Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Annahmeverzug nach Vorlage eines negativen Corona-Tests

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 10.08.2022, 5 AZR 154/22 – derzeit liegt nur eine Pressemitteilung Nr. 29/22 vor) hat entschieden, dass ein Arbeitgeber Vergütung wegen Annahmeverzug schuldet, wenn er einem Arbeitnehmer, der aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet zurückkehrt, ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände erteilt, obwohl der Arbeitnehmer entsprechend den verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Einreise aufgrund der Vorlage eines aktuellen negativen PCR-Tests und eines ärztlichen Attests über Symptomfreiheit keiner Absonderungspflicht (Quarantäne) unterliegt.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer ist Leiter der Nachtreinigung am Standort Berlin. Der Arbeitgeber produziert dort Lebensmittel für den Handel.

Der Arbeitgeber erstellte zum Infektionsschutz ein Hygienekonzept, das für Arbeitnehmer, die aus einem vom RKI ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren, eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot des Betriebs ohne Entgeltanspruch anordnet. Die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom 16.06.2020 sah zwar nach Einreise aus einem Risikogebiet grundsätzlich eine Quarantänepflicht für einen Zeitraum von 14 Tagen vor. Diese sollte aber nicht für Personen gelten, die über ein ärztliches Attest nebst aktuellem Laborbefund verfügen, der ein negatives Ergebnis eines PCR-Tests ausweist, der höchstens 48 Stunden vor Einreise vorgenommen wurde, und die keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung aufweisen.

Der Arbeitnehmer war im Zeitraum vom 11.-14.08.2020 wegen des Tods seines Bruders genehmigt in Urlaub in der Türkei, die zu dieser Zeit als Corona-Risikogebiet ausgewiesen war. Vor der Ausreise aus der Türkei unterzog sich der Arbeitnehmer einem Corona-PCR-Test, der ebenso wie der erneute Test nach Ankunft in Deutschland negativ ausfiel. Der Arzt des Klägers attestierte ihm zudem Symptomfreiheit.

Der Arbeitgeber verweigerte dem Kläger dennoch für die Dauer von 14 Tagen den Zutritt zum Betrieb und zahlte keine Arbeitsvergütung. Der Kläger verlangte von seinem Arbeitgeber Vergütung wegen Annahmeverzugs i.H.v. EUR 1.512,47 und meinte, der Arbeitgeber habe zu Unrecht die Annahme seiner Arbeitsleistung verweigert.

Das Arbeitsgericht Berlin und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg haben der Klage stattgegeben.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem Fünften Senat des BAG keinen Erfolg. Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 02.03.2022, 4 Sa 644/21) hatte zu Recht erkannt, dass sich der Arbeitgeber mit der Annahme der vom Arbeitnehmer angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug befand.

Das vom Arbeitgeber erteilte Betretungsverbot des Betriebs führte nicht zur Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers (§ 297 BGB), weil die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung von der Beklagten selbst gesetzt worden war. Dass dem Arbeitgeber die Annahme der Arbeitsleistung des Klägers aufgrund der konkreten betrieblichen Umstände unzumutbar war, war im Prozess nicht dargelegt.

Eine Weisung des Arbeitgebers, dem Betrieb des Arbeitgebers für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, ist nach Auffassung des BAG unbillig (§ 106 GewO) und daher auch unwirksam.

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch nicht die Möglichkeit eröffnet, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen. Hierdurch hätte der Arbeitgeber nach Ansicht des BAG den nach § 618 Abs. 1 BGB erforderlichen und angemessenen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erreichen und einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherstellen können.

Hinweise für die Praxis

Das BAG hat zwar mit Urteil vom 01.06.2022 (5 AZR 28/22) entschieden, dass ein Arbeitgeber zur Umsetzung der ihn treffenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen berechtigt sein kann, auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts Corona-Tests einseitig anzuordnen.

Das LAG Hamburg (13.10.2021, 7 Sa 23/21) hält es für zulässig, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Rahmen des Weisungsrechts angeordnet werden kann.

Liegt aber kein gesetzliches Beschäftigungsverbot vor, kann ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht gestützt auf das Weisungsrecht einfach nach Hause schicken, ihn damit nicht beschäftigen und die Vergütung auch nicht zahlen, auch wenn er mit der Maßnahme die Gesundheit anderer Arbeitnehmer schützen will. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer alle erforderlichen Tests durchgeführt, die nach der zum damaligen Zeitpunkt gültigen SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin erforderlich waren, und deshalb musste er sich nicht in Quarantäne begeben.

Etwas anderes kann im Einzelfall evtl. dann gelten, wenn es dem Arbeitgeber aufgrund von konkreten betrieblichen Umständen unzumutbar ist, den Arbeitnehmer auch in solchen Fällen zu beschäftigen. Die Entscheidungsgründe des Urteils des BAG liegen noch nicht vor, evtl. ergibt sich aus diesen, welche Fälle das Gericht hier vor Augen hat.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten zur Streitvermeidung prüfen, ob es eine Möglichkeit gibt, dass der Arbeitnehmer befristet seine Tätigkeit z.B. aus dem Home-Office heraus erbringt.

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