Teams der d GmbH mit insgesamt zwanzig Arbeitnehmern tätig. Die d GmbH entwickelt und betreut die Informationstechnologie im Konzern. Im Juni 2020 schlossen die Arbeitgeberin und die d GmbH eine Vereinbarung, mit welcher die gemeinsame Betriebsführung für das Verteilzentrum mit sofortiger Wirkung beendet wurde. Ende Juni 2020 zogen die Arbeitnehmer der d GmbH in ein anderes Betriebsgebäude um. Der antragstellende Betriebsrat der Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, er habe bei der Einführung und Anwendung des Softwarepakets mitzubestimmen. Für eine unternehmensweit einheitliche Regelung bestehe keine zwingende technische Notwendigkeit. Die zentralen Administrationsrechte könnten auf der jeweiligen betrieblichen Ebene geregelt und die Anwendung in den einzelnen Betrieben unterschiedlich ausgestaltet werden. Zudem bestehe die Möglichkeit, einzelne Module unabhängig von der Cloud zu nutzen. Eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats sei hingegen nicht gegeben, da in ihn Arbeitnehmer entsandt seien, die nicht dem Unternehmen der Arbeitgeberin angehörten. Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des antragstellenden Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der antragstellende Betriebsrat sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Das BAG schloss sich der Auffassung des LAG an. Die Administration der Software, die die Arbeitgeberin einführen wolle, könne nur einheitlich für das gesamte Unternehmen erfolgen. Die Administrationsrechte würden entsprechend zentral vergeben. Dadurch bestehe die Möglichkeit einer Kontrolle des Nutzungsverhaltens von Arbeitnehmern in allen Betrieben des Konzerns. Diese zentrale Überwachungsmöglichkeit verlange aus technischen Gründen zwingend eine betriebsübergreifende Regelung. Dass bei einzelnen Modulen benutzerbezogene Einstellungen vorgenommen werden könnten, führe zu keiner anderen Bewertung. Die zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeigneten Komponenten oder Funktionen seien technisch nicht auf bestimmte Personen oder Personengruppen einschränkbar. Sie lägen ausschließlich beim zentralen Administrator, der bei allen Nutzern in den einzelnen Betrieben nachverfolgen könne, zu welchen Zeiten sie mit dem Internet verbunden sind oder waren. Er habe zudem die – technisch nicht einschränkbare – Möglichkeit, auf sämtliche Benutzerdaten aus den Anwendungen des Moduls Office 365 ProPlus zuzugreifen.

Hinweis für die Praxis

§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen. Auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es hierbei nach der Rechtsprechung des BAG regelmäßig nicht an (vgl. BAG 11.12.2018 – 1 ABR 13/17). Insofern ist bei der Einführung von Software in mitbestimmten Unternehmen stets höchste Sorgfalt geboten. Dies vor allen Dingen dann, wenn in mehrgliedrigen Unternehmen IT-technische Lösungen umgesetzt werden sollen, die mehrere Betriebe des Unternehmens betreffen.

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