andreas imping arbeitsrecht p 1.jpg

YouTube-Video „IMPFUNG MACHT FREI“

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 12.09.2022 (22 Ca 223/22) entschieden, dass die fristlose Kündigung eines Lehrers des Landes Berlin wirksam ist, der auf YouTube ein Video veröffentlicht hat, das eine Darstellung des Tores eines Konzentrationslagers mit der Inschrift „IMPFUNG MACHT FREI“ enthielt.

Sachverhalt

Dem Urteil des Arbeitsgerichts Berlin liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Lehrer hat ein YouTube-Video unter dem Titel „Sie machen Tempo! Und Ich denke…“ veröffentlicht. Am Anfang des Videos wird für etwa 3 Sekunden ein Bild eingeblendet, auf dem das Tor eines Konzentrationslagers abgebildet ist. Der Originalschriftzug des Tores „ARBEIT MACHT FREI“ wurde durch den Text „IMPFUNG MACHT FREI“ ersetzt. Es folgt dann eine ebenfalls etwa 3 Sekunden lange Einblendung eines Tweets des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der eine Ausweitung der Impfangebote ankündigt und in dem er die Aussage „Impfen ist der Weg zur Freiheit“ trifft. Die Einblendungen zu Beginn des Videos werden weder durch Text noch durch mündliche Erklärungen näher erläutert. Abrufbar war das Video unter einem Standbild der ersten Einblendung des Videos.

Das Land Berlin hat den Lehrer unter anderem wegen der Veröffentlichung dieses Videos fristlos, hilfsweise fristgemäß gekündigt. Der Lehrer setze in dem Video das staatliche Werben um eine Impfbereitschaft in der Pandemie mit der Unrechtsherrschaft und dem System der Konzentrationslager gleich. Damit verharmlose er die Unrechtstaten der Nationalsozialisten und missachte die Opfer. Der Lehrer habe seine Schüler aufgefordert, seinen außerdienstlichen Aktivitäten im Internet zu folgen und sich in anderen Videos auch als Lehrer des Landes Berlin vorgestellt.

Der Lehrer sieht in dem Video keinen Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Er habe mit dem privaten Video ausschließlich scharfe Kritik an der Äußerung des bayrischen Ministerpräsidenten üben und deutlich machen wollen, dass diese der menschen- und rechtsverachtenden Polemik des Nationalsozialismus nahekomme. Das Video sei durch das Grundrecht auf Meinungsäußerung und Kunstfreiheit gedeckt.

Entscheidungsgründe

Das ArbG Berlin hat die Klage des Lehrers abgewiesen. Eine Auslegung des Inhalts des Videos ergebe nicht nur eine Kritik an der Äußerung des bayrischen Ministerpräsidenten, sondern auch an der allgemeinen, auch vom Land Berlin und der Schulsenatorin, getragenen Impfpolitik. Dabei überschreite der Lehrer durch den Vergleich des Bildes mit dem Text „IMPFUNG MACHT FREI“ mit der Impfpolitik das Maß der zulässigen Kritik. Die Kritik des Lehrers sei nicht mehr durch die Grundrechte der Meinungsfreiheit oder Kunstfreiheit gedeckt, sondern stelle eine unzulässige Verharmlosung des Holocausts dar. Eine Weiterbeschäftigung des Lehrers sei aus diesem Grund unzumutbar.

Hinweis für die Praxis

Der Arbeitgeber kann das außerdienstliche Verhalten nur beschränkt regeln. Daher kann der Arbeitgeber es dem Arbeitnehmer nicht untersagen, sich außerdienstlich im Internet, etwa in sozialen Netzwerken oder – wie vorliegend – auf YouTube, zu betätigen. Allerdings darf der Arbeitnehmer auch bei solchen außerdienstlichen Äußerungen im Internet nicht seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen. Das kann etwa der Fall sein, wenn Beleidigungen oder Verleumdungen des Arbeitgebers erfolgen oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verraten werden oder der Arbeitnehmer den Ruf des Arbeitgebers schädigt. Insbesondere darf ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nicht in seiner Freizeit mittels elektronischer „Newsletter“ Äußerungen tätigen, die darauf abzielen, den Staat oder die Verfassung zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen.

Eine sachliche Kritik als außerdienstliche Aktivität ist in der Regel vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und daher kündigungsrechtlich nicht relevant. Wenn aber kritische Äußerungen des Arbeitnehmers über den vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckten Rahmen hinausgehen, verletzen sie arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflichten. Diese Voraussetzung sieht das Gericht vorliegend als erfüllt an, weil der Landesbedienstete mit seiner (grundsätzlich statthaften) Kritik an einer Äußerung des bayrischen Ministerpräsidenten zum Thema Impfen den Holocaust in unzulässiger Weise relativiert und verharmlost, zumal er seine Schüler zum Schauen des hochgeladenen und somit frei abrufbaren Videos aufgefordert sowie sich als Lehrer des Landes Berlin ausdrücklich zu erkennen gegeben hat. Das muss das Land Berlin nicht sanktionslos hinnehmen. Das ArbG Berlin hat die Kündigungsschutzklage daher zu Recht abgewiesen.

Kontakt > mehr