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Ende der Gesellschafterstellung bei Kündigung der Anstellung?

Die Gesellschafterstellung in einer GmbH kann an die Mitarbeit im Unternehmen geknüpft werden. Unzulässig ist aber eine Regelung, wonach der Anteil auch dann eingezogen werden kann, wenn die Beendigung der Anstellung streitig ist. Nach Auffassung des OLG München kann sich der Gesellschafter jedoch nicht auf die Unwirksamkeit berufen, wenn nicht mehr zu erwarten ist, dass er die Mitarbeit wieder aufnehmen wird.

Hintergrund

Das OLG München hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Die Klägerin war als Beraterin bei der Pariser Tochtergesellschaft einer deutschen Strategieberatung beschäftigt. Nachdem sie zur Partnerin befördert wurde, war sie auch in geringem Umfang am Stammkapital der deutschen Muttergesellschaft beteiligt, gleichzeitig blieb sie aber bei der französischen Gesellschaft angestellt. Als der Anstellungsvertrag von der Tochtergesellschaft gekündigt wurde, setzte sich die Klägerin dagegen arbeitsgerichtlich zur Wehr. Das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig beendet. Dennoch hat die Gesellschafterversammlung der beklagten Muttergesellschaft beschlossen, den Geschäftsanteil der Klägerin einzuziehen. Im Gesellschaftsvertrag der Beklagten ist geregelt, dass die Einziehung eines Geschäftsanteils zulässig ist, wenn der Arbeitsvertrag zwischen einem Gesellschafter und einem mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmen „egal aus welchen Gründen“ beendet wird. Weiter ist bestimmt: „Ist streitig, ob das Vertragsverhältnis beendet ist, gilt es als beendet, solange nicht eine gegenteilige gerichtliche Entscheidung rechtskräftig geworden ist.“ Die Klägerin beantragt, die Einziehung ihres Anteils für nichtig zu erklären.

Das clevere Urteil des OLG München vom 05.10.2016 – 7 U 3036/15 

Das OLG München hat dies allerdings abgelehnt. Die Einziehung eines GmbH-Anteils durch Mehrheitsbeschluss setzt das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Eine Satzungsbestimmung, welche die Einziehung ohne sachlichen Grund vorsieht, ist daher grundsätzlich nichtig. Denn sonst hätte die Mehrheit der Gesellschafter ein Disziplinierungsmittel gegenüber dem Minderheitsgesellschafter in der Hand, von dem sie willkürlich Gebrauch machen könnte – die Rechtsliteratur spricht hier vom „Damoklesschwert“, das über dem Minderheitsgesellschafter hängt. Die Verknüpfung der Gesellschafterstellung und einer Mitarbeit im Unternehmen ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung des BGH ein sachlicher Grund, um den Anteil bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses einzuziehen.

Darüber ging die Satzung der beklagten Muttergesellschaft im vorliegenden Fall jedoch weit hinaus. Denn die Beendigung des Anstellungsverhältnisses sollte auch für den Fall fingiert werden, dass über die Wirksamkeit der Beendigung zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter Streit besteht. Im Ergebnis wird so der Gesellschaftermehrheit doch wieder das von der Rechtsprechung missbilligte Damoklesschwert an die Hand gegeben.

Trotzdem hielt das OLG München die Einziehung des Anteils im Ergebnis für wirksam. Zum einen argumentiert das Gericht, dass die Nichtigkeit der Fiktionsklausel nicht auf die Einziehungsklausel durchschlage. Denn aus Sicht des Gerichts hätten die Parteien die Einziehungsklausel auch dann aufgenommen, wenn sie die Unwirksamkeit der Fiktionsklausel erkannt hätten. Schließlich sollten die partnerschaftliche Mitarbeit und die Gesellschafterstellung möglichst eng miteinander verknüpft sein.

Zum anderen teilt das Gericht mit salomonischer Spitzfindigkeit den für die Einziehung festgelegten Einziehungsgrund in zwei Hälften: die faktische und die rechtliche Beendigung der Mitarbeit. Nur über die rechtliche Komponente, nämlich über die Wirksamkeit der Kündigung des Anstellungsverhältnisses, bestand vorliegend Streit. Faktisch hatte die Klägerin die Arbeit bei der Konzerngruppe der Beklagten aber bereits beendet. Das Gericht argumentierte nun, dass nach den Umständen des Falles auch nicht mehr zu erwarten war, dass die Klägerin eine tatsächliche Mitarbeit als Partnerin bei der Beklagten und damit als Angestellte bei der Tochtergesellschaft wieder aufnehmen würde. Dabei zieht das OLG eine Parallele zum Ausscheiden von Managern im Streit: Auch wenn manche Klage auf die Wiedereinstellung gerichtet ist, geht es in Wahrheit doch meist um die Höhe der Abfindung. Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit ist nach der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses meist nicht mehr möglich. Diese Gedanken übertragen die Münchner Richter auf den Fall der Klägerin. Sie handelt daher treuwidrig, wenn sie sich hinsichtlich der Einziehung ihres Geschäftsanteils darauf beruft, die Kündigung sei formell rechtsungültig, obwohl mit einer tatsächlichen Wiederaufnahme ihrer partnerschaftlichen Mitarbeit nicht mehr zu rechnen ist.

Anmerkung

Die Entscheidung und der juristische Kniff des OLG München überzeugen. Es entspricht – jedenfalls für Fälle, in denen der Gesellschafter seine Geschäftsanteile erhält, nachdem er seine Tätigkeit für die Gesellschaft aufgenommen hat – der ständigen Rechtsprechung, dass die Gesellschafterstellung an die Dauer der Mitarbeit geknüpft werden darf. Dabei kann sogar die von der Gesellschaft zu zahlende Abfindung gegenüber den sonst sehr strikten Vorgaben stark reduziert werden, wenn der Mitarbeiter auch bei seinem Eintritt in die Gesellschaft nicht den tatsächlichen Wert bezahlen musste. Das Urteil ändert auch nichts daran, dass es immer auf die Beendigung der Anstellung und nicht auf etwaige Streitigkeiten hierüber ankommt – notfalls, wie im vorliegenden Fall, mit dem juristischen Trick der Treuwidrigkeit des Ausscheidenden im Falle einer Streitigkeit.

Die Entscheidung ist auch ein starkes Indiz für die Zulässigkeit des gerade im Startup-Bereich weitverbreiteten Vestings. Dabei sichern sich Investoren die wichtige Mitarbeit der Gründer, indem die Anteile der Gründer gegen eine äußerst geringe Abfindung eingezogen oder erworben werden können, wenn die Gründer ihre Mitarbeit im Unternehmen beenden. Nach Ablauf von gewissen, oftmals abgestuften Zeiträumen darf der Gründer eine bestimmte Anzahl der Anteile aber behalten (die „gevesteten“ Anteile). Diese können dann nur noch unter erheblich strikteren Voraussetzungen und nur unter Beachtung der strengen Abfindungsvorgaben des deutschen Rechts eingezogen werden. Insbesondere die in der Regel vorgesehene geringe Abfindung wird von Kritikern als Argument gegen eine Zulässigkeit des Vestings gesehen. Eine höchstrichterliche Klärung des Vesting steht noch aus, allerdings sprechen die überwiegenden Argumente für seine Zulässigkeit.

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