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Familienunternehmen und Investitionsklausel – Neuer Gestaltungsbedarf nach der Erbschaftsteuerreform 2016

Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 30.06.2016 die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen neu zu regeln (BVerfG DStR 2015, 31). Nach Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat haben Bundestag und Bundestag das Gesetz am 04.11.2016 beschlossen. Damit ging ein langwieriger Reformprozess zu Ende, der sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich kontrovers begleitet worden ist. Nun ist am 22.06.2017 ein koordinierter Ländererlass veröffentlicht worden, indem weitere Hinweise zu den neuen Regelungen für die Praxis enthalten sind.

Im Ergebnis dürften die Änderungen für den Steuerpflichtigen nicht so belastend werden, wie zwischenzeitlich befürchtet. Denn neben einigen Verschärfungen wurden insbesondere differenziertere Regelungen zur Verschonung sowie zur Ermittlung des Verwaltungsvermögens aufgenommen. Ziele der Reform waren zum einen missbräuchliche gesellschaftsrechtliche Strukturen, wie die Cash-GmbH, zu unterbinden und zum anderen, nach den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG die alte Typisierung der Options- und Regelverschonung stärker auf die jeweiligen Besonderheiten unterschiedlicher Betriebsgrößen oder Führungsmodelle, wie das Familienunternehmen, anzupassen.

Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Gesetzgeber eine konsolidierte Form der Ermittlung des Verwaltungsvermögens auf Tatbestandsseite geschaffen. Beispielsweise wurden typische Gegenstände privater Lebensführung nun dem Katalog des Verwaltungsvermögens hinzugefügt und der Bestand der zulässigen Finanzmittel um 5% auf 15% gekürzt. Um Missbrauch zu vermeiden, werden junges Verwaltungsvermögen und junge Finanzmittel, die weniger als zwei Jahre ab Entstehung der Steuer dem Betrieb zuzurechnen sind, stets zum schädlichen Verwaltungsvermögen gezählt. Neue Privilegierungen sind für Altersversorgungspflichten und anteilige Schulden eingeführt worden. Da jeder Betrieb zur Gewährleistung seiner unternehmerischen Unabhängigkeit in gewissem Umfang Vermögen etwa als Finanzierungspuffer benötigt, das nicht unmittelbar der originären Betriebstätigkeit dient, bleiben 10% unschädliches Verwaltungsvermögen unberücksichtigt.

Vorabschlag für Familienunternehmen

Die wesentliche Änderung für den Mittelstand dürfte der Vorabschlag für Familienunternehmen sein. Der Abschlag ist unabhängig von der Wertgrenze anwendbar und soll ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse des Erwerbs, die nach dem Bewertungsgesetz irrelevant sind, privilegieren. Zu den persönlichen Verhältnissen werden insbesondere gesellschaftsvertragliche Verfügungsbeschränkungen über Geschäftsanteile gezählt. Auch Entnahme- und Abfindungsbeschränkungen werden regelmäßig in Familienunternehmen vereinbart. Beides führt zu einem deutlich niedrigeren Wert der erworbenen Beteiligung als der prozentual auf den Erwerber entfallende Anteil am Wert der Gesellschaft. Diese Wertminderung wird nun mit einem Vorabschlag von bis zu 30% kompensiert. Voraussetzungen sind, dass (1.) die Entnahme auf höchstens 37,5% des Nettogewinns beschränkt ist, (2.) die Verfügung über den Anteil oder die Beteiligung auf Mitgesellschafter oder Angehörige beschränkt ist, (3.) beim Ausscheiden eine Abfindung gezahlt wird, die unter dem Wert des Anteils liegt und (4.) die Bestimmungen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Die notwendigen Beschränkungen müssen im Gesellschaftsvertrag selbst geregelt sein, um auch den Steuerpflichtigen zu binden. Ein Poolvertrag genügt nach Ansicht des koordinierten Ländererlasses nicht. Aktuell gilt noch der Gewinn aus dem jeweiligen Einzelabschluss, analog zu der Verbundaufstellung zum Verwaltungsvermögen im Konzern soll dies aber noch geändert werden. Da der Vorwegabschlag auch rückwirkend auf 20 Jahre entfallen kann, muss im Gesellschaftsvertrag für den ausgeschiedenen Gesellschafter sichergestellt sein, dass die Voraussetzungen des Vorabschlags nach seinem Ausscheiden nicht zu seinen Lasten abgeschafft werden. Zum Thema Vorabschlag für Familienunternehmen verfolgen wir die neuesten Entwicklungen und beraten Sie gerne zu Gestaltungen und Anpassungen Ihrer Gesellschaftsverträge oder der Gestaltung Ihrer konkreten Unternehmensnachfolge.

Investitionsklausel

Als Privilegierung des Verwaltungsvermögens und der Finanzmittel ist die Investitionsklausel geschaffen worden. Um unbillige Härten auf Grund des strengen Stichtagsprinzips der Erbschaftsteuer zu vermeiden, sieht der neue § 13b Abs. 5 ErbStG vor, dass der Erbe binnen einer Frist von zwei Jahren nach dem Erbfall nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen durch Investition in begünstigtes Verwaltungsvermögen umwandeln kann. Voraussetzung dessen ist, dass die Investition auf Grund eines vorgefassten Plans des Erblassers erfolgt. Die Beweislast dafür gegenüber dem Betriebsfinanzamt trägt der Erbe. Investitionspläne fasst in der Regel die Geschäftsführung, deren Mitglied der Erblasser meistens nicht (mehr) sein wird. Sofern der Erblasser aber die Mehrheit der Kapitalgesellschaft gehalten hat, dürfte das bei entsprechender Gestaltung unschädlich sein. Nun hat der koordinierte Ländererlass die Regelung für den Minderheitsgesellschafter dahingehend ausgelegt, dass es bei fehlendem Einfluss auf die Geschäftsleitung ausreicht, wenn die Geschäftsleitung zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers einen konkreten Investitionsplan gefasst hatte und diesen innerhalb der Frist von zwei Jahren verwirklicht. Die Klausel bietet also eine gute Gestaltungsvorlage für die frühzeitige und vorsorgende erbrechtliche Beratung von Unternehmern. Die Klausel gilt nicht bei vorweggenommener Erbfolge, sondern nur bei dem Erwerb von Todes wegen. Gerade der plötzliche Tod sollte – so unangenehm der Gedanke auch ist – bei einer entsprechenden Unternehmensgröße und Struktur mit Blick auf das Verwaltungsvermögen bedacht werden. Gerade beim Erwerb von Todes wegen hat die Klausel Bedeutung, wenn der zukünftige Erblasser noch bis zu seinem Tod Unternehmensanteile halten möchte. Über das erforderliche Ausmaß der Konkretisierung des Investitionsplans des Erblassers besteht heute noch keine gefestigte Meinung. Allgemeine Investitionsvorhaben, etwa der Erwerb eines weiteren Betriebsgrundstücks, eines Maschinenparks oder eines neuen Geschäftszweigs, werden genügen, sofern sie nachweislich vom Erblasser geplant worden sind. Um sukzessive Vorsorge zu betreiben, sollten größere Investitionsvorhaben also regelmäßig mit Blick auf die Investitionsklausel als „Plan des Erblassers“ nachweisbar dokumentiert werden. Die entwicklungsoffene Rechtslage haben wir im Blick und beraten Sie gerne zur Nachfolgegestaltung und dem fortzuschreibenden „Investitionsplan des Erblassers“.

Auf der Rechtsfolgenseite des Erbschaftsteuerrechts hat der Gesetzgeber die Regel- und Optionsverschonung angepasst und neue Wertgrenzen (unter 26 Mio. EUR, bis 90 Mio. EUR und darüber) eingeführt, die für den Steuerpflichtigen jeweils verschiedene Verschonungsregime ermöglichen. Die Regel- und Optionsverschonung ist auf den Erwerb begünstigten Vermögens im Wert von bis zu 26 Mio. EUR beschränkt. Ausgeschlossen wird die Optionsverschonung, wenn das begünstigungsfähige Vermögen zu mehr als 20% aus Verwaltungsvermögen besteht. Bei Erwerben darüber hinaus ist das Abschmelzmodell, und bei Erwerben über 90 Mio. EUR die Verschonungsbedarfsprüfung anwendbar. Gerade im Umfeld und in der Nähe dieser Wertgrenzen sollten die neuen Privilegierungen sorgfältig bedacht werden, um steuerlich zu optimieren. Denn beispielsweise der Vorwegabschlag für Familienunternehmen ist vor der Prüfung des Schwellenwerts für Großerwerbe von 26 Mio. EUR abzuziehen. Dadurch wird die Möglichkeit eröffnet, die Wertgrenze für die Regel- und Optionsverschonung – also die volle Steuerbefreiung – trotz höherem Unternehmenswert noch zu erreichen.

Gerne beraten wir Sie zum Thema Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Gestaltung Ihrer Gesellschaftsverträge oder konkreten Unternehmensübergabe.

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