Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fortbestand der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl der schwerbehinderten Beschäftigten in einem Betrieb unter fünf

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass bei Absinken der Anzahl der schwerbehinderten Beschäftigten in einem Betrieb unter fünf das Amt der Schwerbehindertenvertretung nicht vorzeitig endet.

Sachverhalt

Dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Oktober (7 ABR 27/21) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: In einem Betrieb einer Arbeitgeberin mit ungefähr 120 Mitarbeitern wurde im November 2019 eine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Zum 01.08.2020 sank die Zahl der schwerbehinderten Menschen in diesem Betrieb auf nur noch vier Beschäftigte. Die Arbeitgeberin informierte die Schwerbehindertenvertretung daraufhin, dass sie nicht mehr existiere und die schwerbehinderten Beschäftigten nunmehr von der Schwerbehindertenvertretung eines anderen Betriebs der Arbeitgeberin vertreten würden.

Die Schwerbehindertenvertretung des Betriebs beantragte, festzustellen, dass ihr Amt nicht aufgrund des Absinkens der Anzahl schwerbehinderter Menschen im Betrieb vorzeitig beendet sei.

Das Arbeitsgericht und im Anschluss auch das Landesarbeitsgericht wiesen den Antrag ab. Das Landesarbeitsgericht hatte seine Entscheidung mit einer Parallelität zwischen Betriebsverfassungsrecht und Schwerbehindertenvertretungsrecht begründet.

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das Amt der Schwerbehindertenvertretung war nicht vorzeitig beendet.

Das Bundesarbeitsgericht begründet seinen Beschluss damit, dass eine ausdrückliche Regelung, die das Erlöschen der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter unter den gesetzlichen Schwellenwert nach § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorsehe, im Gesetz nicht existiere. Auch sei eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit nicht aus gesetzessystematischen Gründen oder im Hinblick auf Sinn und Zweck des Schwellenwerts geboten.

Hinweise für die Praxis

Fälle, in denen die Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter in einem Betrieb nach einer Wahl der Schwerbehindertenvertretung dauerhaft unter den gesetzlichen Schwellenwert von fünf (vgl. § 177 Abs. 1 SGB IX) absinkt, sind sicher an der Tagesordnung. Aufgrund des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts steht jetzt fest, dass wenn eine Schwerbehindertenvertretung gewählt wurde, Arbeitgeber diese weiterhin bis zum Ablauf deren Amtszeit ordnungsgem. beteiligen müssen.

Dies gilt damit auch mit Blick auf die wichtige Regelung des § 178 Abs. 2 SGB IX. Ein Arbeitgeber hat hiernach die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat weiter der Schwerbehindertenvertretung die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Zu beachten ist, dass die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die ein Arbeitgeber ohne eine solche vorherige Beteiligung ausspricht, unwirksam ist.

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