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Zustimmungspflicht eines Gesellschafters zu Sanierungsmaßnahmen

Kommanditisten einer Publikums-KG können auf Grund der Treuepflicht verpflichtet sein, Sanierungsmaßnahmen zuzustimmen. Diese Entscheidung kann auch auf andere Gesellschaften übertragen werden.

Hintergrund

Die klagenden Gesellschafter sind Kommanditisten der beklagten Publikums-KG, die ein Containerschiff erworben hat. Aufgrund der Schifffahrtskrise war es der KG ab 2009 nicht mehr möglich, die Zinsen und Raten für das Darlehen, das die KG zur Finanzierung des Schiffs aufgenommen hatte, zurückzuzahlen. Das daraufhin folgende Sanierungskonzept zur Rettung der KG sah unter anderem die Bereitstellung neuen Eigenkapitals durch neue Kommanditisten vor. Diese sollten für ihr eingebrachtes Eigenkapital Vorrechte bei der Gewinnverteilung und bei den Stimmrechten erhalten. Außerdem erklärte die Bank im Zusammenhang mit dem Sanierungskonzept einen Verzicht auf Dreiviertel der geschuldeten Darlehenssumme. Neben den neuen Kommanditisten hatten auch die alten Kommanditisten die Möglichkeit, sich mit entsprechendem Kapital unter den gleichen Bedingungen wie ein Neukommanditist einzubringen. Ohne dieses Sanierungskonzept wäre die Beklagte voraussichtlich insolvent geworden.

Das Sanierungskonzept und damit auch die Kapitalerhöhung wurden durch Gesellschafterbeschluss mit einer Mehrheit von über 75 % beschlossen, wobei die Kläger mit Nein stimmten. Den gefassten Beschluss fochten die Kläger an. Die Kläger machten geltend, der Beschluss sei nichtig oder zumindest anfechtbar. Denn durch die erweiterten Rechte der Neukommanditisten werde so einschneidend in den Kernbereich der Rechte der Kläger eingegriffen, dass die Änderung des Gesellschaftsvertrags auch die Zustimmung der Kläger erforderte.

Der Hinweisbeschluss des OLG Stuttgart vom 13.12.2016, Az. 14 U 51/16

Die klagenden Gesellschafter hatten keinen Erfolg. Das OLG Stuttgart bestätigte zwar, dass aufgrund der Satzungsänderung bzgl. der Gewinn- und Stimmrechtsverteilung ein Eingriff in den Kernbereich der bisherigen Kommanditisten vorliege und somit ein einstimmiger Gesellschafterbeschluss erforderlich gewesen war. Allerdings seien die Kläger aufgrund ihrer Treuepflicht gegenüber der Publikums-KG zur Zustimmung und Mittragung des Sanierungskonzepts verpflichtet gewesen. Daher seien die treuwidrig abgegebenen „Nein-Stimmen“ unbeachtlich und der Beschluss damit wirksam.

Nach dem OLG Stuttgart müssen drei Kriterien für eine Zustimmungspflicht eines Gesellschafters zum Sanierungskonzept erfüllt sein: (1.) Die Sanierungsbedürftigkeit der Gesellschaft, (2.) dass das Sanierungskonzept wirtschaftlich sinnvoll ist und (3.) dass die vorgesehenen Maßnahmen für den zustimmungspflichtigen Kommanditisten zumutbar sind. Diese Kriterien lagen vor. Auch komme der Gesellschaft hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Sanierung ein Ermessensspielraum zu, der gerichtlich nicht überprüfbar sei.

Anmerkung

Die erst kürzlich im Volltext veröffentlichte Entscheidung des OLG Stuttgart ist im Hinblick auf Sanierungskonzepte neu. Denn bislang konnten nach der Rechtsprechung nicht sanierungswillige Gesellschafter nur aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Das OLG hat nun argumentiert, dass der Verbleib des Gesellschafters in der Gesellschaft einem Ausschluss gegenüber ein „minus“ darstelle und somit ohne Weiteres zulässig sei. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass die strengen Kriterien für ein Sanierungskonzept vorliegen. Dass dem so ist, muss hierbei die Gesellschaft beweisen, da diese sich auf die Zustimmungspflicht der Gesellschafter beruft.

Diese Rechtsprechung dürfte auch auf andere Gesellschaften als Publikums-KGs übertragbar sein.

Problematisch könnte sein, dass das OLG der Geschäftsführung einen nicht überprüfbaren Ermessensspielraum bei der Entscheidung über das Sanierungskonzept einräumt. Ein solcher Spielraum führt im Ergebnis dazu, dass die Geschäftsführung teilweise die Bedingungen des Gesellschaftsvertrags regeln kann und nicht – wie sonst – die Gesellschafter. Hier bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung umsichtig mit dem Ermessensspielraum umgeht und wesentliche Entscheidungen (wie etwa die Einräumung eines anderen Gewinnerteilungsrechts oder von Stimmrechten) gerichtlich überprüfbar sind.

Eine gesellschaftsvertragliche Regelung zum Umgang mit Sanierungskonzepten wäre wünschenswert, wird sich aber oft nicht oder nur so allgemein durchsetzen lassen, dass Auslegungsprobleme bleiben. Sanierungswillige Gesellschafter und Geschäftsführer sollten sorgfältig dokumentieren, warum sie das zur Abstimmung gestellte Konzept wählen und aus welchen Gründen Alternativen ausscheiden.

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