Stefan Daub, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Dynamische arbeitsvertragliche Verweisung auf kirchliches Arbeitsrecht und Betriebsübergang auf weltlichen Erwerber

Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 23.11.2017 gelten dynamische arbeitsvertragliche Verweisungen auf das kirchliche Arbeitsrecht auch nach einem Betriebsübergang auf einen weltlichen Erwerber weiter.

Sachverhalt

Der klagende Arbeitnehmer war seit dem Jahr 1991 bei einem Arbeitgeber, der dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche angeschlossen war, im Rettungsdienst beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war vereinbart, dass die Allgemeinen Vertragsrichtlinien (AVR) des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung gelten sollten. Zum 01.01.2014 ging das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über, die als gemeinnützige GmbH nicht Mitglied des Diakonischen Werks ist und dies auch nicht werden kann. Sie will die AVR im Arbeitsverhältnis der Parteien nur noch statisch mit dem am 31.12.2013 geltenden Stand anwenden. Sie vertritt die Auffassung, da sie auf den Inhalt der AVR weder direkt noch mittelbar Einfluss nehmen könne, sei sie an Änderungen in diesem Regelungswerk, die nach dem Betriebsübergang erfolgten, nicht gebunden. Die für die AVR beschlossenen Entgelterhöhungen von 1,9 % bzw. von 2,7 % zum 10.07. und 08.12.2014 gab sie deshalb an den Kläger nicht weiter. Der Kläger verlangte indes die Zahlung des erhöhten Entgelts gestützt auf die dynamische Klausel im Arbeitsvertrag.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des BAG keinen Erfolg. Die dynamische Geltung der AVR soll nach der Entscheidung nicht davon abhängen, dass der Arbeitgeber ein kirchlicher ist.

Entscheidungsgründe

Wird der Betrieb eines kirchlichen Arbeitgebers im Wege eines Betriebsübergangs von einem weltlichen Erwerber übernommen, so tritt auch in diesem Fall der Erwerber gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Teil der weitergeltenden Pflichten ist dann aber auch die arbeitsvertraglich vereinbarte Bindung an das in Arbeitsvertragsrichtlinien geregelte kirchliche Arbeitsrecht. Wird im Arbeitsvertrag auf Arbeitsvertragsrichtlinien in der jeweils gültigen Fassung verwiesen, verpflichtet nach Ansicht des BAG diese dynamische Inbezugnahme auch einen weltlichen Erwerber, Änderungen der AVR wie z.B. die eingeklagten Entgelterhöhungen im Arbeitsverhältnis nachzuvollziehen.

Nach Ansicht des BAG steht dem auch nicht das Unionsrecht entgegen, es verweist insofern auf eine ebenfalls sehr neue Entscheidung des Vierten Senats des BAG vom 30.08.2017 (4 AZR 95/14). Das BAG hatte in dieser Entscheidung nach einer vorherigen Anfrage und einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, 27.04.2017, C-680/15) entschieden, dass eine zwischen einem Betriebsveräußerer und einem Arbeitnehmer einzelvertraglich vereinbarte Klausel, die dynamisch auf einen Tarifvertrag verweist, ihre Dynamik im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber nicht allein aufgrund eines Betriebsübergangs verliert. Dem BAG reichte es aus, dass ein Betriebserwerber nach nationalem Recht sowohl einvernehmlich (im Wege eines Änderungsvertrags) als auch einseitig (im Wege einer Änderungskündigung, vgl. § 2 KSchG) etwa erforderliche Anpassungen der arbeitsvertraglichen Bedingungen vornehmen kann. Unter welchen Voraussetzungen indes eine Änderungskündigung zum Zwecke der „Entdynamisierung“ einer Bezugnahmeklausel im Einzelfall sozial gerechtfertigt ist, bedurfte in den beiden entschiedenen Fällen keiner Entscheidung.

Hinweise für die Praxis

Betriebserwerber hatten aufgrund einer Entscheidung des EuGH (18.07.2013, C-426/11, „Alemo-Herron“) die Hoffnung, dass eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Dynamik nicht mehr gilt, wenn sie nach dem Erwerb an Verhandlungen über Tarifverträge nicht teilnehmen können. Nachdem das BAG solchen Hoffnungen mit Entscheidung vom 30.08.2017 entgegen getreten ist, hat das Gericht diese Überlegungen auch für den Übergang eines kirchlichen Arbeitsverhältnisses mit Bezugsnahmeklausel auf einen weltlichen Erwerber bestätigt.

Offen bleibt wohl weiterhin, in der Presseerklärung des BAG wird dies nicht angesprochen, welche Anforderungen das BAG an eine sog. Entdynamisierung in Zukunft stellen wird, wenn der Betriebserwerber an den späteren Verhandlungen nicht teilnehmen kann. Wenn dies die gleichen Anforderungen sein sollten, die für Entgeltabsenkungen nach der Rechtsprechung derzeit gelten, stünden die Chancen für einen Betriebserwerber schlecht, eine Dynamisierung einseitig zu beenden.

Die Entscheidung des BAG zeigt auch, dass sich Betriebserwerber zur Risikoabschätzung bei Erwerb eines Betriebs im Zuge eines Betriebsübergangs regelmäßig sehr genau die mit Arbeitnehmern evtl. vereinbarten Bezugnahmeklauseln anschauen müssen, vor allem wenn diese dynamisch formuliert sind.

Für die Praxis gilt bereits im Vorfeld: Bei der Formulierung einer Bezugsnahmeklausel in einem Arbeitsvertrag ist große Sorgfalt anzuwenden!

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